Initiative: Missbrauch nicht Sünde, sondern Verbrechen

Missbrauch sei keine „Sünde“, sondern ein „Verbrechen gegen die physische Integrität“ der Person, stellte eine Initiative zur Gleichstellung von Frauen in der Kirche klar.

Die Initiative „Voices of Faith“ (Stimmen des Glaubens), die sich seit sechs Jahren für die Gleichstellung von Frauen in der katholischen Kirche einsetzt, stellte im Vorfeld des Antimissbrauchsgipfels im Vatikan klare Forderungen. Bei einer Pressekonferenz in Rom forderten fünf Aktivistinnen der Initiative, darunter die deutsche Ex-Ordensfrau Doris Wagner, entschlosseneres Vorgehen des Vatikans gegen „strukturelle Probleme“, die sexuellen Missbrauch in der Kirche in all seinen Formen erlaubten.

Bewusstsein steigt

Im Gespräch mit der APA betonte Wagner, sie habe keine großen Erwartungen, dass es bei dem am Donnerstag beginnenden Treffen im Vatikan zu Fortschritten in Sachen Missbrauchsbekämpfung komme. „Das, was den Unterschied machen kann, ist die Rolle der Opfer, die jetzt selbstbewusster auftreten“, meinte sie.

Doris Wagner und eine andere Aktivistin von "Voices of Faith"

APA/AP/Alessandra Tarantino

Doris Wagner (re.) und die Aktivistin Regina Franken-Wendelstorf (li.)

„Bei diesem Gipfeltreffen ist es nicht mehr so wichtig, was die Bischöfe sagen und tun, sondern wie die Opfer auftreten, wie sie sich vernetzen. Sie sind die wahren Protagonisten dieses Gipfeltreffens, nicht die Bischöfe. Wichtig ist auch das große mediale Interesse, denn das steigert das Bewusstsein der Öffentlichkeit bezüglich der Missbrauchsproblematik“, sagte die frühere Ordensfrau der Gemeinschaft „Das Werk“.

Wagner: Schönborn „mutig“

Doris Wagner sprach auch von ihrem im Bayerischen Rundfunk geführten und auch im ORF gesendeten Gespräch mit dem Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn. „Es war extrem mutig, dass Schönborn sich zu diesem Gespräch entschlossen hat. Es war ein sehr ehrliches Gespräch. Die Tatsache, dass sich selbst Kardinal Schönborn innerhalb des Systems Kirche machtlos fühlt, ist beeindruckend. Es war eine große Sache, dass er das zugegeben hat“, sagte die in Deutschland lebende Theologin.

Weibliche Perspektive nötig

Die weltweite Krise, die die Kirche wegen des Missbrauchskandals erlebe, beweise, dass sie eine weibliche Perspektive benötige, die ihr wegen des Ausschlusses von Frauen von Führungspositionen fehle, betonte die Generaldirektorin von „Voices of Faith“, Zuzanna Flisowska. Der Ruf der Kirche sei wichtiger als der Schaden, den die Ordensschwestern wegen des Missbrauchs erleiden, beklagten die Aktivistinnen. Dies müsse sich unbedingt ändern.

Dies bestätigte auch Wagner. Als sie Missbrauch in ihrem Orden erlitten hatte, dachte sie, sie sei die einzige Ordensschwester, die mit diesem Problem konfrontiert sei. Dank ihrer Klage seien jedoch unzählige Fälle von Missbrauch unter Ordensschwestern ans Licht gekommen. In ihrem Buch „Nicht mehr ich. Die wahre Geschichte einer jungen Ordensfrau“ hatte Wagner 2014 über Missbrauchserfahrungen in der Gemeinschaft „Das Werk“, die ihre Zentren in Rom, Belgien und Vorarlberg hat, berichtet.

religion.ORF.at/APA

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