Kleine christliche Kulturgeschichte des Kreuzes

Mit der Kulturgeschichte des Kreuzes und der Kreuzigung beschäftigt sich der Linzer Liturgie- und Orientexperte Hans Hollerweger in der jüngsten Ausgabe der westösterreichischen Kirchenzeitungen.

Die Entwicklung des Kreuzes als zentrales christliches Symbol für die Auferstehung hat eine jahrhundertelange Geschichte durchlaufen, wie Hollerweger erläutert. Die grausame Kreuzigung mit einem stundenlangen Todeskampf hätten die Römer von den orientalischen Völkern übernommen. Diese Art der Hinrichtung galt als Schande und sei deshalb von den Römern nur bei Sklaven und Nichtrömern angewandt worden. Hollerweger: „Weil die Kreuzigung eine Schande war, verwendeten die Christen in den ersten Jahrhunderten nicht das Kreuz als Erkennungszeichen, sondern meist das Christusmonogramm, die griechischen Anfangsbuchstaben des Wortes ‚Christus‘.“

Kreuzerscheinung durch Kaiser Konstantin

Die Situation änderte sich im Römerreich mit Kaiser Konstantin (306-337). Wie der Kirchenvater Eusebius berichtet, sollen der Kaiser und sein Heer vor der Schlacht an der Milvischen Brücke gegen seinen Rivalen Maxentius über der Sonne ein Kreuz aus Licht und die Worte „In diesem Zeichen siege!“ gesehen haben. Endgültig wurde mit der Auffindung des Kreuzes Christi in Jerusalem durch Helena, der Mutter Konstantins, die Voraussetzung für die Verehrung des Kreuzes geschaffen, so Hollerweger: „Kaiser Konstantin hat im Jahre 320 die Kreuzigung abgeschafft.“

Ein großes Kruzifix an einer Wand

Reuters/Edgard Garrido

Das Kreuz entwickelte sich über die Jahrhunderte zu einem zentralen Symbol für die Auferstehung

Kreuz wurde zum Ruhmeszeichen

Wie der Liturgieexperte und Begründer der „Initiative Christlicher Orient“ (ICO) weiter betont, waren Kreuzigung und Auferstehung Jesu von Anfang an die Mitte der christlichen Verkündigung. So schreibt etwa der Apostel Paulus im Galaterbrief: „Ich aber will mich allein des Kreuzes Jesu Christi, unseres Herrn, rühmen, durch das mir die Welt gekreuzigt ist und ich der Welt.“ Damit habe er den Grund dafür gelegt, dass für die Christen aus dem schändlichen Kreuz ein Ruhmeszeichen wurde. Und nur auf dieser Grundlage konnte später das Kreuz zum Erkennungszeichen der Christen werden.

Ein erster Schritt dazu sei die Bezeichnung der Stirn mit dem Kreuz gewesen, so Hollerweger. In der Antike war es demnach üblich, Sklaven mit dem Eigentumszeichen ihres Herrn zu versehen. Diese Tradition führte um 200 dazu, die Stirn der Täuflinge mit dem Kreuz zu bezeichnen, „um sie dadurch Christus zu übereignen“. Der christliche Schriftsteller Tertullian berichtet um 200 über den Brauch der Christen, „dass sie sich vor den verschiedensten Handlungen mit einem Kreuz bezeichneten“. Von Kreuzen, die aus einem Material hergestellt wurden, sei damals freilich noch lange nicht die Rede gewesen, so Hollerweger.

Zeichen der Auferstehung

Erst nach der Abschaffung der Kreuzigung sei es möglich geworden, das Schandmal allmählich zum Erkennungszeichen der Christen zu machen. Hollerweger: „Im 4. Jahrhundert entwickelte sich im Orient die Anfertigung von Kreuzen ohne Korpus als Zeichen der Auferstehung.“ Denn: „Ein leeres Kreuz entspricht einem leeren Grab.“

Der Westen übernahm, was im Orient entstanden war, und entwickelte etwa zur selben Zeit auch eigene Formen des Kreuzes ohne Korpus. Erst in der Romanik ab der ersten Jahrtausendwende „wurde das Kreuz mit dem Leib Christi verbunden“. Gezeigt wurde aber „nicht der leidende, sondern der sieghafte Christus, oft sogar mit einer Krone am Haupt“. Die Darstellung des leidenden Christus am Kreuz sei erst mit der Gotik (ab dem 12. Jahrhundert) aufgekommen.

Hollerweger: „Einen Nachklang von der ursprünglichen Sicht des Kreuzes als Zeichen der Auferstehung erleben wir heute noch am Karfreitag. Aus der Zeit um 800 ist erstmals der Brauch bezeugt, ein Kreuz in die Kirche zu tragen und es dem Volk zu zeigen.“ Das wird in der Karfreitagsliturgie bis heute so gehandhabt.

religion.ORF.at/KAP

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