Vertuschungsvorwurf: Prozess gegen Erzbischof in Lyon

Der mächtige Erzbischof von Lyon, Philippe Barbarin, und weitere Geistliche müssen sich von Montagvormittag an vor Gericht verantworten. Barbarin wird vorgeworfen, Missbrauchsvorwürfe gegen einen Priester nicht weiterverfolgt zu haben.

Dieser Geistliche soll in den 1980er Jahren gegen Dutzende Kinder übergriffig geworden sein. Angestrengt wurde das Verfahren von einem Opferverein. Dem 68 Jahre alten Erzbischof wird vorgeworfen, von den knapp 30 Jahre alten Missbrauchsvorwürfen gegen den Priester gewusst und die Anschuldigungen nicht gemeldet zu haben. Barbarin bestreitet jegliche Vertuschung.

Der Erzbischof von Lyon, Philippe Barbarin

APA/AP/Laurent Cipriani

Der Erzbischof von Lyon, Philippe Barbarin, am Montag auf dem Weg ins Gericht

Neben Barbarin müssen auch zwei frühere Mitglieder der Erzdiözese Lyon in Frankreich wegen der mutmaßlichen Vertuschung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche vor Gericht erscheinen: Maurice Gardes, Erzbischof von Auch, und Thierry Brac de la Perriere, Bischof von Nevers. Vorgeladen sind zudem zwei Kleriker aus der Erzdiözese Lyon und die ehemalige Verantwortliche einer Gruppe für Missbrauchsopfer.

„Untypische Figur“

Kardinal Barbarin galt Beobachtern zufolge lange als ein Shootingstar der katholischen Kirche in Frankreich. Im Sommer 2002 wurde er mit nur 51 Jahren Erzbischof von Lyon und damit höchster katholischer Würdenträger Frankreichs. Das Amt des Primas der katholischen Kirche in Frankreich ist traditionell mit dem Amt des Erzbischofs von Lyon verbunden. 2003 und 2013 wählte er den neuen Papst mit. „Eine untypische Figur der Kirche“, nannte ihn etwa der Sender France Info.

Schnell sorgte der neue Erzbischof damals für Aufsehen - stellte etwa in einem Interview das Pflichtzölibat infrage. Später sprach er sich gegen die Heirat Homosexueller und Adoptionen durch gleichgeschlechtliche Paare aus. „Danach werden sich Paare aus drei oder vier Personen bilden wollen. Dann, vielleicht eines Tages, wird das Inzestverbot fallen“, sagte er 2012 dem Sender RCN und löste eine heftige Debatte in Frankreich aus.

Kardinal räumt Fehler ein

Barbarin und den anderen Geistlichen wird nun vorgeworfen, im Jahr 2007 die Vorwürfe der sexueller Belästigung Minderjähriger gegen einen Priester aus den 1980er Jahren unter den Teppich gekehrt zu haben. In einem Interview der Zeitung „Le Monde“ sagte Barbarin 2017, dass dieser Priester ihm versprochen habe, dass seit 1991 nichts mehr vorgefallen sei. „Ich habe das dann zu überprüfen versucht und wir haben nichts gefunden.“ Er habe damals nicht vertuscht, allerdings räumte er auch Fehler ein. „Heute würden wir uns nicht mehr so verhalten“, sagte Barbarin damals im Gespräch mit der Zeitung.

Im Sommer 2018 initiierte ein Geistlicher des Bistums Valence eine Petition gegen Barbarin mit der Forderung nach seinem Rücktritt, die schnell zahlreiche Unterstützer fand. „Was immer er jetzt sagt, egal zu welchem ​​Thema er sich äußert, es wird immer der Schatten dieser Angelegenheit sein. Wir hören nicht mehr auf das, was er sagt. Er kann seinen Dienst nicht mehr erfüllen“, sagte Pater Pierre Vignon der Zeitung „La Croix“.

religion.ORF.at/dpa/AFP

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