Päpstlicher Chile-Ermittler will nicht kooperieren

Der päpstliche Sonderermittler in der chilenischen Missbrauchskrise, Erzbischof Charles Scicluna, will Gespräche und Zeugenaussagen, die er während seiner Besuche in Chile zusammengetragen hat, nicht der Staatsanwaltschaft übergeben.

Die Zeugenaussagen seien unter der Vorgabe gemacht worden, dass sie direkt an Papst Franziskus weitergeleitet würden, sagte Scicluna in einem Interview mit der Zeitung „Encuentro“ der Erzdiözese von Santiago. „Das war der Wunsch und die Absicht der Personen mit denen wir uns in Chile getroffen haben“, wurde Scicluna am Donnerstag (Ortszeit) in chilenischen Medien zitiert.

Vatikan sandte „Teilantwort“

Die chilenische Staatsanwaltschaft hatte zuletzt die mangelnde Kooperationsbereitschaft der Kirche des Landes kritisiert. Scicluna sagte, er habe wie in anderen Fällen der Staatsanwaltschaft erklärt, dass entsprechende Ersuchen auf den dafür vorgesehenen Kanälen eingehen müssten. Vor zwei Wochen hatten die Justizbehörden in Santiago mitgeteilt, dass der Vatikan in einer „Teilantwort“ auf ein Rechtshilfeersuchen aus dem vergangenen Sommer mehrere Akten zu in Chile laufenden Missbrauchsverfahren an die Staatsanwaltschaft überstellt habe.

Der ehemalige Missbrauchsbeauftragte des Vatikans, Charles Scicluna

REUTERS/Darrin Zammit Lupi

Missbrauchssonderermittler Charles Scicluna

Erzbischof Scicluna war im Februar 2018 gemeinsam mit dem spanischen Geistlichen Jordi Bertomeu nach Chile gereist, um dort die Missbrauchs- und Vertuschungsvorwürfe gegen Vertreter der katholischen Kirche aufzuklären. Dabei sammelte Scicluna 64 Zeugenaussagen für einen Abschlussbericht, der mehr als 2.300 Seiten umfasst.

Opfer hat Verständnis

Juan Carlos Cruz, der als Jugendlicher von einem Priester in Chile sexuell missbraucht wurde und den aktuellen Skandal maßgeblich ins Rollen brachte, hatte erst jüngst Verständnis für die Nicht-Übersendung vatikanischer Akten an die chilenische Staatsanwaltschaft geäußert.

Manche Personen hätten sich den päpstlichen Sondergesandten anvertraut und wollten nicht, dass ihre Fälle vor der ordentlichen Justiz ausgebreitet würden, sagte Cruz im März der chilenischen Zeitschrift „La Segunda“. Dies sei „schrecklich, aber zu respektieren“.

Santiagos Bischof derzeit im Vatikan

Die chilenische Hauptstadt-Erzdiözese Santiago wird seit zwei Wochen von einem Übergangsleiter geführt. Am 23. März setzte der Papst den 73 Jahre alten Kapuziner-Bischof Celestino Aos als Apostolischer Administrator an die Stelle des emeritierten Erzbischofs Kardinal Ricardo Ezzati (77) - mehr dazu in Papst nimmt Rücktritt von Kardinal an.

Aos hält sich derzeit zu Beratungsgesprächen im Vatikan auf, auch ein Treffen mit dem Papst ist geplant. Er wolle in Zusammenarbeit mit den zuständigen Behörden in Chile die Wahrheit ans Licht bringen und die Opfer entschädigen, versicherte der Bischof bei einem Pressetermin in Rom. Zudem müsse alles Notwendige getan werden, um Missbrauch in den Reihen der Kirche künftig zu verhindern.

Er wünschen dem neuen Administrator das Beste in dessen neuer Funktion, sagte Erzbischof Scicluna in dem Kirchenzeitungsinterview. Nach sehr schwierigen Monaten sehe er inzwischen positive Entwicklungen innerhalb der chilenischen Bischofskonferenz, die für ihn ein Zeichen für eine Öffnung seien, die den Opfern Gerechtigkeit widerfahren lassen könnten, so Scicluna.

religion.ORF.at/KAP/KNA