Sozialhilfegesetz: Caritas-Appell an Regierung

Caritas-Präsident Michael Landau hat in einem offenen Brief vom Mittwoch an die Nationalratsabgeordneten appelliert, das geplante Sozialhilfegesetz so nicht zu beschließen.

Das Ziel jeder Reform müsse sein, dass es den Menschen danach besser geht und nicht schlechter, argumentierte Landau. Kinder- und Altersarmut müssten sinken, nicht steigen. „Seitdem die österreichische Bundesregierung den Gesetzesentwurf für die Mindestsicherung neu – die jetzt Sozialhilfe heißt - auf den Weg gebracht hat, gab es aufgrund massiver Kritik mehrere Nachbesserungen: Die ursprünglich geplanten Kürzungen für Menschen mit Behinderung und für ehemalige Strafgefangene oder der angedachte Abzug von Spenden etwa wurden geändert oder sollen ergänzt werden“, so der Caritas-Präsident.

Caritas-Präsident Michael Landau

APA/Roland Schlager

Caritas-Präsident Michael Landau

An den „grundsätzlichen Problemen“ des Gesetzes ändere das leider nichts; „Statt Mindestbeträgen gibt es jetzt Höchstbeträge, statt einer Abdeckung der Lebenserhaltungs- und Wohnkosten nur mehr einen Beitrag dazu. Dabei muss jede sinnvolle Lösung an der Lebenswirklichkeit der betroffenen Menschen Maß nehmen. Sie muss rasche und unbürokratische Hilfe ermöglichen. Und sie muss das Ziel verfolgen, dass es den Menschen danach besser geht, nicht schlechter.“

„Wer bei Kindern spart, spart an Zukunft“

Was bisher leider nicht aus dem Weg geräumt worden sei „und mir massiv Sorge bereitet, ist, dass die geplante Sozialhilfe die Situation für kinderreiche Familien im Vergleich zur Mindestsicherung massiv verschlechtert. Ein neues Gesetz zur Sozialhilfe sollte Menschen in Not helfen und nicht deren Armut vergrößern. Wenn die Reform Kinderarmut verstärkt, hat sie versagt“, kritisierte Landau.

Familien, die aufgrund ihrer prekären Situation jetzt schon Mindestsicherung beziehen, würden es in Zukunft noch schwerer haben, weil durch die neue Sozialhilfe Paare um zehn Prozent weniger Mittel erhalten als bisher und auch die Beiträge für Kinder gestaffelt werden: „Das ergibt für Paare mit Kindern schon ab dem ersten Kind eine Verschlechterung gegenüber dem Status quo. Kinderreiche Familien werden demnach noch stärker von Armut betroffen sein als bisher.“

Und weiter: „Wer bei Kindern spart, spart an der Zukunft unserer Gesellschaft. Aus der täglichen Arbeit wissen wir: Kinderreiche, einkommensarme Familien zählen heute schon zu den in besonderer Weise armutsgefährdeten Gruppen, auch in Österreich. Kinder, die in Armut aufwachsen müssen, haben schlechtere Bildungschancen und somit oftmals ihr Leben lang Schwierigkeiten, diese unfairen Startbedingungen wieder auszugleichen. Wir wissen, dass eine gute Ausbildung die Grundvoraussetzung für einen Arbeitsplatz ist.“ Wenn man wolle, dass alle Kinder in Österreich in Zukunft etwas zu „unserer Gesellschaft beitragen, müssen wir jetzt dafür sorgen, dass sie später am Arbeitsmarkt gute Chancen haben“, so Landau.

Familien bekommen weniger Unterstützung

Mit der neuen Sozialhilfe würden alle Familien mit zwei Elternteilen in allen Bundesländern verlieren, und zwar schon ab dem ersten Kind. „Es geht aber nicht nur um die Kürzung ab dem dritten Kind - es geht darum, dass alle armutsbetroffenen Familien weniger Unterstützung bekommen werden. Gerade Kinder aus diesen Familien müssen uns besonders am Herzen liegen. Sie haben ohnehin einen schwereren Start ins Leben und brauchen daher mehr Unterstützung.“ Es könne nicht sein, dass Familien sich in einem Land wie Österreich am Ende des Monats zwischen Heizen und Essen entscheiden müssten.

Finanzielle Notlagen erschweren Integration

„Die Knüpfung von Sozialhilfe an Deutschkenntnisse sehen wir als Caritas kritisch. Damit Menschen hier in Österreich möglichst rasch auf eigenen Beinen stehen können, ist es hilfreich, Deutsch zu lernen“, räumte Landau ein. Sprachkenntnisse allerdings als Vorbedingung für Sozialleistungen zu verlangen, erscheine wenig sinnvoll: „Selbstverständlich sollen Menschen möglichst rasch die Sprache lernen, aber dann muss es flächendeckend Möglichkeiten dafür geben und sie müssen in dieser Zeit von etwas leben können: Sprachkurse kann man weder essen noch heizen. Und ich erkenne auch keine Logik darin, neben Deutsch nur Englisch als weitere Sprache zuzulassen, und nicht etwa Französisch oder Spanisch.“

Zusammenhalt und Solidarität

Die Bedarfsorientierte Mindestsicherung sei eingeführt worden, „um Menschen zu unterstützen, die aus dem Versicherungsprinzip rausfallen oder nie hineingekommen sind, sowie jene, die so geringe Arbeitseinkommen beziehen, dass sie davon nicht leben können. Allzu große Ungleichheit führt zu sozialen Spannungen. Für eine zukunftstaugliche Gesellschaft in Österreich brauchen wir Zusammenhalt und soziale Sicherheit. Diesen Grundsatz sollte die Regierung nicht aus den Augen verlieren. Niemand in Österreich sollte vom letzten sozialen Netz, das wir haben – also der Mindestsicherung bzw. Sozialhilfe - ausgeschlossen werden. Das können und dürfen wir nicht wollen.“

religion.ORF.at

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