Tagung will Pharisäer-Klischee korrigieren

„Jesus und die Pharisäer“: Diesem schwierigen Thema widmet sich das Päpstliche Bibel-Institut Biblicum bei einer internationalen Tagung von 7. bis 9. Mai, die aus Anlass des 110-Jahr-Jubiläums des Biblicums stattfindet.

Die Veranstaltung, bei der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus aller Welt sprechen, soll zu einer Vertiefung des christlich-jüdischen Dialogs sowie zu einer angemesseneren Pharisäer-Darstellung beitragen.

Dem Rektor des Bibel-Instituts, P. Michael Kolarcik SJ, zufolge ist die Beschreibung der Beziehung zwischen Jesus und den Pharisäern in historischer Perspektive auch eine Beschreibung für das Verhältnis zwischen Christen und Juden in den beiden letzten Jahrtausenden. Was wir darüber sagten „und wie wir es sagen“, habe „Konsequenzen für die aktuelle Beziehung zwischen Christen und Juden“.

Ursprung und der Bedeutung des Begriffs

Im ersten Teil soll vor allem dem Ursprung und der Bedeutung des Begriffs „Pharisäer“ in verschiedenen Sprachen nachgegangen werden. In einem zweiten Teil werde sich die Tagung mit der Interpretation der Pharisäer von der Kirchenväter-Literatur über die Passionsspiele bis zu den Darstellungen im Film und in aktuellen Lehrbüchern für den Religionsunterricht auseinandersetzen. Schließlich sollen neue Modelle vorgestellt werden, um in Zukunft die Pharisäer weniger verzerrt darzustellen.

Unter den Teilnehmenden sind der in Rom lehrende Tiroler Jesuit Dominik Markl SJ, der Wiener Judaist Günter Stemberger, der Schweizer Jesuitenprovinzial P. Christian Rutishauser SJ, der Münchner bzw. Oberammergauer Intendant Christian Stückl, der argentinische Rabbiner und Papst-Vertraute Abraham Skorka sowie der Jerusalemer Rabbiner David Rosen.

Gerade die österreichische Judaistik hat viel zur Bekämpfung des Pharisäer-Klischees beigetragen. So hatte Präsident des Christlich-Jüdischen Koordinierungsausschusses, Martin Jäggle, bei der Präsentation des 2017 erschienenen Buchs „Von Abba bis Zorn Gottes. Irrtümer aufklären - das Judentum verstehen“ im Gespräch mit der katholischen Nachrichtenagentur Kathpress die noch vorhandene Polarität im theologischen und kirchlichen Denken zwischen Gesetz und Evangelium kritisiert. Diese müsse endlich überwunden werden. Diese Polarität habe keinen Sitz im Leben Jesu und beinhalte in sich schon eine antijüdische Dynamik. Es müsse künftig vielmehr darum gehen, „Gesetz und Evangelium zusammen zu denken“.

Antisemitisches Potenzial

Eng mit der Thematik verknüpft ist laut Jäggle die kirchliche Pharisäer-Polemik. Wenn man die Evangelien oberflächlich liest, könne man meinen, die Pharisäer seien die besonderen Gegner Jesu gewesen, was historisch aber so nicht zutreffe. Keiner Gruppe des damaligen Judentums sei Jesus so nahe gestanden wie der pharisäischen Bewegung. Wer also weiterhin diesen Gegensatz zwischen Jesus und den Pharisäern transportiere, transportiere damit auch ein antisemitisches Potenzial, warnte Jäggle.

Das Buch „Von Abba bis Zorn Gottes“, an dem Jäggle mitgearbeitet hat, zeigt auch die verhängnisvolle Verstrickung von „christlichem“ und rassischem Antijudaismus auf, etwa anhand des evangelischen Theologen Gerhard Kittel. Dieser hatte ein Wörterbuch zum Neuen Testament geschrieben und war gleichzeitig NSDAP-Mitglied. Als solches habe er auch Theologie betrieben und die Juden, zum Beispiel die Pharisäer, absichtlich in einem schlechten Licht dargestellt, wie der Linzer Judaist und Theologe Markus Himmelbauer, sagte. Dass Jesus im Matthäusevangelium sagt, dass alles, was die Pharisäer lehren, in Ordnung sei, habe hingegen keine Wirkungsgeschichte entfaltet.

„Kardinal-Bea-Jahr“

Mitveranstalter der Pharisäer-Tagung ist das „Cardinal Bea Centre for Judaistic Studies“ an der Gregoriana-Universität. Das Institut wurde im Gedenken an Kardinal Augustin Bea eingerichtet, der vor 1968 gestorben ist und für den 2018 ein Gedenkjahr eröffnet wurde, das jetzt zu Ende geht. Unter Beas Einfluss schwenkte der Vatikan im Pontifikat von Johannes XXIII. auf den ökumenischen Kurs ein und nahm das Gespräch mit dem Judentum auf.

religion.ORF.at/KAP

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