68er und Homosexuelle: Benedikt XVI. über Missbrauch

Der emeritierte Papst Benedikt XVI. macht in einem Aufsatz die Entfremdung vom Glauben als Ursache für kirchlichen Missbrauch fest. Er spricht darin auch die 68er-Bewegung, den österreichischen Sexkoffer und „homosexuelle Clubs“ im Priesterseminar an.

In dem am Donnerstag unter anderem vom privaten katholischen Mediennetzwerk CNA/EWTN veröffentlichten Schreiben ruft Benedikt XVI. zu einer „Erneuerung des Glaubens“ und zu einer neuen Hinwendung zu Gott auf, um die aktuelle Krise zu überwinden.

Als zentrale Ursache für Missbrauch nennt er Gottlosigkeit und eine Entfremdung vom Glauben, die sich seit den 1960er Jahren auch in einer Abkehr von der katholischen Sexualmoral breitgemacht habe. Auch in der Theologie, in der Priesterausbildung und in der Auswahl von Bischöfen habe dies fatale Folgen gehabt.

Abwesenheit Gottes

Benedikt XVI. schreibt, der Aufsatz sei aus Notizen entstanden, die er sich vor allem anlässlich des Anti-Missbrauchsgipfels im Februar im Vatikan gemacht habe. Daraus habe er nach Rücksprache mit Papst Franziskus das Schreiben verfasst für die April-Ausgabe des Bayerischen „Klerusblatts“.

Benedikt XVI.

Reuters/Max Rossi

Emeritierter Papst Benedikt XVI.

„Wieso konnte Pädophilie ein solches Ausmaß erreichen?“, fragt der 2013 zurückgetretene Papst: „Im letzten liegt der Grund in der Abwesenheit Gottes. Auch wir Christen und Priester reden lieber nicht von Gott, weil diese Rede nicht praktisch zu sein scheint“. Eine Gesellschaft mit einem abwesenden Gott sei eine Gesellschaft, in der „das Maß des Menschlichen“ immer mehr verloren gehe.

Sexkoffer aus Österreich

Zu Beginn seines Aufsatzes führt Benedikt XVI. seine Gedanken über Sexualkundeunterricht aus. „Die Sache beginnt mit der vom Staat verordneten und getragenen Einführung der Kinder und der Jugend in das Wesen der Sexualität“.

In dem Zusammenhang erwähnt er auch den „von der österreichischen Regierung herausgegebenen Sexkoffer“ für den Sexualunterricht an Schulen. Die Folge sei: „Sex- und Pornofilme“ wurden nun zu einer Realität bis dahin, dass sie nun auch in den Bahnhofskinos vorgeführt wurden.

68er-Revolution und „homosexuelle Clubs“

Benedikt XVI. schreibt zudem, dass es zur „Physiognomie der 68er Revolution“ gehört habe, dass auch Pädophilie erlaubt sei. In derselben Zeit habe sich unabhängig davon ein „Zusammenbruch der katholischen Moraltheologie“ ereignet, der die Kirche „wehrlos gegenüber den Vorgängen in der Gesellschaft“ gemacht habe. Auch in verschiedenen Priesterseminaren „bildeten sich homosexuelle Clubs, die mehr oder weniger offen agierten und das Klima in den Seminaren deutlich veränderten“.

Der emeritierte Papst erwähnte ein Seminar in Süddeutschland, in dem Priesteramtskandidaten und Kandidaten für das Laienamt des Pastoralreferenten zusammenlebten. „Bei den gemeinsamen Mahlzeiten waren Seminaristen, verheiratete Pastoralreferenten zum Teil mit Frau und Kind und vereinzelt Pastoralreferenten mit ihren Freundinnen zusammen. Das Klima im Seminar konnte die Vorbereitung auf den Priesterberuf nicht unterstützen“.

Mit „Erschütterung“ sei heute zu sehen, „dass an unseren Kindern und Jugendlichen Dinge geschehen, die sie zu zerstören drohen. Dass sich dies auch in der Kirche und unter Priestern ausbreiten konnte, muss uns in besonderem Maß erschüttern.“

Heilige Kirche „unzerstörbar“

Der emeritierte Papst, der in wenigen Tagen 92 wird, warnt zudem vor Versuchen, die Kirche nach menschlichen und politischen Maßstäben reformieren zu wollen. Die Kirche werde heute „weithin nur noch als eine Art von politischem Apparat betrachtet“, heißt es weiter: „Man spricht über sie praktisch fast ausschließlich mit politischen Kategorien, und dies gilt hin bis zu Bischöfen, die ihre Vorstellung über die Kirche von morgen weitgehend ausschließlich politisch formulieren.“

Die Krise, „die durch die vielen Fälle von Missbrauch durch Priester verursacht wurde, drängt dazu, die Kirche geradezu als etwas Missratenes anzusehen, das wir nun gründlich selbst neu in die Hand nehmen und neu gestalten müssen. Aber eine von uns selbst gemachte Kirche kann keine Hoffnung sein.“ Benedikt XVI. betont weiter: „Ja, es gibt Sünde in der Kirche und Böses.“ Es existiere aber auch heute die „heilige Kirche, die unzerstörbar ist“.

religion.ORF.at/KAP/KNA

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