Erzdiözese Wien steigt bei Reformprozess auf Bremse

Der Reformprozess der Wiener Erzdiözese, der unter dem Titel „APG 2.1“ firmiert, wird verlangsamt. Der Bischofsrat der Erzdiözese veröffentlichte eine Stellungnahme, in der vor allem der Zeitplan modifiziert wurde.

Die Grundüberzeugung bleibt demnach, „dass die Zukunft der Pfarren in einem größeren Miteinander liegt“, wie Kathpress am Mittwoch berichtete. Da es aber bei der Umsetzung dieser Vorgabe in der Erzdiözese zu unterschiedlichen Geschwindigkeiten kommt, würden nun diverse Anpassungen vorgenommen. Wörtlich heißt es in der Stellungnahme: „Wir sehen, dass gemeinsame Initiativen mehrerer Gemeinden wachsen und dass gleichzeitig viele Gemeinden Zeit brauchen, um das Miteinander in größeren Räumen einzuüben.“

Begonnen wurde die Wiener Diözesanreform 2008 mit einem Hirtenbrief von Kardinal Christoph Schönborn, dem seit 2009 fünf große Diözesanversammlungen folgten. Kernanliegen ist eine Stärkung der missionarischen Kraft der Kirche, die durch zeitgemäße Strukturen unterstützt werden soll. 2012 gab der Wiener Erzbischof Leitlinien für die strukturelle Erneuerung vor.

Größere Organisationseinheiten

Sie sehen wesentlich größere Organisationseinheiten vor: So wurden die ursprünglich rund 660 Pfarren auf dem Gebiet der Erzdiözese Wien 2015 in 140 „Entwicklungsräume“ eingeteilt. Innerhalb dieser Entwicklungsräume sollten und sollen verschiedene Formen pfarrlicher Kooperation bis hin zur Gründung neuer Pfarren („Pfarre neu“) beraten und umgesetzt werden. (Bei der Einteilung in Entwicklungsräume wurde auch bereits eine Vorentscheidung getroffen, welche Pfarren künftig zu einer größeren Einheit zusammengehen soll)

Innerhalb der größeren „Pfarre Neu“, wo mehrere Priester wirken, soll es Teilgemeinden geben, die von Laien ehrenamtlich geleitet werden können. Durch die in den „Pfarren neu“ geplanten Leitungsteams mit mehreren Priestern, hauptamtlichen und ehrenamtlich engagierten Laien, soll das Personal leichter entsprechend der vorhandenen Fähigkeiten eingesetzt werden können. Einige „Pfarren neu“ wurden auch bereits errichtet. Zuletzt wurde der Begriff „Pfarre neu“ durch die Bezeichnung „Pfarre mit Teilgemeinden“ ersetzt.

Vorgabe gemildert

Nach einer internen Standortbestimmung zum Jahreswechsel, in die mehrere Gremien der Erzdiözese involviert waren, wurden von Kardinal Schönborn nun einige Modifikationen vorgenommen. Die ursprüngliche Vorgabe war, dass bis 2022 80 Prozent der Pfarren der Erzdiözese Wien in „Pfarren neu“ bzw. nun „Pfarren mit Teilgemeinden“ aufgegangen bzw. weiterentwickelt hätten werden sollen. Diese Vorgabe wurde nun aber dahingehend gemildert, dass bis 2022 80 Prozent der Entwicklungsräume zumindest als Pfarrverband organisiert sein sollen.

„Pfarrverband“ bedeutet, dass die einzelnen Pfarren rechtlich bestehen bleiben und ihre eigenen Pfarrgemeinderäte und Vermögensverwaltungsräte behalten können. Das ist derzeit etwa auch dort von Vorteil, wo Ordenspfarren oder Patronate eine rechtliche Zusammenlegung kompliziert macht. Freilich: Alle Pfarren eines Pfarrverbandes werden von einem gemeinsamen Pfarrer geleitet; weitere Priester, Diakone und Pastoralassistentinnen und Pastoralassistenten sind für den ganzen Pfarrverband ernannt.

Die Zielvorgabe der „Pfarre mit Teilgemeinden“ gehe davon aus, heißt es in der Stellungnahme, „dass bisherige Pfarren als einzelne Gemeinden in einer größeren Pfarre bessere Unterstützung finden und stärker ihre Stärken entfalten können“. Die einzelnen Gemeinden seien freilich zugleich „ein unverzichtbarer Bestandteil, dass Kirche vor Ort lebendig bleibt“.

Hirtenbrief von Kardinal Schönborn

In der Stellungnahme des Bischofsrates wird zudem auch ein Hirtenbrief von Kardinal Schönborn zum Stand der Diözesanreform angekündigt. Weiters soll das Leitbild der Erzdiözese - „auf der Basis der Begriffe Mission, Jüngerschaft und Struktur“ - neu formuliert werden. Angekündigt wurde auch eine verstärkte Kommunikations- und Informationsinitiative, um den Reformprozess zu begleiten.

In der Stellungnahme des Bischofsrates wird auch explizit darauf hingewiesen, dass die größeren pastoralen Einheiten in einem neuen Maß die Zusammenarbeit von Priestern, Diakonen und Pastoralassistenten in Teams erfordern. Der Wiener Pastoralamtsleiter Markus Beranek räumt dazu in einem Interview in der Wiener Kirchenzeitung „Der Sonntag“ ein, dass dies für viele eine besonders große Herausforderung darstellt.

Besondere Herausforderung

Besonders die Pfarrer und hauptamtlichen Mitarbeiter in der Seelsorge würden starke Unterstützung brauchen. Beranek: „Es geht dabei auch darum, neue Rollenbilder zu lernen. Wie geht beispielsweise Pfarrer-Sein unter den gewandelten Situationen von Kirche in der heutigen Gesellschaft? Das funktioniert ganz anders in einer Pfarre mit mehreren Teilgemeinden oder in einem Pfarrverband als in einer kleinen Pfarre, wo es vielleicht tatsächlich möglich war, fast alle Menschen zu kennen.“

Als Pfarrer eines Pfarrverbandes oder einer „Pfarre mit Teilgemeinden“ müsse man die eigene Aufgabe ganz neu anlegen, so der Pastoralamtsleiter: „Das Anliegen, alle Menschen einer Pfarre zu kennen, ist eine Latte, die ich nicht erreichen kann. Die Herausforderung für das neue Rollenverständnis ist es, zu lernen, stärker mit Multiplikatorinnen und Multiplikatoren zu arbeiten.“

Multiplikatoren wichtig

Beranek berichtete von seinem eigenen diesbezüglichen Lernprozess: „Als ich Pfarrer war und meine Pfarre Stockerau Teil eines Pfarrverbands wurde, war es ein wichtiger Schritt, mir selbst klar zu machen und auch zu kommunizieren, dass ich weder bei allen Anlässen dabei sein kann, noch dass ich persönlich mit allen Menschen der Pfarren selber Kontakt haben kann.“ Die Gruppe, mit der er zuallererst zu tun hatte, war der Kreis der anderen Hauptamtlichen (Pfarrvikare, Kapläne, PastoralassistentInnen), der Pfarrgemeinde- und Vermögensverwaltungsräte, der engagierten Ehrenamtlichen.

Das gelte in ähnlicher Weise für die Arbeit aller Hauptamtlichen: „Dass sie klären, wer die Gruppe der Multiplikatorinnen und Multiplikatoren ist, für die sie jetzt vor allem zuständig sind, die sie begleiten und unterstützen und denen sie den Rücken stärken, damit sie in der Lage sind, in einem immer größeren Maß selber und eigenständig Verantwortung zu übernehmen. Das kann, wie ich aus eigener Erfahrung weiß, durchaus ein mühsamer Lernprozess sein.“

Pilotprojekt „Team³“

In der Erzdiözese wurde deshalb unter dem Begriff „Team³“ auch ein Pilotprojekt gestartet, wo es in besonderer Weise um die Entwicklung einer „Leadershipkultur“ geht, die maßgeblich darin besteht, dass Priester, Diakone und hauptamtliche Laien immer stärker ihre Rolle wahrnehmen können, Menschen zu selbstverantwortlichem Engagement in Kirche und Gesellschaft zu ermutigen und zu begleiten.

Dazu nötig sei etwa, dass Handlungsspielräume klar definiert sind, „damit Menschen wissen, welche Entscheidungen sie eigenverantwortlich treffen können. Egal ob es um die Firmvorbereitung, das Pfarrfest oder eine neue Form von Gebetsabend geht“, so Beranek. Wenn Handlungsspielräume klar sind, könne Selbstverantwortung wachsen „und etwa der Pfarrer oder auch der PGR muss sich nicht um jede Kleinigkeit wie den Preis der Würstel selber kümmern“. Für jene, die Leitungsaufgaben inne haben, bedeute das aber auch, „Vertrauen zu haben, Macht abzugeben und die eigene Aufgabe wirklich als Dienst zu betrachten“.

religion.ORF.at/KAP

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