Papst-Messe in Marokko: Dialog überwindet Spaltung

Papst Franziskus hat bei der katholischen Minderheit Marokkos für eine Kultur der Brüderlichkeit und des Mitgefühls geworben. Die christlichen Gemeinden in dem islamisch geprägten Land sollten „Oasen der Barmherzigkeit“ sein, sagte er in einer Messe am Sonntag .

Gott nannte er mit ausdrücklichem Verweis auf die islamische Gebetstradition „den Erbarmer, den Barmherzigen“. An dem Gottesdienst in einem Stadion nahmen mehrere Tausend Gläubige teil.

Nach Vatikanangaben gehören 23.000 der 35 Millionen Einwohner Marokkos der katholischen Kirche an. 99 Prozent der Bevölkerung sind Muslime. Es war die erste Papstmesse in Marokko seit 34 Jahren. Mit der Feier endete der zweitägige Besuch der Kirchenoberhaupts in dem Maghreb-Staat.

„Brüder und Schwestern“ im Anderen sehen

Franziskus rief dazu auf, in anderen Menschen „Brüder und Schwestern“ zu erkennen. Innerhalb der Völker und Gemeinschaften werde die Spannung sichtbar: „Wer hat das Recht, bei uns zu bleiben?“ Damit scheine auch die Frage des biblischen Brudermörders Kain laut zu werden: „Bin ich der Hüter meines Bruders?“

Die katholischen Gläubigen bestärkte er, mit Muslimen auf dem Weg des Dialogs zu bleiben und zusammenzuarbeiten. So werde „jene universale Brüderlichkeit sichtbar, die in Gott ihre Quelle hat“. Die Christen in Marokko sollten „Diener der Hoffnung sein, die die Welt so sehr braucht“.

„Kurzsichtige, spalterische Denkweise überwinden“

Der Papst ermutigte zu einem „Ringen um Brüderlichkeit“ trotz Angriffen und Konflikten. Es gelte, eine „kurzsichtige, spalterische Denkweise zu überwinden“ und Verschiedenheiten weder in einer erzwungenen Einheit noch einer stillschweigenden Marginalisierung zu verstecken, so Franziskus. „Der Christ weiß, dass es im Haus des Vaters viele Wohnungen gibt. Es bleiben nur die draußen, die nicht an seiner Freude teilhaben wollen“, sagte der Papst.

Zugleich warnte Franziskus vor Hass und Vergeltung als Mittel, um Gerechtigkeit schnell und wirksam durchzusetzen. „Die Erfahrung zeigt uns jedoch, dass der Hass, die Spaltung und die Vergeltung nur die Seele unserer Völker töten, die Hoffnung unserer Söhne und Töchter vergiften sowie all das zerstören und wegreißen, was wir lieben.“

Seine Predigt hielt der Papst in seiner spanischen Muttersprache. Spanisch ist zugleich Amtssprache in der von Marokko annektierten Westsahara. Das Vaterunser sangen die Gläubigen auf Arabisch.

Treffen mit 95-jährigem Trappisten-Bruder

Der emotionaleste Moment der Begegnung mit der Ortskirche Marokkos war, als der Papst dem letzten Überlebenden der Trappistengemeinschaft von Tibhirine, Bruder Jean-Pierre Schumacher, die Hand schüttelte.

Sieben Mitbrüder des heute 95-Jährigen, der in einem kleinen Trappistenkloster in Nordmarokko lebt, waren im März 1996 von Islamisten aus ihrem Kloster in Tibhirine/Algerien entführt und kurz darauf getötet worden. Im Dezember 2018 wurden sie feierlich zu Seligen erklärt. Schumacher überlebte den Angriff der Islamisten, weil er sich zu diesem Zeitpunkt im Gästetrakt des Klosters aufhielt.

Papst besucht kirchliches Sozialzentrum in Marokko

Papst Franziskus hat am Sonntagmorgen ein katholisches Sozialzentrum südlich der Hauptstadt Rabat besucht. Rund 50 Mitarbeiter und Besucher des Zentrums erwarteten den Papst, der viele persönlich begrüßte.

Die Einrichtung in Temara wird von vier Vinzentinierinnen-Ordensfrauen sowie von freiwilligen Helfern betrieben. Sie bieten Bedürftigen gesundheitliche und psychologische Hilfe, Bildungsmöglichkeiten wie etwa Alphabetisierungskurse für Kinder wie Erwachsene und eine Mensa.

Zentrum für medizinische Versorgung

Das Zentrum führt zudem einen Kindergarten, ist auf die Versorgung von Brandwunden spezialisiert und richtet seine Angebote auch an Menschen mit Behinderungen.

Bei den Personen, die die Leistungen des Zentrums in Anspruch nehmen, handelt es sich fast ausschließlich um arme muslimische Familien. Das Bildungsangebot für Kinder umfasst auch muslimischen Religionsunterricht. Christen bilden in Marokko eine kleine Minderheit.

Begrüßung von kranken Kindern

Bei seiner Ankunft in Temara erhielt der Papst von Kindern Blumen. Er nahm sich Zeit, um eine Reihe von kleinen Kranken zu begrüßen, begleitet von Gesängen eines Schülerchores und Vatikan- und Marokko-Fähnchen, welche die Kinder schwenkten.

Auch mit den Eltern der Kinder unterhielt sich der Papst einen Moment; die meisten Mütter trugen Kopftücher, während viele der Kinder traditionelle Kleidung trugen.

Es war nicht die einzige Gelegenheit dieser Reise, bei der Franziskus keine Ansprache hielt. Bereits am Samstag, dem ersten Tag seiner Visite, hatte der Papst in Rabat ein islamisches Predigerseminar besucht; doch weder König Mohammed VI., der ihn begleitete, noch Franziskus selbst hielt dabei eine Rede.

Dem Vernehmen nach hatte der König darum gebeten, um nicht zu viel mediale Aufmerksamkeit von der ersten großen Ansprache des Papstes nach seiner Ankunft in Marokko abzulenken.

religion.ORF.at/KAP/APA

Mehr dazu: