Ukraine: Heftige Reaktionen auf Kirchengründung

Die moskautreue orthodoxe Kirche in der Ukraine hat die Neugründung einer ukrainischen Nationalkirche als Spaltung kritisiert. Mit scharfen Worten meldetet sich auch die Politik zu Wort.

Die russisch-orthodoxe Kirchenführung sprach von „Judassen“, der russische Außenminister von Nazis. „Die Möglichkeit einer Einheit der Orthodoxen in der Ukraine ist auf lange Zeit, wenn nicht für immer, zunichtegemacht worden“, beklagte die Bischofskonferenz der moskautreuen Kirche in der Ukraine am Montag in Kiew. Die Moskauer Kirche enthob zwei Bischöfe ihrer Ämter, die trotz Verbots an der Gründung der neuen Kirche teilgenommen hatten.

Kirchengründung trotz Widerstand

Trotz Widerstands aus Moskau hatten sich zwei orthodoxe Kirchen in der Ukraine am Wochenende zusammengeschlossen. Die oberste Autorität der weltweiten Orthodoxie, Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel, will der neuen Kirche am 6. Januar die Eigenständigkeit (Autokephalie) verleihen. Vorher hatte die Ukraine mehr als 300 Jahre kirchenrechtlich zu Russland gehört.

Auch der Kreml kritisierte die Abspaltung von der Russisch-orthodoxen Kirche. „Wir sehen, dass sich in die Prozesse in der Ukraine, in diese spalterische Tätigkeit sehr viel Politik mischt“, sagte Dmitri Peskow, der Sprecher von Präsident Wladimir Putin.

Die Sophienkathedrale in Kiew

Reuters/Gleb Garanich

In und vor der Sophienkathedrale in Kiew wurde die erste Messe der neuen ukrainischen Landeskirche unter Beisein des ukrainischen Präsidenten gefeiert.

Russische Zeitungen warnten vor Blutvergießen, falls die neue Kiewer Kirche mit Gewalt Moskauer orthodoxe Heiligtümer in der Ukraine an sich reißen wolle. Die Ukraine versucht schon lange, sich von der religiösen Oberhoheit Moskaus zu lösen. Die Ukraine habe jetzt eine „Kirche ohne Putin“, sagte der ukrainische Präsident Petro Poroschenko.

Teilnahme trotz Verbot: Vergleich mit Judas

Metropolit Hilarion (Alfejew), der Leiter des Außenamts des Moskauer Patriarchats, beschränkte sich im Hinblick auf die Teilnahme der zwei Metropoliten der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats am Kiewer „Vereinigungskonzil“ - Metropolit Simeon (Schostatskij) von Winnitsa und Metropolit Aleksandar (Drabinko) von Perejaslaw - auf den Vergleich mit Judas.

Im Gespräch mit „RIAS-Nowosti“ erinnerte Metropolit Hilarion daran, dass 88 der 90 Bischöfe der kanonischen ukrainisch-orthodoxen Kirche nicht am „Vereinigungskonzil“ teilgenommen hätten: „Die Teilnahme von zwei Hierarchen der kanonischen Kirche an einem Ereignis, das zur Zerstörung dieser Kirche bestimmt war, kann nur bedauert werden. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass unter den zwölf Aposteln ein Judas war. Bei 90 Apostel-Nachfolgern hätte man eigentlich sechs bis sieben ‚Judasse‘ erwarten können“.

„Abtrünnige“ Metropoliten exkommuniziert

Erzbischof Kliment (Wetscherja), der Leiter der Informationsabteilung der ukrainisch-orthodoxen Kirche des Moskauer Patriarchats, sagte im Gespräch mit BBC, dass die beiden „abtrünnigen“ Metropoliten keinerlei Verbindung mehr mit der ukrainisch-orthodoxen Kirche haben.

Die beiden Metropoliten hätten sich für das Schisma entschlossen, das müsse auch den anderen orthodoxen Kirchen mitgeteilt werden. Beide hätten sich „selbst exkommuniziert“, das könne nur „mit Bedauern“ festgestellt werden. Der Heilige Synod der ukrainisch-orthodoxen Kirche habe seinen Bischöfen, seinen Priestern und der Laienschaft ausdrücklich untersagt gehabt, an dem „Konzil“ am 15. Dezember teilzunehmen.

Neuer Primas: „Offen für alle“

Der neugewählte Primas der neuetablierten autokephalen orthodoxen Kirche der Ukraine, Metropolit Epifanij (Dumenko), zelebrierte am Sonntag erstmals in dieser Funktion in der Kiewer Hagia Sophia (Sophienkathedrale). In seiner ersten Ansprache nach der Wahl am Samstagabend hatte Metropolit Epifanij vom Vorplatz der Kathedrale aus an alle orthodoxen Christen in der Ukraine appelliert, sich um die neue Kirche zusammenzuschließen. Die Tore der neuen Kirche seien „offen für alle“: „Wir rufen zur Einheit auf, wir rufen alle auf, sich dieser nun anerkannten ukrainischen orthodoxen Kirche anzuschließen“. Das berichtete die Wiener Stiftung „Pro Oriente“ am Sonntag.

Er sei überzeugt, dass diese „vereinigte und allgemein anerkannte Kirche“ im Glauben und in der Wahrheit dem ukrainischen Volk dienen und es „auf dem Pfad der Erlösung“ leiten werde, so der Metropolit Epifanij. Freilich bleibe noch viel zu tun, es gehe darum, die „Vereinigung der ukrainischen Orthodoxie“ zu „vervollständigen“, die ukrainische theologische Wissenschaft zu pflegen, für die Beendigung des Krieges und für die Herrschaft des gerechten Friedens in der Ukraine zu beten.

Politik mit heftigen Vergleichen

In Russland reagierte man auf die neue vom Moskauer Patriarchat unabhängige ukrainisch-orthodoxe Kirche mit scharfer Rethorik. Der russische Außenminister sprach von Nazis. Sergej Lawrow attackierte die Führung der benachbarten Ukraine. Es sei nicht Russland, das gegen das „ukrainische Regime“ kämpfe, sagte er am Montag in einem Interview des kremltreuen Massenblatts „Komsomolskaja Prawda“ in Moskau. „Gegen das ukrainische Regime, das alle Eigenschaften von Nazis und Neonazis hat, kämpfen die russischsprachigen Ukrainer, die im Donbass wohnen.“

Im Kohlerevier Donbass in der Ostukraine wehrt sich die ukrainische Armee seit 2014 gegen prorussische Separatisten. Deren Kampfkraft beruht vor allem auf dem ständigen Nachschub an Waffen, Munition und Kämpfern aus Russland. Lawrow sprach sich aber dagegen aus, die separatistischen Volksrepubliken Donezk und Luhansk als eigene Staaten anzuerkennen. „Und was dann?“, fragte er. „Auch noch den Rest der Ukraine verlieren und den Nazis überlassen?“

Er warnte den ukrainischen Präsidenten Petro Poroschenko vor einem angeblich geplanten Angriff auf die Grenze zur Halbinsel Krim, die Russland sich 2014 einverleibt hat. „Dann bekommt er eine Reaktion, dass ihm Hören und Sehen vergeht“, drohte Lawrow. Die Gründung einer ukrainischen orthodoxen Nationalkirche vom Wochenende erwähnte er nicht. Die kirchliche Loslösung der Ukraine ist aber eine Niederlage für die Russisch-orthodoxe Kirche wie für die Moskauer Politik.

religion.ORF.at/KAP/KNA/APA/dpa

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