Schweizer an Papst: „Kirche steht in Flammen“

In einem offenen Brief an Papst Franziskus, der am Donnerstag in mehreren in Zürich erscheinenden Schweizer Tageszeitungen als Inserat veröffentlicht worden ist, fordern Schweizer Katholiken und Katholikinnen entschiedene Maßnahmen gegen Missbrauch.

„Die katholische Kirche steht in Flammen. Das Entsetzliche daran ist: Hirten, die zum Dienst am Evangelium bestellt wurden, haben diesen Flächenbrand gelegt“: Mit diesen Sätzen beginnt der Brief an den Papst.

Der in der Diözese Chur für die Kantone Zürich und Glarus zuständige Generalvikar Josef Annen und die Präsidentin des Synodalrats der katholischen Kirche im Kanton Zürich, Franziska Driessen-Reding, fordern darin Maßnahmen zur Bekämpfung und Vorbeugung von Missbrauch in der Kirche.

Ausmaß „sprengt jede Vorstellung“

Das Ausmaß der Berichte von sexuellem Missbrauch u. a. an Minderjährigen und Ordensfrauen „sprengt jede Vorstellung“, schreiben Synodalratspräsidentin und Generalvikar. Viele Menschen seien „befremdet, empört, verbittert“ und kehrten der Kirche den Rücken. Die aktuelle „dramatische“ Lage vergleichen die beiden mit dem Vorabend der Reformation vor 500 Jahren. Damals habe die Kirchenleitung versagt und sei weder fähig noch willens gewesen, Reformen einzuleiten. Auch heute seien „tiefgreifende Reformen notwendig und unaufschiebbar“.

„In Kirchenstrukturen begründet“

Wichtig für eine Bewältigung der Krise sei die Einsicht, dass der sexuelle Missbrauch sich nicht auf die Vergehen fehlgeleiteter Einzelpersonen reduzieren lasse. „Er ist vielmehr in den Strukturen der katholischen Kirche begründet“, heißt es. So benennen Annen und Driessen-Reding eine „verdrängte und unreife Sexualität“ als „Boden, auf dem der Missbrauch gedeiht“. Für die Kirche nötig sei eine „lebensnahe kirchliche Sexualmoral“, die sich an „Liebesbotschaft des Evangeliums“ ebenso orientiere wie an den heutigen Humanwissenschaften.

Nötig seien auch unabhängige Gerichte, vor denen Grundrechte eingeklagt werden könnten, mehr Leitungsverantwortung für Frauen sowie „synodale Prozesse“ als gemeinsame Entscheidungsfindung von Klerikern und Laien, „in denen die Zugangsbedingungen zu den kirchlichen Ämtern - namentlich genannt werden der Pflichtzölibat und der Ausschluss von Frauen - regional geregelt werden können“.

„Wir haben es satt“

Wie das Schweizer katholische Nachrichtenportal kath.ch am Donnerstag berichtete, häuften sich in den vergangenen Wochen Forderungen aus verschiedenen kirchlichen Ebenen und diversen Schweizer Kirchengremien nach Reformen vor allem in den Bereichen kirchliche Sexualmoral und Verteilung von Macht in der Kirche.

„Wir haben es satt“, übertitelten etwa in der vergangenen Woche fünf Theologinnen und zwei Theologen ein öffentliches Schreiben, in dem sie ihre Erwartung nach einer „grundlegenden Umgestaltung unserer Kirche, die sich an Jesu Botschaft und Praxis prophetischer Reich-Gottes-Gerechtigkeit orientiert“ artikulierten. Eine ihrer 20 Forderungen lautet, dass die Schweizer Bischöfe innerhalb von zwei Jahren „auch mit anderen Bischöfen in einen Reformprozess steigen und ermutigende erste Zeichen setzen“.

Neben Theologen, Ordensleuten und Pfarrvertretern rief auch der Präsident der Römisch-katholischen Zentralkonferenz (RKZ), Luc Humbel, zu einer Diskussion und die Schweizer Bischöfe zu einem „synodalen Weg der Erneuerung“ auf. Mit Blick auf die deutschen Bischöfe, die einen ebensolchen Weg bei ihrer jüngsten Vollversammlung beschlossen haben, wolle er eine Diskussion über Klerikalismus, Sexualmoral und Pflichtzölibat anregen, so Humbel bei der RKZ-Plenarversammlung. Für eine solche Debatte steht laut kath.ch bereits ein Datum: Das Thema soll an der Sitzung von Schweizer Bischofskonferenz und RKZ am 31. Mai eingebracht werden.

religion.ORF.at/KAP

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