Papst rief Bulgaren zu Akzeptanz von Flüchtlingen auf

Papst Franziskus hat bei seinem Besuch in Bulgarien die Menschen dazu aufgerufen, Flüchtlingen ihre Herzen und Türen zu öffnen. Das Oberhaupt der katholischen Kirche äußerte sich am Sonntag zu Beginn seines zweitägigen Besuchs im ärmsten Land der Europäischen Union.

Am Montag will der Papst ein Flüchtlingslager am Stadtrand von Sofia besuchen. Bulgarien sei mit dem Phänomen konfrontiert, dass Menschen „auf der Flucht vor Kriegen, Konflikten oder tiefer Armut“ ins Land kommen wollten, sagte der Papst. Alle Bulgaren sollten deshalb „in der besten Tradition“ des Landes den Menschen helfen, die „an ihre Tür klopfen“, riet Franziskus.

Besorgnis im Europarat

Der Europarat hatte sich vor rund einem Jahr besorgt gezeigt über die „allgemein negative öffentliche Meinung“, die in Bulgarien gegenüber Flüchtlingen herrsche.

Franziskus ging in seiner Rede auch auf den drastischen Bevölkerungsschwund in dem Land ein: Seit dem Zerfall des Ostblocks ist die Bevölkerung Bulgariens von neun auf sieben Millionen geschrumpft, Prognosen rechnen für das Jahr 2050 nur noch mit 5,4 Millionen Einwohnern.

Bulgaren auf der Suche nach Arbeit

Der Papst sagte, Bulgarien erlebe derzeit die Folgen dessen, dass mehr als zwei Millionen Bürger „auf der Suche nach neuen beruflichen Möglichkeiten“ das Land verlassen hätten. In diesem Zusammenhang sprach Franziskus von einem „neuen Winter“.

Am Flughafen der Hauptstadt Sofia war das Oberhaupt der katholischen Kirche zuvor von Ministerpräsident Boiko Borissow begrüßt worden. Bei dem Besuch in Bulgarien stehen auch Gespräche mit ranghohen Vertretern der in dem Land dominierenden orthodoxen Kirche auf dem Programm.

Papst feiert Messe im Zentrum von Sofia

Papst Franziskus hat am Sonntag in der bulgarischen Hauptstadt Sofia eine Messe gefeiert. An dem Gottesdienst auf dem Prinz-Alexander-Platz nahe dem Präsidentenpalast nahmen über 12.000 Gläubige - fast ein Fünftel der Katholiken Bulgariens - teil.

In seiner Predigt rief Franziskus zu Neuaufbruch, Risikobereitschaft und Vertrauen auf Gott auf. Gott sei die Liebe, „die sich verschenkt, die ruft und überrascht“. Christen sollten „entdecken, was der Herr in der Vergangenheit getan hat, damit wir uns mit ihm in die Zukunft aufmachen“. Gott sei der „Herr der Überraschungen“.

Papst warnt vor Nostalgie

Zugleich warnte Franziskus vor einer Nostalgie, die etwas zurückwünsche, was man habe aufgeben wollen. In der Erfahrung von Scheitern, Leid und „sogar nur der Tatsache, dass die Dinge nicht so sind, wie man erhofft hatte“, liege die „feine und gefährliche Versuchung“, sich entmutigen und die Arme hängen zu lassen.

Gott warte jedoch nicht auf ideale Situationen oder Stimmungen, sondern er schaffe sie einfach, so der Papst weiter. Dabei werde er nicht müde, den Menschen immer wieder aufs Neue zu rufen, ihm Hoffnung für die eigene Zukunft einzuflößen und ihn dazu zu ermutigen, ein Risiko einzugehen. Mit Gott gelinge es, „lähmende Verhärtungen“ zu lösen und Verdacht, Misstrauen und Angst zu überwinden.

„Revolution der Liebe und des Dienstes“

Mit Gott könne der Mensch zum Akteur einer „Revolution der Liebe und des Dienstes“ werden und Fehlhaltungen der Gesellschaft - der Papst nannte hier die „Krankheit eines konsumistischen und oberflächlichen Individualismus“ - überwinden.

In ganz Bulgarien leben nach Vatikanangaben 68.000 Katholiken, das sind weniger als ein Prozent der Gesamtbevölkerung. Die Mehrheit gehört der bulgarisch-orthodoxen Kirche an. Die zweitgrößte Religionsgemeinschaft bilden mit etwa 10 Prozent die Muslime.

Bulgarien begrüßt Papst Franziskus mit Topf Joghurt

Zur Begrüßung wurde Papst Franziskus mit Joghurt und einer Rose beschenkt. Das bulgarische Joghurt sei einzigartig dank des Milchsäurebakteriums Lactobacillus bulgaricus, erläuterte Bosissow auf dem Flughafen.

„Das ist das Joghurt Ihrer Großmutter“, sagte Borissow in Anspielung auf frühere Äußerungen des Papstes, wonach ihm seine Großmutter als Bub bulgarisches Joghurt gegeben habe. Die Rose wiederum sei „Ausdruck des Strebens des bulgarischen Volkes nach Frieden“, sagte er in Anspielung auf das Motto der päpstlichen Bulgarien-Visite „Frieden auf Erden“.

Ökumenisches Friedensgebet abgesagt

Ursprünglich war am Montag auch ein ökumenisches Friedensgebet des Papstes mit orthodoxen Geistlichen in Sofia vorgesehen. Die orthodoxe Kirchenführung hatte die Pläne jedoch im April gestoppt. Sie will nach Angaben aus dem Vatikan nur einen Kinderchor zu der Veranstaltung schicken.

„Ich bin zwar orthodoxe Christin, aber ich bewundere die Offenheit und Sensibilität des Papstes“, sagte die 48-jährige Dora Krajtschewa am Sonntag am Rande des Papst-Besuches. „Warum sollte man weiterhin mittelalterlichen Dogmen anhängen? Es gibt nur einen Gott.“

Keine orthodoxe Beteiligung am Dialog mit Katholiken

Die bulgarisch-orthodoxe Kirche ist die einzige orthodoxe Kirche, die sich nicht an einer Kommission zum ökumenischen Dialog mit der katholischen Kirche beteiligt.

Die Beziehungen zu den anderen orthodoxen Kirchen hatten sich zuletzt verbessert. Im Februar 2016 hatten Papst Franziskus und der russisch-orthodoxe Patriarch Kyrill I. bei einem historischen Treffen in Havanna das Ende der fast tausendjährigen Eiszeit zwischen ihren Kirchen eingeleitet.

Von Bulgarien reist Franziskus am Dienstag weiter nach Nordmazedonien. Dort ist eine Gedenkfeier für die in der Hauptstadt Skopje geborene Ordensfrau Mutter Teresa geplant. Katholiken sind sowohl in Bulgarien als auch in Nordmazedonien nur eine kleine Minderheit.

religion.ORF.at/APA/AFP/dpa