Evangelische Kirche entscheidet über „Ehe für alle“

Die evangelisch-lutherische Kirche in Österreich entscheidet voraussichtlich am Freitag, ob homosexuelle Paare künftig getraut werden dürfen.

Im Gegensatz zur katholischen Kirche gibt es zwar kein eigenes Eherecht, standesamtlich getraute Paare werden aber gesegnet. Ob eine endgültige Entscheidung bei der Synode in Wien fällt, sei nicht fix, hieß es gegenüber der APA. Möglich könnte eine Trauung bereits ab 1. Jänner sein.

„Die Diskussion wird heftig geführt, das ist ja ein Kennzeichen der Evangelischen Kirche“, sagte der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker in der ORF-„ZiB2“. „Wenn wir was diskutieren, dann mit Herzblut und mit Engagement. Und es geht in dieser Frage ja auch um etwas.“ Im Raum stand am Freitag, dass die Synode die Entscheidung vertagen könnte, um eine drohende Spaltung zu verhindern.

Auch Personalentscheidungen

Personelle Entscheidungen wurden im Rahmen der Synode bereits am Donnerstag getroffen: Die neuen weltlichen Mitglieder des Oberkirchenrates der Evangelischen Kirche A.B. heißen Dieter Beck, Gerhild Herrgesell und Günter Köber. Beck wird künftig für juristische Belange in der Kirche zuständig sein. Gerhild Herrgesell, die seit 2012 als Oberkirchenrätin für Kirchenentwicklung der Kirchenleitung angehörte, wurde in ihrem Leitungsamt ebenso bestätigt wie Günter Köber, der das Amt des wirtschaftlichen Oberkirchenrats seit 2016 bekleidet.

Pfarrer Thomas Hennefeld und Vikarin Gisela Ebmer beim Gottesdienst zur Eröffnung der Synoden in Wien

epdÖ/Thomas Dasek

Pfarrer Thomas Hennefeld und Vikarin Gisela Ebmer beim Gottesdienst am Mittwoch zur Eröffnung der Synoden in Wien

Auf Beck entfielen 55 Stimmen, auf Herrgesell 39, Köber erhielt 55 von 56 Stimmen. Mit den weltlichen Oberkirchenräten bzw. der Oberkirchenrätin wählten die Synodalen drei der höchsten Leitungsämter der evangelisch-lutherischen Kirche, die Nicht-Geistlichen offen stehen. Die Leitungsämter werden ehrenamtlich ausgeübt.

Synode H.B. wählte Leitungsfunktionen

Die Synode H.B. hat den bisherigen Landessuperintendenten Thomas Hennefeld für eine weitere Amtszeit von sechs Jahren bestätigt. Bei der Wahl am Donnerstag erhielt Hennefeld 23 von 24 abgegebenen Stimmen. Hennefeld übt des Amt des Landessuperintendenten bereits seit 2007 aus. Seine dritte Amtszeit beginnt nun am 1. September 2019. Der 52-jährige Wiener ist seit 1998 Pfarrer der reformierten Pfarrgemeinde Wien-West. Derzeit steht er auch dem Ökumenischen Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) vor.

Als Vorsitzender der Synode H.B. wurde Georg Jünger einstimmig bestätigt. Der Wiener Rechtsanwalt, der der Pfarrgemeinde Wien-Innere Stadt angehört, hat den Vorsitz bereits seit Dezember 2014 inne. In den Oberkirchenrat H.B. gewählt wurden Klaus Heußler (Wien-West), Gabriele Jandrasits (Wien Innere Stadt), Michael Meyer (Dornbirn) und Johannes Wittich (Wien-Süd). Die Evangelische Kirche H.B. verzeichnet in Österreich rund 12.900 Mitglieder in 9 Gemeinden.

„Kirchenparlamente“ tagen

Mit einem Festgottesdienst in der Wiener reformierten Zwinglikirche wurden am Mittwochabend die evangelischen Synoden feierlich eröffnet. Bis Samstag kommen die „Kirchenparlamente“ der Evangelischen Kirchen A.B. und H.B. sowie die gemeinsame Generalsynode zusammen.

„Gegensätze gibt es in der Kirche offenkundig von Anfang an“, sagte der lutherische Bischof Michael Bünker in seiner Predigt zum Eröffnungsgottesdienst. Das sei „keine moderne Erscheinung, kein Ergebnis einer Verfallsgeschichte, sondern ein Geburtsmerkmal. Daher sollen wir heute unter uns bestehende Unterschiede und Gegensätze nicht bedauern, nicht moralisch beklagen und nicht als endzeitliche Zeichen deuten, sondern im Gegenteil dankbar dafür sein. Denn so erkennen wir: Wir sind den Ursprüngen treu.“

Glaube „immer auch politisch“

Die Kirche, so Bünker, sei nicht hierarchisch, Gemeinden immer Orte der Inklusion, sofern sie Gemeinden Jesu Christi sein sollen: „In einer Synode kommt diese gemeinsame, diese partizipative, demokratisch gestaltete Verantwortung zum Ausdruck.“ Kirche sei immer eine „Gemeinschaft der Verschiedenen“, aber auch eine Gemeinschaft der Glaubenden. Dieser Glauben sei zwar sehr persönlich, aber „als Vorschein der neuen Schöpfung mitten in der Welt“ immer auch politisch.

Der Bischof ging auch auf den Vorwurf ein, „die Kirche kümmere sich zu sehr um sich selbst, um ihren eigenen Zustand, um ihre eigene Zukunft, um ihr Ansehen, ihren Ruf, ihre Wahrnehmung in der Öffentlichkeit, ihre Anerkennung von anderen, um die Meinungen und Einstellungen ihrer Mitglieder“. All diese Themen seien wichtig, könnten jedoch nicht der „Sinn des Ganzen“ sein: „Das Ziel ist der heilige Tempel. Sein Bau wächst.“ Alle in der Kirche Beteiligten würden an diesem Tempel mitwirken, „der eine auf seine Weise, mit seinen Gaben und seinen Beschränkungen, die andere auf die ihre, mit ihren Talenten und in ihren Grenzen“.

Wichtige gesellschaftliche Themen

Bünker erinnerte an wichtige gesellschaftliche Themen, derer sich die Kirche anzunehmen hätte; konkret nannte er Asylwerberinnen und Asylwerber, von Armut bedrohte Familien und Alleinerziehende, Alte, Menschen mit Behinderung und den Klimawandel: „Mitten unter diesen Bedingungen, mitten in diesen Zuständen und Verhältnisse, vor diesen Herausforderungen wächst der heilige Tempel durch die, die fern waren und die, die nahe waren, durch alle beide.“

Liturgisch gestalteten den Gottesdienst der reformierte Landessuperintendent und Pfarrer der Zwinglikirche, Thomas Hennefeld gemeinsam mit der früheren Fachinspektorin und Vikarin der Zwinglikirche Gisela Ebmer. Hennefeld sagte, der Synodengottesdienst an diesem Ort bilde auch einen „besonderen Auftakt zum Zwinglijahr“.

2019 erinnert die reformierte Kirche an Ulrich Zwingli, der vor 500 Jahren mit der Übernahme des Pfarramts am Zürcher Großmünster symbolisch die Reformation in der Schweiz eingeläutet hatte. Für die musikalischen Beiträge sorgten im Gottesdienst die Sopranistin Ingrid Haselberger und Landeskantor Matthias Krampe an der Orgel. Die Synoden sind das höchste gesetzgebende Gremium der evangelischen Kirchen in Österreich.

religion.ORF.at/epdÖ/APA

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