Musliminnen fordern ihre Frauenrechte ein

In einer Deklaration fordern mehr als 3.500 Musliminnen in Österreich ihre Frauenrechte ein. Es sind junge und ältere, Frauen mit und ohne Kopftuch, die sich mit einem Forderungskatalog an die Politik wenden. In die Pflicht genommen werden auch muslimische Männer.

Nicht aus Zufall präsentieren am Dienstagabend nur wenige Tage nach dem Internationalen Frauentag am 8. März muslimische Frauen ihre Deklaration mit dem Titel Musliminnen am Wort. Im Kampf um Frauenrechte war und ist Selbstbestimmung ein zentraler Begriff und die Unterzeichnerinnen der Deklaration wollen eben diese von der Politik einfordern.

Frauen müssen sich nicht rechtfertigen

Die Frauen wenden sich gegen Kopftuchverbote jeglicher Art. „Keine Verbotspolitik auf unseren Köpfen“, fordern sie etwa. Die immer wieder diskutierten Kopftuchverbote stünden im Widerspruch zum Prinzip der Mündigkeit und der Emanzipation von Frauen. „Es ist auffällig, dass die Forderung eines Kopftuchverbotes in der Politik am lautesten von Männern erhoben wird. Die angebliche ‚Befreiung‘ der Frauen mündet im Falle von Kleidervorschriften wieder in der Bevormundung“, kritisieren die Frauen.

Musliminnen müssten sich weder rechtfertigen, wenn sie ein Kopftuch tragen, noch, wenn sie keines tragen, wird in der Deklaration festgestellt. Die muslimischen Frauen wenden sich dagegen, stets als Opfer dargestellt zu werden: Vor selbsternannten „Befreiern“ und „Beschützern“ verwahre man sich.

Carla Amina Baghajati

Kathbild/Franz Josef Rupprecht

Carla Amina Baghajati

Musliminnen nicht überhören

Anlass für die Deklaration war die Kopftuchdebatte im vergangenen Frühjahr. Als von der Politik ein Kopftuchverbot - nämlich für Kindergartenkinder - diskutiert (mittlerweile eingeführt) wurde, löste das in der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) Unruhe aus.

Die Projektleiterinnen der Initiative Carla Amina Baghajati und Zeynep Elibol entschlossen sich dauraufhin, dem Diskurs, in dem Frauen meist „als Opfer hingestellt und bemitleidet werden“, wie es in der Deklaration heißt, etwas entgegenzusetzen. Die Devise: „Nicht nur passiv sein und sagen, es hat eh keinen Sinn“, sagte Baghajati im Gespräch mit religion.ORF.at. Mit der Deklaration wollen die Musliminnen ihre Sicht der Dinge einbringen. Die tausenden Frauen könne die Politik und die Gesellschaft nicht überhören, so die Hoffnung.

„Mit uns reden statt über uns“

Deutlich spricht aus der Deklaration auch der Wunsch von politischen AkteurInnen und Akteuren, als Gesprächspartnerinnen ernstgenommen zu werden. „Mit uns reden statt über uns“, fordern die Frauen von der Politik. So wünschen sie sich zum Beispiel Kooperation mit muslimischen Eltern, wenn es um Kindergarten- und Schulfragen geht.

„Die Deklaration ist zivilgesellschaftlich getragen“, sagte Baghajati zu religion.ORF.at. Viele der Unterzeichnerinnen seien nur aus kleinen Vereinen oder gar nicht in Moscheevereinen aktiv. Der Text der Deklaration sei basisdemokratisch in vielen gemeinsamen Sitzungen mit Frauen entstanden. „Es gab viele Entwürfe, viele wurden zerflückt“, sagte Baghajati. Der Prozess sei „aufwendig“, ein breiter Konsens aber sehr wichtig gewesen.

Schutz vor Diskriminierung

Es sind viele Forderungen, mit denen die Frauen nun an die Öffentlichkeit treten. Ein Anliegen ist ihnen jedenfalls, nicht nur als Kopfttuchträgerinnen oder Musliminnen wahrgenommen, sondern auch in ihrer Rolle innerhalb der Gesellschaft anerkannt zu werden. Ob Mütter, Arbeitnehmerinnen, Schülerinnen oder Studentinnen - sie wollen sich selbst definieren.

Von der Politik erwarten sich die Unterzeichnerinnen, dass sie „Feindbilddenken und Polarisierung“ entgegenwirken und gewährleisten, dass Musliminnen vor „jeglicher Diskriminierung“ geschützt werden.

Kopftuchdebatte nichts für Männer

Forderungen werden aber auch an die muslimische Gemeinde gestellt. So verlangen die Frauen die Umsetzung der Beschlüsse der Imame-Konferenzen von 2003, 2006 und 2010. Konkret wollen die Unterzeichnerinnen mehr Teilhabe und Mitsprache von Frauen in den Organisationen und in der Führung von muslimischen Vereinen und Institutionen. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie solle gefördert werden, und Benachteiligung von Frauen und Gewalt gegen Frauen müsse aktiv entgegengetreten werden.

Männer, die sich für Frauenrechte einsetzen, sollen innerhalb der muslimischen Gemeinde, gestärkt werden. Ohne Umschweife machen die Frauen auch klar, dass das Thema Kopftuch nichts für Männer ist: „Keine Ablenkung von den aktuellen vielfältigen politischen Herausforderungen und dem entsprechenden Handlungsbedarf durch das Kopftuchthema“, heißt es etwa in der Deklaration. Und weiter: „Frauen allein kommunizieren über das Tragen des Kopftuchs.“

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at

Mehr dazu:

Link: