Verhältnis von Pius XI. und Österreich

Wenn heute des 80. Todestages Papst Pius’ XI. (1922-1939) am 10. Februar 1939 gedacht wird, so rückt damit zugleich auch Österreich ins Blickfeld: Die damalige Erste Republik stellte in mehrfacher Hinsicht eine Ausnahme und zugleich ein Testgebiet für einen Papst dar.

Papst Pius XI verstand sich bewusst als Gestalter und politischer Player. Das unterstreicht der Wiener Kirchenhistoriker und Pius-Experte Prof. Rupert Klieber in einem „Kathpress“ vorliegenden Dossier über den nicht unumstrittenen Papst, dessen Pontifikat im Schatten der großen Diktaturen des vergangenen Jahrhunderts lag.

Papst Pius XI., Segnung auf dem Petersplatz

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Segnung von Papst Pius XI. auf dem Petersplatz

Zentrale Weichenstellung wirken seit über 80 Jahren

Seit die vatikanischen Archive zu Pius XI. 2006 geöffnet wurden, forscht Klieber mit einem ganzen Wissenschaftler-Netzwerk an den Quellen. Dabei zeigt sich: So sehr sich die kirchliche und weltpolitische Situation seither verändert hat, so sehr wirken doch zentrale Weichenstellungen und Impulse von Pius bis heute nach.

Denn ganz seinem Pontifikats-Motto „Pax Christi in regno Christi“ (Ein Friede Christi durch die Herrschaft Christi) entsprechend habe Pius auf historische Umbrüche „nicht defensiv reagiert, sondern den Willen gezeigt, in die Entwicklungen gestalterisch einzugreifen“ - etwa in Form von Konkordaten, den Lateran-Verträgen mit Italien oder auch in Form seiner zahlreichen Enzykliken.

In Zeiten der Ungewissheit und des Umbruchs versuchte Pius laut Klieber die durch den Fall der Monarchien entstandenen „emotionalen Lücken“ - also etwa die Sehnsucht der Bevölkerung nach Gewissheit - selbst aktiv zu besetzen.

Wichtige Bedeutung in der Personalpolitik

Für Österreich gewinnt die Auswertung der neuen Quellen unter anderem im Blick auf die Personalpolitik - hinsichtlich der Ernennung von Bischöfen und Äbten - eine wichtige Bedeutung: Das Instrument, welches Pius XI. dazu aktiv nutzte, war der kurz zuvor im Jahr 1917 eingeführte „Codex Iuris Canonici“, also der Kirchenrechtskodex, der ein „ganz auf Rom zentriertes“ Agieren des Papstes ermöglichte: „Bischöfe wurden jetzt fast ausnahmslos in Rom ‚gemacht‘“, so Klieber.

„Auch Orden und Klöster wurden Objekte des gesteigerten kurialen Gestaltungswillens“; Apostolische Visitatoren sorgten für die notwendige Umsetzung päpstlicher Vorgabe - etwa auch in Wien in Form der Absetzung von Äbten im Wiener Schottenstift oder in der Salzburger Erzabtei St. Peter. Auch das einmalige kirchliche Recht des Salzburger Erzbischofs, ohne Abstimmung mit Rom die Bischöfe für die Diözesen Seckau, Gurk und Lavant/Marburg bestimmen zu können, wurde unter Pius außer Kraft gesetzt.

Pius XI. vor Radiostation

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Pius XI. an einer Radiostation

Innitzer war nur „zweite Wahl“

Details böten die neuen Quellen auch im Blick auf die Bestellung Theodor Innitzers (1932-1955) zum Erzbischof von Wien: Innitzer sei demnach nur „zweite Wahl“ gewesen und verdankte seine Berufung dem Umstand, dass sich der Linzer Pastoraltheologe und Regens Wenzel Grosam „trotz massiven päpstlichen Drängens“ weigerte, das Amt zu übernehmen.

Im Falle der Bestellung des Seckauer Bischofs Ferdinand Pawlikowski (1927-1954) indes sowie im Fall der Bestellung von Sigismund Waitz (1935-1941) zum Erzbischof von Salzburg würden die Quellen aufzeigen, „wie sehr Politiker der Zeit es verstanden haben, die rein innerkirchlichen Entscheidungsmechanismen zugunsten von Kandidaten ihrer Präferenz zu beeinflussen“, stellte der Kirchenhistoriker fest.

Neue Erkenntnisse bieten die Quellen laut Klieber auch im Blick auf das Konkordat von 1933 zwischen dem NS-Regime und dem Heiligen Stuhl. Dies sei „sichtlich vom Bemühen getragen, das kirchliche Leben auch unter den neuen Verhältnissen absichern zu können“ - Hoffnungen, die gewiss in weiterer Folge enttäuscht wurden und die Pius XI. zu einer deutlichen Verurteilung des Nationalsozialismus in seiner nach Deutschland geschmuggelten Enzyklika „Mit brennender Sorge“ im Jahr 1937 veranlassten.

Neue, vom deutschen Kirchenhistoriker Hubert Wolf ausgewertete Quellen würden darüber hinaus aufzeigen, dass Pius XI. an einer Verurteilung auch vom „Rassismus“, „Naturalismus“, „Totalitarismus“ und „Kommunismus“ arbeitete. Ein aufgetauchter Entwurf des Papstes benannte demnach „fundamentale Widersprüche der Rassenlehre mit dem christlichen Weltbild“ und enthielt 26 verurteilende Thesen, die sich zum großen Teil direkt auf Aussagen Hitlers bezogen. Warum dies nie publiziert wurde, bleibe bislang unbekannt, so Klieber.

Papst Pius XI.

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Das Forschungsprojekt „Pius XI. und Österreich“ wurde vor zehn Jahren - im Jänner 2009 - gestartet

Eindeutig Partei für Dollfuß-Regime

Der Heilige Stuhl habe dann beim Staatsumbau in Österreich eindeutig Partei für das Regime Dollfuß ergriffen, wie Klieber weiter ausführte, und sich dabei auch mit dem faschistischen Italien abgestimmt - Folge einer groben Fehleinschätzung. Nuntius Enrico Sibilia (1922-1935) habe den Heilige Stuhl und somit Pius XI. über die Vorgänge in Österreich sehr einseitig informiert.

Dazu kam im Sommer 1929 eine „Fact-Finding-Mission“, die ein Gutachten über die Situation in Österreich erstellte. Beauftragt wurde mit dieser Mission der damalige Vertreter des Heiligen Stuhls in Litauen, Luigi Faidutti, der mit zahlreichen Verantwortlichen in Österreich Unterredungen hielt - „vom Bundespräsidenten abwärts“.

Einig zeigten sich alle Stimmen darin, dass die Sozialdemokratie in Österreich einen - auch für die Kirche - immensen Schaden bewirken würde. In den Bereichen Ehe, Schule und Jugendarbeit wertete man das sozialdemokratische Engagement als Angriff auf kirchliche Überzeugungen und als ernsthafte Gefahr.

„Es gibt eine Härte, die zur Barmherzigkeit wird“

So kommentierte laut neuesten Quellen Papst Pius XI. nur wenige Tage nach der blutigen Niederschlagung der Februar-Aufstände das militärische Vorgehen als „heilsame Härte“. „Es gibt eine Härte, die zur Barmherzigkeit wird“, heißt es dazu in einer Gesprächsnotiz.

Das Forschungsprojekt „Pius XI. und Österreich“ wurde vor zehn Jahren - im Jänner 2009 - gestartet. Durch Workshops, Forschungsseminare und die Vermittlung von Rom-Stipendien der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) konnten in dieser Zeit bereits zahlreiche beachtliche neue Forschungsergebnisse zusammengetragen werden.

Das Forschungsprojekt, das u.a. mit dem vom Münsteraner Kirchenhistoriker Hubert Wolf koordinierten internationalen „Forschungsnetzwerk Pius XI.“ kooperiert, basiert auf der Öffnung der vatikanischen Archive zum Pontifikat Pius’ XI. 2006.

religion.ORF.at/KAP

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