Bischof: Pflichtzölibat könnte in zehn Jahren fallen

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hält mittelfristig eine Abkehr vom Pflichtzölibat in Deutschland für denkbar. Er hoffe, dass sich in zehn Jahren noch Katholiken aus religiösen Gründen freiwillig für die Ehelosigkeit entschieden.

„Aber die Verpflichtung zur Ehelosigkeit als einzigem Weg wird dann möglicherweise der Vergangenheit angehören“, sagte Kohlgraf der „Zeit“-Beilage „Christ & Welt“ (Donnerstagausgabe). „Ich würde es begrüßen, wenn es unterschiedliche Zugangswege zum Priesteramt gibt“, fügte er hinzu.

Weiter sagte der Bischof, weltweit sei ein solcher Schritt „sicher nicht mehrheitsfähig. Allerdings wäre es möglich, diese Frage den nationalen Bischofskonferenzen zu überlassen“. Papst Franziskus habe deren Entscheidungskompetenzen stets betont. Kohlgraf wies ferner darauf hin, dass der Zusammenhang zwischen Zölibat und sexuellem Missbrauch auch unter Experten kontrovers diskutiert werde. „Sicherlich ist es ein Trugschluss, anzunehmen, ohne Zölibat gäbe es keinen Missbrauch in der Kirche.“

Zwei Eheringe

APA/dpa/Friso Gentsch

Laut dem Mainzer Bischof Peter Kohlgraf könnte der Pflichtzölibat in zehn Jahren Geschichte sein

Noch kein Thema bei Missbrauchssynode

Bei dem Treffen der Bischöfe mit Papst Franziskus zum Thema Missbrauch, Ende Februar, werde das Thema Zölibat seiner Einschätzung nach „noch keine Rolle spielen“, fügte Kohlgraf hinzu. Er glaube zudem, „dass das Treffen die hochgesteckten Erwartungen in Deutschland nicht erfüllen wird und auch nicht erfüllen kann“.

Der Papst werde vielmehr allen Bischöfen die Brisanz des Problems vor Augen führen: „Die Sensibilität ist beim Thema Missbrauch in den verschiedenen Regionen der Weltkirche noch sehr unterschiedlich ausgeprägt.“

„Können nicht weitermachen, wie bisher“

Erforderlich seien neue Gesprächsformate, bei denen Bischöfe, Praktiker, Laien und Experten „über die großen praktischen und theologischen Fragen diskutieren“, erklärte Kohlgraf. Was die Deutsche Bischofskonferenz betreffe, sei allen bewusst, „dass wir als Kirche nicht so weitermachen können wie bisher“. So müsse man sich „von der Hybris verabschieden, ganz genau zu wissen, was in jeder Lebenssituation gut für den einzelnen Menschen ist“.

Missbrauch früher falsch eingeschätzt

Über seinen Vorgänger, den 2018 verstorbenen Kardinal Karl Lehmann, sagte Kohlgraf, dieser habe „Ausmaß und Tragweite“ von Missbrauchsfällen in den USA im Jahr 2002 „nicht realistisch eingeschätzt“. Lehmanns damalige Aussage, die deutsche Kirche müsse sich den Schuh der Amerikaner nicht anziehen, sei „so unklug wie falsch“ gewesen.

Kohlgraf betonte auch, er sei sicher, dass Lehmann heute manches anders einschätzen würde. Denn: „Wie verbreitet der Missbrauch war, wie sehr er von systemischen Strukturen begünstigt wurde, war ihm nicht bekannt.“

religion.ORF.at/KAP/KNA

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