Chile: Papst nimmt Rücktritt von Kardinal an

Papst Franziskus hat im Missbrauchsskandal der chilenischen Kirche den Rücktritt des Kardinals Ricardo Ezzati Andrello als Erzbischof von Santiago de Chile akzeptiert.

Dem 77-Jährigen wird Vertuschung von Missbrauch vorgeworfen. Die wichtige Erzdiözese in dem südamerikanischen Land solle nun vorübergehend der gebürtige Spanier Celestino Aós Braco leiten, teilte der Vatikan am Samstag mit.

Kardinal Ricardo Ezzati Andrello mit Papst Franziskus

AFP PHOTO / Alberto Pizzoli

Papst Franziskus hat im Missbrauchsskandal der chilenischen Kirche den Rücktritt des Kardinals Ricardo Ezzati Andrello als Erzbischof von Santiago de Chile akzeptiert

Ermittlungen gegen Kardinal gehen weiter

Am Freitag hatte ein Berufungsgericht in Chiles Hauptstadt der Staatsanwaltschaft die Erlaubnis gegeben, die Ermittlungen gegen Ezzati weiterzuführen, wie das Vatikan-Nachrichtenportal Vaticannews berichtete. Ezzati hatte zuvor einen Antrag auf Abweisung eingereicht. Der Kardinal weist die Anschuldigungen gegen ihn zurück.

Vor einem Jahr wurde der Papst selbst in den Missbrauchsskandal in dem Land verwickelt, als er einen Bischof - der einen Missbrauchstäter gedeckt haben soll - zunächst schützte.

Gehe „mit erhobenem Haupt“

Der von der Leitung der Erzdiözese Santiago in Chile zurückgetretene Kardinal Ricardo Ezzati sieht mit Blick auf seinen Umgang mit Missbrauchsfällen keinen Grund zur Reue. Er gehe „mit erhobenem Haupt“, sagte der 77-Jährige am Samstag vor Journalisten in Santiago. Alle Anzeigen, die bei der von ihm eingerichteten diözesanen Meldestelle eingegangen seien, seien untersucht worden oder würden noch untersucht.

Zum Vorwurf, er habe übergriffige Priester gedeckt und die Aufklärung behindert, sagte der Kardinal, es reiche nicht, jemanden der Vertuschung zu bezichtigen; „man muss es auch beweisen“. Ezzati sagte: „Ich stehe mit hoch erhobenem Haupt da, sicher, dass meine Unschuld bewiesen werden wird.“

Kardinal schweigt „bis zum geeigneten Zeitpunkt“

Ezzati äußerte sich auch zu einem gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahren. Er habe von der Staatsanwaltschaft Unterlagen zu den betreffenden Fällen verlangt; diese lägen noch nicht vollständig vor. Vorerst mache er von der Möglichkeit zu schweigen Gebrauch, die das chilenische Recht ihm biete. „Im geeigneten Moment werde ich sprechen“, so Ezzati.

Zur Missbrauchskrise unter seiner neunjährigen Diözesanleitung sagte Ezzati, sie sei „zweifellos der größte Schmerz während dieser Zeit“ gewesen. Jedoch sei „jede Anzeige angegangen“ worden; jetzt müsse man das Urteil der Justiz abwarten.

Ezzati betonte, seine Entpflichtung als Erzbischof folge dem Kirchenrecht, nach dem jeder Bischof mit Vollendung des 75. Lebensjahres gehalten sei, dem Papst den Rücktritt anzubieten. Er habe mit Franziskus mehrfach gesprochen. Ezzati sagte, er sei dem Papst „sehr dankbar“ für die Ernennung eines Übergangsleiters.

Interimistische Leitung verlautbart

Der Vatikan hatte am Samstag mitgeteilt, dass der 74 Jahre alte Bischof und Kapuzinerpater Celestino Aos die chilenische Hauptstadt-Erzdiözese übergangsweise im Auftrag des Papstes leiten soll. Aos selbst sprach in einer Erklärung von einer „Überraschung“. Derzeit stehen 9 von 27 kirchlichen Verwaltungseinheiten in Chile solche sogenannten Apostolischen Administratoren vor. Acht von ihnen wurden vom Papst seit dem Aufbrechen des Missbrauchsskandals im Frühjahr 2018 eingesetzt.

Prominente Missbrauchsopfer in Chile bekundeten indes nach dem Rücktritt von Ezzatis als Erzbischof von Santiago ihre Hoffnung auf einen neuen Kurs in der katholischen Kirche. Der Kardinal stehe für alles, was sie über Jahre bekämpft hätten, „besonders die Kultur des Missbrauchs und der Vertuschung“, erklärten Juan Carlos Cruz, James Hamilton und Jose Andres Murillo per Twitter. Diese Kultur habe „unzählige Leben beschädigt und zerstört“.

Gespräche mit Opfern im Jahr 2018

Die drei Männer, die als Jugendliche von einem Priester in Chile sexuell missbraucht worden waren, hatten jahrelang vergeblich eine innerkirchliche Aufklärung gefordert. Nachdem im Jänner 2018 der Skandal aufgebrochen war, bat Papst Franziskus sie eine Woche lang zu Gesprächen in den Vatikan und leitete drastische Änderungen ein.

Die drei schrieben, der am Samstag ernannte Übergangsleiter der Erzdiözese Santiago, Celestino Aos, solle „den Mut und die Stärke haben, eine Kultur zu schaffen, die die Opfer in den Mittelpunkt stellt, die schutzbedürftigen Menschen“.

Die chilenische Gesellschaft verdiene Religionsvertreter, die den Menschenrechten verpflichtet seien. Dies gelte besonders für die Rechte „von Jungen, Mädchen, Heranwachsenden und allen, die Gott in dem Vertrauen suchen, dass sie in Kirchen und religiösen Gemeinschaften sicher sind“.

Schwierige Aufgabe für interimistischen Leiter

Ezzati werde sich nun vor der Justiz für jeden ihn betreffenden Fall verantworten müssen und „hoffentlich im Gefängnis dafür büßen“, sagte Cruz auch in einem Interview mit der deutschen Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) am Wochenende. Der von Papst eingesetzte Apostolische Administrator Bischof Aos, stehe vor einer „sehr schwierigen Aufgabe“.

Er müsse die Kirche erneuern, für Einheit im Klerus sorgen und sicherstellen, dass die Geistlichen sich „um Missbrauchsopfer, Arme, all jene kümmern, die von Ezzati und seinen Kameraden marginalisiert wurden“. Cruz betonte, er betrachte die Entwicklung optimistisch. „Ich unterstütze, was der Papst unternehmen will, und bete für den neuen Administrator“, sagte Cruz.

religion.ORF.at/dpa/KAP

Mehr dazu: