Bischof Bünker: „Politik kommt und geht, Kirche bleibt“

„Politik kommt und geht, die Kirche bleibt“: Mit diesen Worten hat der lutherische Bischof Michael Bünker die jüngsten Auseinandersetzungen seiner Kirche mit der Regierung hinsichtlich der Karfreitagsregelung kommentiert.

Es sprach aber auch über den Disput der evangelischen Diakonie mit der Politik in Asylfragen. Im Interview in der aktuellen Ausgabe der Wochenzeitung „Die Furche“ zeigte sich Bünker zugleich beunruhigt darüber, dass die Mehrheit der Bevölkerung die Politik der aktuellen Regierung mittrage: „Das macht mich besorgter, mehr als das, was konkret von Tag zu Tag passiert.“

Hier bestätige sich eine Entwicklung, die man im Fachjargon „soziale Unterschichtung“ nennt: „Man kann Leute in prekären Arbeits- und Lebensverhältnissen eine Anerkennung zukommen lassen, indem man Gruppen in der Gesellschaft definiert, denen es noch schlechter geht.“ Das dürfte derzeit der Fall sein - bei Asylwerbern und Asylberechtigten und wenn man sehe, wie die Sozialhilfe neu geregelt wird. Das könne bei manchen dazu führen, dass sie sagen: „Mir geht es zwar nicht besser, aber ich weiß, dass es dem neben mir schlechter geht.“ Für den lutherischen Bischof eine „verhängnisvolle Entwicklung“.

„Völlig inakzeptable Entwicklung“

In der Tageszeitung die „Presse“ (Freitag-Ausgabe) legte der Bischof nach: „Vom ‚Ausreisezentrum‘ über die 1,50 Euro bis hin zu den neuen diskriminierenden Bestimmungen im Sozialhilfegrundgesetz liegt eine völlig inakzeptable Entwicklung vor.“ Wenn man den Umstand, dass das dritte Kind nur noch fünf Prozent vom Nettoausgleichszulagenrichtsatz bekommen soll, damit begründe, dass vor allem Migrantenfamilien kinderreich sind, brandmarke man damit eine bestimmte Menschengruppe, kritisierte Bünker.

Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker

epdÖ/Uschmann

Bischof Bünker ist darüber besorgt, dass „eine bestimmte Menschengruppe gebrandmarkt“ werde

Auf evangelische Christen in verschiedenen Parteien angesprochen, meinte der Bischof in der „Furche“, dass diese vor ihrem Gewissen und vor Gott zu verantworten hätten, wie sie sich in ihren Einstellungen definieren und politisch orientieren. Bünker: „Jede evangelische Pfarrgemeinde hat offene Türen für Wähler aller Parteien. Was aber Gemeinde und Kirche ausmacht, ist der Auftrag des Evangeliums. Und der steht außer Zweifel. Natürlich ist die Kirche für alle offen, aber sie ist nie für alles offen.“ Diese Spannung auch miteinander aufzuarbeiten, und wenn es zum Konflikt kommt, diesen in einer guten Weise auszutragen, sei eine Herausforderung, räumte der Bischof ein.

Hintergrund des Karfreitagsfeiertags

Im Blick auf die von der evangelischen Kirche viel kritisierte neue Karfreitagsregelung erinnerte der Bischof an die geschichtliche Genese dieses ehemaligen Feiertags für die Evangelischen. Nach 1945 sei es darum gegangen, welche religiösen Feiertage es wieder geben solle, nachdem die Nazis alle abgeschafft hatten. Man habe sich etwa darauf geeinigt, dass das Konkordat von 1933 noch gilt. Als dann in den 1950er-Jahren der 8. Dezember wieder eingeführt werden sollte, seien evangelische Abgeordnete im Parlament initiativ geworden, etwa die SPÖ-Politiker Bruno Pittermann und Karl Spielbüchler, die einen Ausgleich für die Minderheit der Protestanten einmahnten. Bünker: „Pittermann sagte einmal, die Einführung des Karfreitags als Feiertag für Evangelische sei ein letzter Schritt hin zur Anerkennung.“

Dass die Evangelischen eine Minderheit sind, sei Folge der Geschichte der Gegenformation mit einer weitgehenden Rekatholisierung des Landes. Bünker: „Diesen Materialgrund der positiven Diskriminierung der Evangelischen hat der Europäische Gerichtshof überhaupt nicht berücksichtigt. Das ist bedauerlich. Es ist nicht alles, was man einer Minderheit zuerkennt, eine Diskriminierung, sondern eine Anerkennung der besonderen Situation dieser Gruppe.“

Kurz-Satz „ganz schlecht angekommen“

Der Satz von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), dass sich für 96 Prozent gar nichts ändere, „ist bei Evangelischen ganz schlecht angekommen, weil er die Minderheit noch einmal definiert und stark sichtbar macht“, stellte der Bischof einmal mehr fest. Nachsatz: „Was das für andere religiöse Minderheiten bedeutet, das wissen wir noch nicht. In Gesellschaften, die unter Veränderungsdruck stehen, versucht man bestimmte Minderheiten auch zu identifizieren - sie­he Asylwerber. Und im Unterschied dazu eine Mehrheitsmeinung zu etablieren, halte ich demokratiepolitisch für bedenklich. Weil es um diese grundsätzliche Frage der Minderheiten geht, braucht es mehr Solidarität.“

Der Bischof warnte auch vor kaum bedachten möglichen Folgen der neuen Karfreitagsregelung bzw. dem Gesetz, dass jeder Anrecht auf einen persönlichen Feiertag (von seinem Urlaubskontingent her) hat: „Man wird sehen, was passiert, wenn in einem Unternehmen, in dem 40 Prozent der Beschäftigten islamischen Glaubens sind, alle am Opferfest ihren Urlaubstag nehmen ... Da wird keine weitsichtige Politik gemacht.“

Interessen des Handels

In der „Presse“ fügte Bünker hinzu, er habe den Eindruck, dass bei der neuen gesetzlichen Regelung eindeutig den Interessen des Handels gefolgt wurde. Der Karfreitag sei einer der umsatzstärksten Tage. „Das wirft ein Licht auf die öffentliche Stellung der Religion und ist ein Stück weit eine Privatisierung der Religion. Das ist eine europaweite Entwicklung, die uns Sorgen macht“, so der Bischof wörtlich.

In den „Salzburger Nachrichten“ (Freitag) kam der Bischof auf die geplante Verfassungsklage zu sprechen. „Gewöhnen wir uns erst gar nicht an diese Regelung“, so Bünker: „Wir werden den Entscheid nun daraufhin untersuchen lassen, ob er verfassungskonform ist.“ Der Bischof zeigte sich zuversichtlich, dass eine fundierte, gründlich vorbereitete Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof Erfolg haben wird. Er sah etwa den Gleichheitsgrundsatz zwischen Religionen verletzt. Eingereicht werden soll die Beschwerde Mitte Mai, kündigte der Bischof an.

„Braucht Debatte über Feiertage in Österreich“

Durch die Streichung des Feiertags und die Einführung eines „persönlichen Feiertags“ für alle, der als Urlaubstag zu nehmen ist, werde „die öffentliche Religionsausübung radikal individualisiert und privatisiert“, gab Bünker dieser Tage gegenüber dem Evangelischen Pressedienst zu bedenken. Es brauche unter den Bedingungen einer zunehmend religiös pluralen und säkularen Gesellschaft eine weitreichende Debatte darüber, wie mit Feiertagen in Österreich insgesamt umzugehen sei. Ein zusätzlicher, flexibel einsetzbarer Feiertag etwa würde diese Pluralität und die Bedürfnisse religiöser Minderheiten berücksichtigen.

Für Evangelische gilt der Karfreitag als zentraler Feiertag, „weil er den Blick schärfen kann für Menschen, die ohnmächtig sind, die unter Gewalt oder Krieg leiden“. Der ganzen Gesellschaft würde ein solcher Tag guttun.

Keine Frauen für Bischofsamt

In der „Presse“ nahm Bünker auch noch dazu Stellung, dass bei der anstehenden Bischofswahl wieder keine Frau für das höchste Kirchenamt kandidiert. „Ich kann mir das nur dadurch erklären, dass es nicht leicht ist, sich für diese Leitungsfunktion zu entscheiden“, so der Bischof. Als er zum Bischof gewählt wurde, seien zehn Personen vorgeschlagen worden, davon vier Frauen. Zur Wahl angetreten seien schließlich fünf Männer.

Es seien auch für die anstehende Wahl am 4. Mai qualifizierte Amtsträgerinnen angefragt worden. „Damit aber eine Nominierung erfolgen kann, muss eine Zustimmungserklärung der betreffenden Person vorliegen. Das war nicht der Fall“, erläuterte der Bischof und weiter wörtlich: „Unsere Personalreferentin ist intensiv dran, die Rahmenbedingungen zu gestalten, unter denen Frauen besser für Leitungsfunktionen kandidieren können. Da gibt es viele Faktoren, die Bandbreite reicht von der persönlichen Motivation, solche Aufgaben wahrzunehmen, bis hin zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die glaube ich, bei uns sehr gut ist.“ Eine Rolle spiele sicher auch, dass es derzeit im Kreis der Superintendenten, also auf diözesaner Ebene, keine Frau in diesem Leitungsamt gibt.

religion.ORF.at/KAP

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