Kirche ohne Frauen: Wenn Katholikinnen streiken

Frauen zu kirchlichen Ämtern zulassen - dafür setzen sich Katholikinnen in Österreich nun mit einem Kirchenstreik ein. Sie wollen die Kirche nicht betreten und im Freien Gottesdienste feiern. Die Idee stammt von Frauen aus Münster.

Für Gemeindemitglieder der Wiener Pfarren Breitenfeld und Inzersdorf-St. Nikolaus dürfte sich am Sonntag ein ungewöhnliches Bild bieten: Der Gottesdienst nicht in der Kirche, sondern davor, gestaltet und geleitet von Frauen. Der Pfarrer - für gewöhnlich im Mittelpunkt - bleibt an diesem Sonntag im Hintergrund.

Weiheämter für Frauen gefordert

Die Aktion Maria 2.0 hat somit auch Österreich erreicht: Schon vor einigen Monaten beschloss eine Gruppe von in ihrer Gemeinde engagierten Katholikinnen in Münster, sich gegen den Ausschluss von Frauen von Weiheämtern (Diakonen-, Priester-, Bischofsamt), aber auch gegen den Pflichtzölibat und den Umgang mit Missbrauchsfällen in der Kirche aufzulehnen.

Sie riefen Frauen dazu auf, von 11. bis 18. Mai keine Kirche zu betreten, ihre kirchliche Arbeit ruhen zu lassen und vor den Kirchen mit Frauen und Männern Gottesdienste zu feiern. Quer durch Deutschland haben sich Frauen angeschlossen, auch in Österreich gibt es vereinzelt Aktivitäten, um Erneuerungen in der Kirche anzustoßen. In Innsbruck zum Beispiel organisieren Katholikinnen am Samstag einen Schweigezug von der Spitalskirche zum Innsbrucker Dom.

Frauen fühlen sich „hinausgedrängt“

Brigitte Knell arbeitet ehrenamtlich in der Wiener Pfarre Inzersdorf-St. Nikolaus - als Kantorin, Lektorin und Kommunionspenderin. Sie ist zudem in der Vorbereitung für Erstkommunion und Firmung tätig und leitet mehrmals im Jahr Kinderwortgottesdienste. In der Messe ist sie nicht nur sonntags, sondern oft auch Samstagabends, weil „unser Pfarrer ein großartiger Prediger ist und es gut ist, ihm zuzuhören, aber das werde ich mir am Samstag verbieten“, sagte Knell im Gespräch mit religion.ORF.at. In dem Kirchenraum werde zwar „Gott wirklich spürbar“, betreten will Knell ihn aber nun eine Woche lang nicht mehr.

Banner der Aktion Maria 2.0 vor der Pfarre St. Inzersdorf-St. Nikolaus im 23. Bezirk anlässlich des Kirchenstreiks der Frauen am 12. Mai 2019

Pfarre Inzersdorf-St. Nikolaus

Die Wiener Pfarre Inzersdorf-St. Nikolaus steht dazu: „Frauen an den Altar“

Sie will gemeinsam mit anderen Frauen ein Zeichen setzen, klar machen, dass sich viele Frauen in weiten Strecken aus der Kirche „hinausgedrängt fühlen“. Daher wollen sie auch demonstrativ draußen bleiben, auch wenn es schwer fällt, ein Ehrenamt einfach ruhen zu lassen und die Messe auszulassen, wie die praktizierende Katholikin erklärte.

Diakoninnen - ja oder nein?

Einen alternativen Gottesdienst haben Frauen und Männer aus der Kirchengemeinde für Sonntag geplant - es soll „eine Mischung aus Protestklage und klassischem Wortgottesdienst“ werden, sagte Knell. Auch wenn es - wie prognostiziert - regnen sollte, wolle man draußen bleiben. Darum geht es schließlich bei der Aktion. Der Pfarrer, selbst ein langjähriger Befürworter der Öffnung der Weiheämter für Frauen, unterstütze die Aktion. Er werde, so der Plan, am Sonntag die Gemeindemitglieder einladen, mit ihm hinaus zu kommen. Vor der Pfarre wurden die Flaggen von Maria 2.0 gehisst - Frauen an den Altar heißt es dort.

Zu einer Zulassung von Frauen zum Diakonat äußerte sich Papst Franziskus vor einigen Tagen. Eine von ihm eingesetzte Kommission hat sich mit den frühkirchlichen Quellen zu dieser Thematik befasst, sei sich aber nicht einig geworden, sagte der Papst. Es habe zwar Diakoninnen gegeben, aber es gebe keine Gewissheit, „dass ihre Weihe die gleiche Form und gleiche Bestimmung hatte wie die Weihe von Männern“, fasste er zusammen. „Es gibt Zweifel, also lasst uns weiter studieren.“

Missbrauchsdebatte und die Frauenfrage

Die Diskussion über die Rolle der Frau in der katholischen Kirche ist wahrlich nicht neu, doch mit der seit vergangenem Jahr wieder stark diskutierten Missbrauchsskandale in der Kirche wurde auch der Ruf nach Frauen in Kirchenämtern wieder laut. Aber nicht, weil mehr Frauen automatisch weniger Missbrauch bedeuten, sagte die Pastoraltheologin an der Universtät Wien, Regina Polak, im Gespräch mit religion.ORF.at. Die Ursache für das Aufleben der Thematik sei komplexer.

Pastoraltheoplogin Regina Polak

kathbild.at/Franz Josef Rupprecht

Theologin Regina Polak meint, die Machtstrukturen der Kirche schaden Frauen

Das Problem des Missbrauch sei nicht nur mit „moralisch fehlgeleiteten Klerikern“ zu erklären, sondern hänge mit den internen Machtstrukturen der Kirche, mit „nicht transparenten männerbündlerischen Strukturen“ zusammen, die „seit jeher auch Frauen schaden“. Die Analyse der Missbrauchsfälle und der Rolle von Machstrukturen führe letztlich auch zu anderen Themen, die mit diesen Machtfragen zusammenhängen - eben auch dem Ausschluss von Frauen. Nicht zuletzt müssen sich Katholikinnen für die Missbrauchsfälle oftmals rechtfertigen, intern an einer Lösung mitwirken können sie in der Kirche allerdings kaum.

Kirche bleibt leer

Deswegen soll auch die Kirche Breitenfeld Sonntagfrüh leer bleiben. Eine Woche die Arbeit niederlegen werden die an der Aktion beteiligten Frauen aus der Gemeinde zwar nicht, dafür habe man sich zu kurzfristig zum Mitmachen entschieden. Doch der Gottesdienst vor der Kirche soll ein Start für zukünftige Aktionen sein, sagte Hannelore Mayer, Jugend- und Kinder-Pastoralassistentin der Jungen Kirche der Erzdiözese Wien zu religion.ORF.at. Sie organisiert den Gottesdienst mit. Zwischen zehn und 15 Frauen werden an dem Gottesdienst im Freien beteiligt sein.

Den Katholikinnen ist der Rückhalt des Pfarrleitungsteams gewiss: In einer Kirche, in die die Frauen nicht hinein gehen, wollen auch Männer nicht sein, hieß es. Daher soll der Gottesdienst nun für alle im Freien stattfinden - bei Regen im Pfarrsaal, dieser ist zum Glück für die Streikenden nämlich nicht im Kirchengebäude.

Ausschluss von Weiheämtern „willkürlich“

Frauen trügen schon jetzt viel dazu bei, den kirchlichen Betrieb „am Laufen zu halten“, sagte Mayer. Von Weiheämtern sind sie allerdings ausgeschlossen. Ein Zustand, den die Pastoralassistentin als „willkürliche“ Entscheidung betrachtet, die nicht im Sinne der Bibel sein könne.

Es sei in der Heiligen Schrift mit ihrem „revolutionären Inhalt“ nicht darum gegangen, „Gesellschaft so fortzuschreiben, wie sie gerade ist“, sagte die Pastoralassistentin. „Es ging darum, alles besser zu machen, auch die Frauen in eine ganze neue Rolle zu bringen.“ Mayr: „Ich bin davon überzeugt, dass Männer und Frauen berufen werden und dass Gott nicht schaut, ob du ein Mann oder eine Frau bist. Es ist sehr sehr schmerzhaft, dass Menschen ihre Berufung abgesprochen wird. Das ist eine ganz große Wunde, die die katholische Kirche hat und die geheilt werden muss.“

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at

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