Ethikunterricht: Volksbegehren will „Ethik für alle“

Einen von Religion entkoppelten Ethikunterricht als Pflichtfach für alle Schülerinnen und Schüler von der ersten Schulstufe bis zur Matura fordert ein neues Volksbegehren.

Dieses kann seit Dienstag unterstützt werden. Außerdem müssten alle Ethiklehrerinnen und -lehrer über ein abgeschlossenes Ethik-Lehramtsstudium verfügen, dazu brauche es Unvereinbarkeitsregeln für Ethik- und Religionslehrkräfte.

"Ethik für ALLE"-Volksbegehren

APA/Georg Hochmuth

V.l.n.r.: Thomas Bulant (SLÖ), Lisz Hirn, Peter Kampits, Eytan Reif, Heinz Mayer und Anton Bucher am Freitag bei der Präsentation des „Ethik für alle“-Volksbegehrens in Wien

Initiiert wurde das Volksbegehren unter anderem von Eytan Reif von der Initiative Religion ist Privatsache, dem Philosophen Peter Kampits und der Philosophin Lisz Hirn, dem Religionspädagogen Anton Bucher, Verfassungsjurist Heinz Mayer, dem früheren Grünen-Bildungssprecher Harald Walser, dem Sozialdemokratischen LehrerInnenverein (SLÖ) und der SP-nahen Aktion kritischer SchülerInnen (AKS). Unterstützt wird die Initiative auch von Politikern der NEOS und der Liste JETZT sowie dem Wiener Bildungsstadtrat Jürgen Czernohorszky (SPÖ).

Ethik- statt Religionsunterricht geplant

Die Regierung plant derzeit die Einführung eines Ethikunterrichts ab 2020 an AHS-Oberstufen und Polytechnischen Schulen bzw. ab 2021 an Berufsschulen und BMHS - allerdings nur für jene Kinder, die keinen Religionsunterricht besuchen. Einen von Religion entkoppelten Ethikunterricht als Pflichtfach für alle Schüler von der ersten Schulstufe bis zur Matura fordert ein neues Volksbegehren.

„Diese von der Politik vorgegebene Koppelung von Ethik und Religion ist etwas vollkommen Künstliches“, so Reif, der gleichzeitig überzeugt ist, dass der Nationalrat die Regelung durchwinken wird: „Das ist so sicher wie das Amen im Gebet.“

„Schulische Wertevermittlung in einer offenen Gesellschaft kann aber nur im intakten Klassenverband und ohne Diskriminierung stattfinden“, betonte Reif. Die von der Regierung geplante Regelung mit Ethikunterricht nur für „Religionsverweigerer“ werde dagegen „bestehende Mängel einzementieren und konstruktive Änderungen auf lange Zeit verhindern.“

Experte ortet Konzeptionsfehler

Auch Bucher, der den derzeit an mehr als 200 AHS und BMHS laufenden Ethik-Schulversuch vor bereits rund 20 Jahren evaluiert hat, ortet einen Konzeptionsfehler. Mit der derzeitigen Regelung komme der Ethikunterricht „nicht vom Nimbus weg, eine Art ziviler Ersatzdienst für die Gottlosen zu sein“, wie es ein deutsches Magazin schon in den 1970ern konstatiert habe. Man könne zwar durchaus religiös oder nicht-religiös sein. „Wir können aber nicht nicht-ethisch sein.“

Mayer griff die Argumentation von Bildungsminister Heinz Faßmann (ÖVP) auf, der darauf hingewiesen hatte, dass auch im Religionsunterricht Werte vermittelt würden. „Das stimmt schon. Aber: Vermittelt der islamische Religionsunterricht wirklich jene Werte, die wir in unserer Gesellschaft haben wollen?“ Das gelte im Übrigen für jeden Religionsunterricht, da monotheistische Religionen zu autoritären Strukturen neigten.

Der Jurist sah in der von der Regierung geplanten Konstruktion auch verfassungsrechtliche Probleme: Es gebe keinen Zweifel, dass etwa Kinder aus dem Nahen Osten ganz besonders einer ethischen Schulung bedürften, um sich mit den Lebensgewohnheiten in Österreich vertraut zu machen. „Genau bei diesen Schülern biegt der Gesetzgeber aber ab. Die erfahren ihre ethische Schulung weiter im Religionsunterricht. Und ich bezweifle sehr, dass der islamische Religionsunterricht etwa das Diskriminierungsverbot oder die Stellung der Frau in der Gesellschaft in der Form hinüberbringt.“

„Sanktion“ für Abmeldung von Religion

Dieser Widerspruch werfe die Frage der sachlichen Rechtfertigung der Regelung auf. Außerdem sei der Ethikunterricht als eine Art Sanktion für die Abmeldung von Religion konstruiert - da in der Verfassung aber die Religionsfreiheit festgeschrieben sei, gebe es auch hier ein verfassungsrechtliches Problem.

Kampits hält es grundsätzlich nicht für schlecht, ethische Fragen im Religionsunterricht zu diskutieren. „Aber da ist immer eine gewisse Dogmatik im Hintergrund.“ Das betreffe etwa bioethische Fragen wie der Anfang oder das Ende des Lebens, Embryonen oder Genetic Engineering.

Der weitere Zeitplan für das Volksbegehren ist noch nicht fix - etwa wann die Eintragungswoche stattfinden soll. Man wolle nun einmal „bis zum Ende des Jahres sehen, wohin die Reise geht.“

religion.ORF.at/APA

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