Glettler: Geschiedene haben Platz in Mitte der Kirche

Mit der Initiative „Neu beginnen“ wendet sich die Diözese Innsbruck in besonderer Weise jenen Menschen zu, die nach Trennung oder Scheidung einen neuen Partner bzw. eine neue Partnerin gefunden haben.

In einer Pressekonferenz am Freitag gaben Bischof Hermann Glettler und Alfred Natterer, Leiter der Diözesan-Abteilung Familie und Lebensbegleitung, Details dazu bekannt. Erklärtes Ziel sei es, Menschen nach einer Trennung in ihrer neuen Beziehung zu begleiten und auch mithilfe des Glaubens Hilfe zu bieten, so eine Kathpress-Meldung vom Freitag. Dafür bietet die Diözese im Frühjahr vierteilige Seminare in ganz Tirol an. „Auch wenn eine zweite kirchliche Eheschließung nicht möglich ist, möchten wir allen Paaren deutlich machen, dass sie in der Mitte unserer Kirche ihren Platz haben“, so Bischof Glettler.

Der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler

ORF/Diözese Innsbruck/Aichner

Bischof Hermann Glettler

Als zugrunde liegende Haltung teilte die Diözese mit: „Wir freuen uns darüber, dass Menschen nach Erfahrungen des Scheiterns dem Leben wieder trauen und neue Beziehungen wagen.“ Das geschehe in Respekt vor der Freiheit der Paare und im Bemühen, den „Weg zu guten Entscheidungen“ zu unterstützen. Laut Bischof Glettler kommt eine große Ermutigung für die Initiative „Neu beginnen“ von Papst Franziskus und seiner Enzyklika „Amoris laetitia“. Dort habe dieser der Liebe die Fähigkeit zugesprochen, „Zukunft zu wagen“ und betont: „Die Quelle des christlichen Glaubens eröffnet neue Wege und ungeahnte Möglichkeiten.“

„Viele fühlen sich hinausgedrängt“

Trennungen und das Zerbrechen von Beziehungen beträfen mittlerweile alle gesellschaftlichen Schichten - auch die im Zentrum der Kirche beheimateten, heißt es zur Ausgangslage der Initiative „Neu beginnen“ in einer Presseunterlage. Bischof Glettler dazu: „Viele fühlen sich aus der Kirche hinausgedrängt, von ihr verurteilt oder sanktioniert.“

Genau mit diesen Menschen wolle man in Beziehung treten und mit „Neu beginnen“ einen Weg gemeinsam gehen. „Deutlich möchte ich für unnötige Verletzungen, die durch ein zu hartes oder unbarmherziges Verhalten kirchlicher Verantwortungsträger verursacht wurden, um Entschuldigung bitten“, sagte Glettler. Die Diözese Innsbruck setze das Angebot, wieder miteinander ins Gespräch zu kommen, voneinander zu lernen und Wege der Versöhnung gemeinsam zu gehen.

Zur Frage des Kommunionempfangs für wiederverheiratete Geschiedene meinte der Bischof: „Wir wollen wegkommen von der Fixierung darauf.“ Nach einer „guten Zeit der Unterscheidung und gewachsenen Versöhnung“ sollen die Betroffenen selbst entscheiden, ob sie kommunizieren möchten oder nicht. „Für beide Optionen gibt es gute Gründe“, so Glettler. „Die Gewissensentscheidung der Menschen wollen wir ernst nehmen.“ Das Projekt „Neu beginnen“ sei jedenfalls „kein Freibrief für einen unbedachten Kommunionempfang“.

Angebot differenzierter Begleitung

Betroffenen will die Diözese eine „gut strukturierte Begleitung“ in vier Schritten anbieten, erklärte der Leiter der Abteilung Familie und Lebensbegleitung, Alfred Natterer. Es gehe um das Annehmen des Positiven und Schmerzhaften in der jeweiligen Lebensgeschichte, wie auch um das Bewusstwerden darüber, was zur Krise geführt hat.

Das gelte es als Lernerfahrungen zu bündeln und für die Zukunft nutzbar zu machen. Wichtig sei auch der Blick auf das Umfeld des Paares anhand der in der Erzdiözese Wien formulierten „5 Aufmerksamkeiten“: Sie gelten etwaigen Kindern, dem getrennt lebenden Partner, der Verantwortung und Schuldfrage, der Gemeinde und dem Gewissen.

Am Ende einer solchen differenzierten Begleitung könne eine „Versöhnungs- und Segensfeier“ für die eine neue Bindung anstrebenden Paare erfolgen. „Ob dies innerhalb der Gruppe oder in der Kirche stattfindet, ob im vertrauten Kreis oder in der Öffnung zur Gemeinschaft hin, ist individuell zu entscheiden“, hieß es.

Kompetenz erfahrener Paare genutzt

Als „Kursbegleiter“ für dieses regionale Seminar-Angebot der Diözese wurden beziehungserfahrene Paare wie Bernhard Wasle und Brigitte Wasle-Kaltenegger gewonnen, die beim Pressegespräch in Innsbruck dabei waren. Paare wie sie sollen als Experten in Kooperation mit Vertretern der Diözese zur Begleitung und Stärkung bindungswilliger Menschen beitragen, so das Konzept. Brigitte Wasle-Kaltenegger war, wie sie erzählte, 15 Jahre verheiratet und danach viele Jahre geschieden.

„In dem Zeitabschnitt als Geschiedene habe ich vieles aus erster Ehe reflektiert, soweit möglich aufgearbeitet, dazugelernt und Frieden gefunden.“ Im reiferen Alter habe sie nochmals geheiratet - und sich jetzt gerne bereit erklärt, ihre Kompetenzen im Bereich Supervision und Coaching sowie der Sozial-und Berufspädagogik anderen Paaren zur Verfügung zu stellen.

Beziehung trotz Scheidung kirchlich leben

Ihr Mann Bernhard war Witwer und kirchlich vielfach engagiert, als er seine Bindung zu seiner jetzigen Frau auch durch eine kirchliche Feier bestärken wollte. Ein Diakon in Bayern habe es ermöglicht, „dass wir uns in seiner Kirche gegenseitig ein Versprechen abgeben und den Göttlichen Segen erbitten konnten“. Viele andere Paare hätten ähnliche Wunsche, so Bernhard Wasle. Er freue sich, dass durch Papst Franziskus und Bischof Hermann Glettler auch in Tirol ein Weg aufgezeigt werde, „wie eine neue Beziehung - trotz Scheidung - auch in kirchlichem Sinne gelebt werden kann“.

Den Einsatz für eine gute Beziehungskultur widmet die Diözese Innsbruck aber nicht nur davor Getrennten, sondern weiterhin auch Paaren in ihrer ersten Partnerschaft: in Ehevorbereitung, Paarbegleitung und Familienbildung. „Wir stärken auch jene Paare, die ihrem Ja im Sakrament der Ehe treu geblieben sind und fördern eine Kultur der Liebe“ so die Diözese.

Die Kurse im Rahmen von „Neu beginnen“ starten im März im Haus Marillac in Innsbruck sowie an fünf weiteren Schauplätzen im Außerfern, im Tiroler Ober- und Unterland, im Wipptal und in Osttirol.

religion.ORF.at/KAP

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