Zehn Jahre Anerkennung: Jubiläum für Zeugen Jehovas

Seit zehn Jahren sind die Zeugen Jehovas in Österreich staatlich als Religionsgesellschaft anerkannt. Viel mehr sind sie zwar nicht geworden, aber mit der Anerkennung seien Vorurteile verschwunden, sagte David Vladar zu religion.ORF.at.

Vladar ist ein „Ältester“ der Zeugen Jehovas. Als Mitglied merke man, dass seit der Anerkennung weniger „Unwahrheiten“ verbreitet würden als früher. Eine davon sei gewesen, dass man sein ganzes Geld in die Gemeinschaft investieren müsse, sagte Vladar. Er betonte, dass Spenden grundsätzlich anonym und freiwillig abgegeben würden.

Einen sprunghaften Anstieg der Mitglieder habe es nach der Anerkennung 2009 nicht gegeben, die Gemeinschaft wachse langsam, aber kontinuierlich, und das Interesse an Gott und der Bibel steige. Mit Blick auf Russland, wo die Zeugen seit 2017 wieder (wie im Kommunismus) verboten sind, sagte er, dass die Anerkennung natürlich auch Schutz biete. Und sie bedeutet die Gleichstellung mit anderen anerkannten Religionen. Eigenen Angaben zufolge finanziert sich die Gruppe ausschließlich durch Spenden.

Ein Missionswerbebild der Zeugen Jehovas. Drei Frauen bei einem Gartenzaun mit Wald und Wiesen im Hintegrund

Jehovas Zeugen in Österreich

Das Bildmaterial der Zeugen Jehovas ist auffallend von „heiler Welt“ geprägt

Website in 988 Sprachen

Bekannt sind die Zeugen Jehovas unter anderem wegen ihrer Missionstätigkeit auf der Straße und an Wohnungstüren und der Verteilung ihrer Zeitschriften „Wachtturm“ und „Erwachet!“. Die beiden zählen mit Auflagen von je rund 80 Millionen (eigene Angaben) zu den weltweit meistgedruckten Zeitschriften. Produziert würde ebenfalls durch Spendengelder, verteilt werden sie kostenlos. Die Homepage ist in 988 Sprachen übersetzt.

In die Schlagzeilen geriet die Gemeinschaft immer wieder wegen ihrer Weigerung, Blutkonserven zu akzeptieren. Dieses Thema werde mit dem Fortschritt der Medizin und den Alternativen zu Fremdblut („Eigenblutmanagement“ bei planbaren Operationen) immer weniger zum Problem, so Vladar. Ehemalige Mitglieder sehen die Glaubensgemeinschaft als autoritäre Gruppe, die Gehorsam erwarte und ihre Mitglieder sozial isoliere. Vladar, der bereits als Kind in die Gemeinschaft kam, hat keine Kontakte mit Ausgetretenen, wie er religion.ORF.at sagte. Andere Menschen würden sich ja auch eher mit Gleichgesinnten umgeben.

Christlich ohne Trinität?

Sie verstehen sich als christlich, lehnen aber das Konzept der Trinität ab - es gebe keine Belege dafür im Neuen Testament, so die Zeugen auf ihrer Website. Von anderen christlichen Kirchen werden sie u. a. aus diesem Grund nicht als christlich anerkannt. Bei jährlich abgehaltenen Kongressen finden Gruppentaufen statt, mit der die Zugehörigkeit zu der Gemeinschaft besiegelt wird. Kleinkindertaufen gibt es nicht.

Zeugen Jehovas Massentaufe in einem Stadion

APA/dpa/Ulrich Perrey

Zeugen Jehovas organisieren jährliche Kongresse, bei denen Gruppentaufen durchgeführt werden

Christliche Feiertage (auch Weihnachten und Ostern) werden nicht gefeiert, es gibt nur einmal im Jahr (im Frühling) einen Gottesdienst - das Abendmahl (Gedächtnismahl zur Erinnerung an den Tod Jesu). Auch Geburtstage werden nicht gefeiert, Ersatz gibt es keinen. Den Kindern werde das erklärt, sagte der dreifache Vater. Man stützt sich darauf, dass die ersten Christen keine Geburtstage gefeiert hätten und Jesus gesagt habe, man solle sich an seinen Tod erinnern. In seiner Familie sei es üblich, für Ausgleich zu sorgen, indem zu besonderen Anlässen (etwa einer bestandenen Prüfung) Feste gefeiert und Geschenke gemacht würden.

Staatliche Anerkennung

Die staatliche Anerkennung von Religionsgemeinschaften hängt in Österreich von der Mitgliederzahl ab (0,2 Prozent der Bevölkerung), zudem muss zuvor für einen bestimmten Zeitraum eine Eintragung als staatlich eingetragene religiöse Bekenntnisgemeinschaft vorliegen. Die Anerkennung ist mit bestimmten Rechten verbunden. Anerkannte Religionsgesellschaften haben z. B. Anspruch auf gewisse Steuervorteile und dürfen Religionsunterricht in öffentlichen Schulen erteilen.

Die Bibel, die in einer eigenen Übersetzung (Neue-Welt-Übersetzung der Heiligen Schrift) verwendet wird, wird sowohl wörtlich als auch symbolisch verstanden und gedeutet und dient als Lebensgrundlage. Man wolle das Urchristentum aufleben lassen, so Vladar. Die Gemeinschaft kennt keine Unterscheidung zwischen Geistlichen und Laien, allerdings übernehmen die „Ältesten“ (nicht unbedingt alte Menschen) die Organisation von Gottesdiensten, halten regelmäßig Vorträge und sind seelsorglich tätig.

Gesetzestreu, aber nicht politisch

Zeugen Jehovas fügen sich in weltliche Strukturen und Staaten ein und halten sich an die geltenden Gesetze, außer diese sind nicht mit ihrem Glauben vereinbar. Durch ihre Ablehnung eines weltlichen „Führers“ wurden Zeugen Jehovas im Nationalsozialismus in Konzentrationslagern inhaftiert - Erkennungszeichen war ein „lila Winkel“, ein lilafarbenes, auf der Spitze stehendes Dreieck.

Sie beteiligen sich grundsätzlich nicht an Politik. Weder gehen sie wählen, noch nehmen sie an Demonstrationen oder sonstigen politischen Aktionen teil, auch das Singen der Nationalhymne wird abgelehnt. Sie übernehmen auch keine politischen Ämter und leisten keinen Militärdienst.

Zeugen Jehovas auf einer Straße mit Trolley

APA/AFP/Loic Venance

Mobile Trolleys ergänzen die Tür-zu-Tür-Mission

Die politischen Vorgänge interessieren Vladar dennoch. Er beobachtet „neutral“ sowohl innenpolitische als auch globale Entwicklungen sehr genau - besonders in Bezug auf die biblischen Prophezeiungen der Endzeit. Diese Phase, die zeitlich nicht eingegrenzt werden könne, sei jetzt. Damit einher geht die Vorstellung der Zeugen, dass am Ende der Zeit 144.000 Menschen in den Himmel kommen. Die anderen hegen die Hoffnung auf ein paradiesisches Weiterleben auf der Erde, die dann in den Urzustand zurückversetzt sein sollte.

Kein interreligiöser Dialog

Einen institutionalisierten Dialog gibt es zwischen Zeugen und den christlichen Kirchen und auch anderen Religionen nicht. Vladar betonte, dass auf individueller Ebene durchaus ein Austausch entstehe, wenn die Mitglieder der Zeugen Jehovas mit Menschen anderer Glaubensrichtungen sprechen würden. Neben der Tür-zu-Tür-Evangelisierung tritt die Mission auf öffentlichen Plätzen in den Vordergrund. Relativ neu sind mobile Trolleys, mit denen sie an öffentlichen Plätzen stehen und Auskunft über ihren Glauben geben.

Weltweit 8,5 Millionen Zeugen Jehovas

Jehovas Zeugen (häufiger: Zeugen Jehovas) sind in Österreich seit 1911 aktiv und seit 7. Mai 2009 eine gesetzlich anerkannte Religionsgemeinschaft - mit derzeit 21.563 Mitgliedern. Als Mitglieder zählen jene, die „missionsaktiv“ sind, das heißt, die aktiv um neue Mitglieder werben. Weltweit gibt es nach eigenen Angaben mehr als 8,5 Millionen Zeuginnen und Zeugen.

Das Verwaltungs- und Kongressgebäude der Zeugen Jehovas in St. Pölten

Jehovas Zeugen in Österreich

In St. Pölten befindet sich ein großes Kongress- und Verwaltungsgebäude

Jehovas Zeugen gingen aus der Internationalen Vereinigung „Ernster Bibelforscher“ hervor, die im ausgehenden 19. Jahrhundert in den USA von Charles Taze Russell gegründet wurde. Seit 1931 wird der Name „Jehovas Zeugen“ verwendet.

In Russland verboten

In Russland ist die Gemeinschaft seit 2017 verboten. Im Februar wurde ein Mitglied zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Grund waren „extremistische Handlungen“, die ein dänischer Staatsbürger in Russland verübt haben soll. Er wurde zu sechs Jahren Straflager verurteilt. Der Mann habe über mehrere Monate Treffen der in Russland verbotenen Glaubensgemeinschaft organisiert, so das Gericht.

Diese Entwicklungen beobachte man in Österreich mit großer Sorge, so Vladar. Es seien mittlerweile bereits mehrere Männer inhaftiert und gefoltert worden. Wobei der Vorwurf des Extremismus absurd sei, weil Zeugen Jehovas bekannt für ihre Gewaltlosigkeit seien und damit das bloße Organisieren von Gottesdiensten und Treffen gemeint sei, sagte Vladar.

Nina Goldmann, religion.ORF.at

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