F: Missbrauch vertuscht? Kardinal womöglich straffrei

In einem Prozess wegen Vertuschung von Missbrauch durch katholische Geistliche im französischen Lyon gehen die Angeklagten vielleicht straffrei aus: Die Staatsanwaltschaft verzichtete am Mittwoch auf eine Strafforderung für den Erzbischof und fünf weitere Angeklagte.

Erzbischof Philippe Barbarin und die anderen Kirchen-Verantwortliche sollen den Missbrauch an jungen Pfadfindern durch einen katholischen Priester gedeckt haben. Die Opfer hatten Kardinal Barbarin zuvor schwer belastet, ein Kläger-Anwalt nannte ihn einen „Lügner“.

Keine Beweise

Die stellvertretende Staatsanwältin Charlotte Trabut argumentierte, dem Erzbischof könne nicht nachgewiesen werden, dass er den mutmaßlichen Missbrauch junger Pfadfinder durch den Pfarrer Bernard Preynat absichtlich verschwiegen habe. Auch unterlassene Hilfeleistung könne ihm nicht zur Last gelegt werden.

Kardinal Barbarin

REUTERS/Robert Pratta

Kardinal Barbarin gab in dem Prozess zu Protokoll, er habe ab dem Jahr 2000 nur „Gerüchte“ über den Priester gehört, der zwischen 1986 und 1991 Pfadfinder missbraucht haben soll. Erst 2014 habe er von einem Opfer konkret von den Taten erfahren und den Mann ermutigt, zur Polizei zu gehen.

In einem Interview der Zeitung „Le Monde“ sagte Barbarin 2017, dass dieser Priester ihm versprochen habe, dass seit 1991 nichts mehr vorgefallen sei. „Ich habe das dann zu überprüfen versucht und wir haben nichts gefunden.“ Er habe damals nicht vertuscht, allerdings räumte er auch Fehler ein. „Heute würden wir uns nicht mehr so verhalten“, sagte Barbarin damals im Gespräch mit der Zeitung.

Vorwurf: Kardinal wusste Bescheid

Ein Anwalt der Anklage sagte hingegen, Barbarin habe bereits früher vom Ausmaß des Skandals gewusst und zusammen mit anderen Würdenträgern gezielt versucht, diesen zu vertuschen.

Das heute 44 Jahre alte Opfer Alexandre Hezez gab vor Gericht an, er habe Barbarin 2014 umfassend über den Missbrauch durch Priester Preynat informiert, den er im Alter von acht bis elf Jahren habe erleiden müssen. Der Erzbischof habe aber nicht gehandelt und dem Geistlichen erst 2015 den Kontakt zu Kindern und Jugendlichen untersagt, als die Vorwürfe öffentlich wurden. Dem Priester Preynat steht ein eigenes Verfahren noch bevor.

Gefallener Shootingstar der Kirche

Kardinal Barbarin galt Beobachtern zufolge lange als ein Shootingstar der katholischen Kirche in Frankreich. Im Sommer 2002 wurde er mit nur 51 Jahren Erzbischof von Lyon und damit höchster katholischer Würdenträger Frankreichs. Das Amt des Primas der katholischen Kirche in Frankreich ist traditionell mit dem Amt des Erzbischofs von Lyon verbunden. 2003 und 2013 wählte er den neuen Papst mit. „Eine untypische Figur der Kirche“, nannte ihn etwa der Sender France Info.

Im Sommer 2018 initiierte ein Geistlicher des Bistums Valence eine Petition gegen Barbarin mit der Forderung nach seinem Rücktritt, die schnell zahlreiche Unterstützer fand. „Was immer er jetzt sagt, egal zu welchem ​​Thema er sich äußert, es wird immer der Schatten dieser Angelegenheit sein. Wir hören nicht mehr auf das, was er sagt. Er kann seinen Dienst nicht mehr erfüllen“, sagte Pater Pierre Vignon der Zeitung „La Croix“.

religion.ORF.at/APA/AFP/dpa

Mehr dazu: