Caritas ortet „Empathie-Defizite“ in der Regierung

Caritas-Präsident Michael Landau ortet „Empathie-Defizite“ in der Regierung. „Wichtiger als neuer Stil ist guter Stil“, resümierte er im APA-Interview nach einem Jahr ÖVP-FPÖ-Regierung im Bund.

Maßnahmen wie die Kürzung der Mindestsicherung gingen an der Lebensrealität der Menschen vorbei. Stattdessen forderte er einen „Fünf-Punkte-Pakt“ für soziale Sicherheit und gegen den „sozialen Klimawandel“.

Caritas-Präsident Michael Landau

Kathpress/Robert Mitscha-Eibl

Caritas-Präsident Michael Landau ortet „Empathie-Defizite“ in der Regierung

„Armut und nicht Armutsbetroffene bekämpfen“

„Mit Sorge beobachten wir einen Klimawandel in unserem Land“, blickt Landau auf das vergangene Jahr zurück. „Der Ton wird rauer, das Klima kälter.“

Über Menschen in Not werde abschätzig gesprochen, „ich habe den Eindruck, hier ist der gesellschaftliche Wertekompass ein Stück weit abhandengekommen oder verrutscht“. Für 2019 sollte für den Caritas-Chef wieder gelten: „Armutsbekämpfung anstatt Bekämpfung armutsbetroffener Menschen.“

Reform der Mindestsicherung „überdenken“

An die Bundesregierung und das Parlament appelliert Landau daher, die Reform der Mindestsicherung noch einmal zu überdenken, denn: „Dass hier ausgerechnet bei klassischen Familien gekürzt werden soll, ist aus Sicht der Caritas nicht nachvollziehbar.“

Es dürfe weder zu einem Anstieg der Kinderarmut noch der Altersarmut kommen. „Hier erwarte ich mir von der Bundesregierung das unmissverständliche Versprechen: kein Hartz IV in Österreich.“

Ein neues Gesetz zur Mindestsicherung darf für den Caritas-Präsidenten nicht an Ideologien Maß nehmen. „Ich habe den Eindruck, die Bundesregierung ist hier erstaunlich weit weg von der Lebensrealität armutsbetroffener Menschen. Da gibt es schwere Empathie-Defizite in diesem Bereich“, findet Landau. Wichtig sind ihm ein „einheitlicher, rechtskonformer, transparenter Vollzug“ sowie eine jährliche Erhebung der Daten in Bund und Ländern.

Langfristige Lösungen für Pflege notwendig

Der „Fünf-Punkte-Pakt“ betrifft auch die Pflege. Die angekündigte parlamentarische Enquete begrüßt Landau. Es gehe aber auch um langfristige Lösungen: „Eine Reform des Pflegegeldes, die Entlastung der pflegenden Angehörigen, mehr Hilfe bei demenziellen Erkrankungen, all das sind zentrale Themen.“

Auch eine Mietrechtsreform ist Landau ein Anliegen. „Wenn sich junge Menschen im Land der Häuslbauer ihre Mieten nicht mehr leisten können, herrscht dringender Handlungsbedarf.“

Lob für das AMS

Ein weiterer Punkt betrifft die Beschäftigung. „Die Menschen in unserem Land brauchen Arbeit, von der sie leben können. Arbeit ist ein Menschenrecht“, meint Landau. So gehe die Arbeitslosigkeit zwar zurück, sei aber nach wie vor viel zu hoch.

„Aus meiner Sicht leistet das AMS hier eine wertvolle und gute Arbeit. Aber ich hielte es für sinnvoll, die Sozialversicherungsbeiträge bei niedrigen Einkommen zu senken. Das heißt, den Dienstnehmeranteil fallen zu lassen“, schlägt der Caritas-Präsident vor.

„Härte nicht mit Größe verwechseln“

„Wer mit den Ängsten der Menschen spielt, schadet unserem Land“, richtet Landau der Regierung nach einem Jahr im Amt aus. „Heute glauben offenbar manche, wieder hart gegenüber Schwachen auftreten zu müssen, doch man sollte Härte nicht mit Größe verwechseln. Größe hat mit Menschlichkeit und Barmherzigkeit zu tun. Mitunter kann man den Eindruck gewinnen, dass manche Berater der Bundesregierung ein Interesse haben, gesellschaftliche Ängste zu bewirtschaften.“

Aufgabe jeder Bundesregierung sollte es für den Caritas-Präsidenten jedoch sein, Hoffnung und Zuversicht in den Menschen eines Landes zu stärken. „Ich wünsche mir für 2019 eine Kultur des Gesprächs, der fairen Suche nach Lösungen, des Bemühens um einen gemeinsamen Weg. Es liegt auch an uns, den Wertekompass neu auszurichten.“

„Asylverweigerung ist unanständig“

Die Vorschläge der Regierung zum Umgang mit Asylwerbern ärgern die Caritas. Flüchtlingen, die durch Schlepper nach Europa gelangt sind, kein Asyl zu gewähren, ist für Präsident Michael Landau unanständig. Ohne faire Verfahren zwinge die Regierung Menschen in die Hände der Schlepper und wolle sie zugleich dafür bestrafen.

„Wer in Europa Schutz sucht, muss diesen Schutz finden können, und die Grenzen Europas dürfen keine Grenzen des Todes sein“, lautet Landaus Standpunkt. „Im Gegenzug erwarte ich von Schutzsuchenden die Bereitschaft, sich einzugliedern und sich an die Gesetze zu halten. Das sind aus meiner Sicht klare Spielregeln.“

Ebenso müsse aber auch klar sein, dass Flucht kein Verbrechen und ein Generalverdacht gegen schutzsuchende Menschen eine Missachtung der Menschwürde sei.

Ergebnisse der Bundesregierung noch ausständig

Wer Schleppern das Handwerk legen will, müsse die Hilfe vor Ort ausweiten und legale Wege, wie Resettlement, auch umsetzen. „Die Bundesregierung ist hier die Ergebnisse schuldig geblieben“, verweist der Caritas-Präsident auf das Koalitionsabkommen.

„Wenn die Bundesregierung Menschen, die auf verzweifelter Herbergssuche sind und vor Krieg und Verfolgung fliehen, nicht mehr helfen und keinen Schutz mehr gewähren will, wäre es zumindest ehrlicher, das offen zuzugeben.“

„Hausordnung ist nicht Gefängnis“

Im Zuge von Verhaltensregeln Asylwerber in Quartieren festzuhalten, ist für Landau kein gangbarer Weg. „Hausordnungen sind sinnvoll, deshalb gibt es sie schon heute in allen unseren Einrichtungen“, meint er dazu. „Und gerade wo es um Jugendliche geht, halte ich es für ganz wichtig, dass die Caritas wie auch das Rote Kreuz wie auch SOS Kinderdorf sich genau an die Bestimmungen des Jugendschutzes der jeweiligen Länder halten. Das tun wir selbstverständlich.“

Das Problem für Landau ist aber, „dass man manchmal den Eindruck gewinnt, die politisch Verantwortlichen sagen Hausordnung und meinen Stacheldraht, Securitys und scharfe Wachhunde. Das ist keine Hausordnung, das sind gefängnisähnliche Zustände“. Die kirchliche Position zum Thema Flucht sei jedenfalls klar: „Asyl ist heiliges Recht, und wir sollten dieses heilige Recht auch in Österreich künftig achten.“

Zukunftspakt mit Afrika als Gebot der Stunde

Zu den Ergebnissen des EU-Afrika-Forums meint Landau: „Globale Herausforderungen müssen auch global gelöst werden. Ein Zukunftspakt mit Afrika ist ein Gebot der Stunde.“

Die Aufstockung des Auslandskatastrophenfonds ist für ihn wiederum erfreulich und ein positives Zeichen. Und ganz allgemein in Hinblick auf den Heiligen Abend: „Wenn ich an Weihnachten denke, wünsche ich mir, neben dem Weihnachtsfrieden auch den sozialen Frieden in Österreich zu sichern.“

religion.ORF.at/APA

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