NGOs: Kürzungen bei Mindestsicherung bergen Gefahr

Die geplanten Kürzungen bei der bedarfsorientierten Mindestsicherung (BMS) gefährden den sozialen Frieden in der Gesellschaft: Davor haben am Mittwoch Vertreterinnen und Vertreter von Caritas, Diakonie und Volkshilfe gewarnt.

Dass Österreich eine geringe Kriminalitätsrate hat, werde vor allem durch ein flächendeckendes soziales Wohlfahrtssystem garantiert, so der Tenor am Mittwoch bei einer Pressekonferenz in Wien. Die Regierung sehen die Experten vor der Wahl, „den Wohlfahrtsstaat so zu belassen oder mehr Gefängnisse zu bauen“.

Die geplanten Einschnitte hätten vor allem für Familien und Kinder nachteilige Folgen, warnten die Experten. Bei Kindern zu kürzen, ist für Caritas-Generalsekretär Bernd Wachter eine „kurzsichtige Entscheidung“, die das Leben gerade für jene schwer mache, „die schon jetzt jeden Euro zweimal umdrehen müssen“. Armut nehme Kindern Bildungs- und Zukunftschancen und erschwere ihnen die Teilhabe an der Gesellschaft. 80.000 Kinder leben in Österreich in Familien, die Mindestsicherung beziehen. Mit 35 Prozent stellen sie den größten Anteil der Bezieher.

Das letzte soziale Netz

Bei der bedarfsorientierten Mindestsicherung gehe es um das letzte soziale Netz. Die Höhe müsse deshalb armutssicher sein, so Wachter. Der bisherige Konsens, die BMS müsse mindestens 860 Euro ausmachen, werde unter der neuen Regierung nun brüchig, „da Familien mit Kindern oder Menschen mit nicht ausreichenden Sprachkenntnissen weniger erhalten sollen“, erläuterte der Caritas-Experte.

Geldbörse und Münzen

APA/dpa/Andreas Gebert

„Die Mindestsicherung sichert Existenz und Chancen“, gab Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser zu bedenken

Den Ansatz der Regierung, die Höhe der Mindestsicherung von zuvor erbrachten Leistungen abhängig zu machen, hält Wachter für den „falschen Weg“. Die BMS sei vielmehr eine Fürsorgeleistung: „Sie ist für all jene Menschen da, die aufgrund von Lebenskrisen, bei einem Jobverlust oder bei Krankheit nicht auf der Straße stehen sollen.“

Diakonie: Österreich armutssicher machen

„Die Mindestsicherung sichert Existenz und Chancen. Niemand soll Angst haben müssen, in den sozialen Abgrund zu stürzen und niemand darf aufgrund seiner Herkunft diskriminiert werden“, forderte auch Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser. An die Bundesregierung gewandt, meinte Moser: „Die geplanten Kürzungen schaden genau dem viel zitierten fleißigen Geringverdiener mit Kindern.“ Anstatt die Situation jener, die es ohnedies schwer haben, zu verschärfen, wäre es - angesichts der guten wirtschaftlichen und budgetären Entwicklung - jetzt an der Zeit, „Österreich armutssicher zu machen“.

„Fleckerlteppich“ von „Kann-Bestimmungen“

Der neue Gesetzesentwurf gleiche einem „Fleckerlteppich“ von „Kann-Bestimmungen“ ohne Rechtsanspruch und bedeute einen „Verschlechterungszwang“ und ein „Verbesserungsbelieben“ auf Länderebene. Kritisch äußerte sich Moser auch zum Versuch der Regierung, Menschen in die Kategorien „fleißig“ und „durchschummeln“ zu spalten.

Die Mindestsicherung dürfe nicht von vorherigen Leistungen abhängig gemacht werden, sondern komme jedem Menschen aufgrund seiner je eigenen Würde zu. Bringe man den Ansatz der Regierung zur Anwendung, „dann befreit man sich von jeglichem solidarischem Verständnis“.

Fundament geht verloren

Für Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger verliert die neu geregelte BMS eine „bundesweite Fundamentplatte, die Armut bekämpft und abwehrt“. Die „Ur-Idee“ der Mindestsicherung, die Beteiligung aller Menschen am kulturellen und gesellschaftlichen Leben zu sichern, habe die Regierung mit der neuen Regelung „vom Tisch gewischt“. Es gehe wieder um Disziplinierung und die BMS erhalte dadurch einen Almosencharakter.

Um den Menschen die Teilhabe an der Gesellschaft zu sichern, „muss das Mindeste auch wirklich das Mindeste bleiben“. Der Volkshilfe-Direktor empfahl der Regierung außerdem einen Realitätscheck: „Wir reden hier von Beträgen, die im gesamtstaatlichen Ausgabenbereich lächerlich sind.“ Mit der Neuregelung verabschiede sich Österreich von den Errungenschaften der Aufklärung und der Menschenrechte.

religion.ORF.at/KAP

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