Wieder Debatte über Moscheesteuer in Deutschland

In der Debatte über die Einführung einer Moscheesteuer in Deutschland haben jetzt mehrere deutsche Bundesländer Gesprächsbereitschaft signalisiert. Expertinnen und Experten zeigten sich skeptisch.

Das geht aus einer Umfrage der Zeitung „Die Welt“ (Montag-Ausgabe) unter den zuständigen Ministerien der 16 Bundesländer hervor. Das Innenministerium in Mecklenburg-Vorpommern etwa habe mitgeteilt, einer „Moschee-Finanzierung nach Kirchenvorbild grundsätzlich offen“ gegenüberzustehen.

Mevlana-Moschee in Kreuzberg, Berlin

APA/dpa/Christoph Soeder

Eine Moscheesteuer ist derzeit in Deutschland wieder im Gespräch (Mevlana-Moschee in Berlin-Kreuzberg)

Es stelle sich durchaus die Aufgabe, den ausländischen Einfluss auf die Moscheen in Deutschland zu kappen, um „die Gefahr einer möglichen Radikalisierung“ zu verringern, hieß es in der Antwort aus Schwerin. Mehrere Länder bekräftigten laut „Welt“, Moscheegemeinden in Deutschland sollten in der Lage sein, sich aus inländischen Quellen ausreichend zu finanzieren.

„Noch genau ansehen“

Ein Sprecher des Innenministeriums in Baden-Württemberg sagte der Zeitung, es bestehe die Gefahr der Einflussnahme von außen auf theologische Inhalte und die politische Meinungsbildung. „Im schlimmsten Fall werden radikalislamistische oder demokratiefeindliche Inhalte oder Bestrebungen gefördert.“ Einschränkend fügte er hinzu: „Ob eine Moscheesteuer dafür der richtige Weg ist, müssen wir uns freilich genau ansehen.“

Die deutsche Bundesregierung betrachtet die Moscheesteuer als „möglichen Weg“, um eine vom Ausland unabhängige Finanzierung von Moscheegemeinden zu gewährleisten. Gleichzeitig sah die Regierung selbst jedoch „keinen Handlungsbedarf“, weil Kirchensteuern nicht Zuständigkeit des Bundes seien.

Gemeinden von Spenden aus Ausland abhängig

In Deutschland sind islamische Gemeinden bisher vielfach von Spenden aus dem Ausland abhängig. Im Fokus stehen vor allem die Gemeinden des türkisch-sunnitischen Islamverbands DITIB, zu dem rund 900 Moscheen gehören. Ihnen wird vorgeworfen, regierungsnahe Imame aus der Türkei nach Deutschland zu entsenden, um politisch-ideologischen Einfluss zu nehmen.

Die „Welt“ hat nach eigenen Angaben alle 16 Bundesländer um eine Einschätzung gebeten. Zehn von ihnen hätten sich zurückgemeldet, sechs hätten die Anfrage zunächst unbeantwortet gelassen.

Aiman Mazyek, Vorsitzender des Zentralrats der Muslime in Deutschland

APA/AFP/Soeren Stache

Der Vorsitzende des Zentralrat der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek, findet eine durch Spenden finanzierte Moscheestiftung denkbar

Der Zentralrat der Muslime in Deutschland sprach sich Ende 2018 dafür aus, die derzeit zumeist unterfinanzierten Moscheegemeinden sollten in die Lage versetzt werden, „vernünftige, in Deutschland ausgebildete und deutschsprachige Imame“ zu beschäftigen. Dafür wäre jedoch auch eine durch Spenden finanzierte Moscheestiftung denkbar, sagte der Zentralratsvorsitzende Aiman Mazyek einer deutschen Zeitung. Hierfür könne der Staat Anreize setzen und organisatorische Unterstützung leisten.

Experte: "Gute Idee, aber „unrealistisch“

Expertinnen und Experten haben sich zuvor bereits kritisch über eine Moscheesteuer geäußert. Als "gute Idee, aber „unrealistisch und zurzeit überhaupt nicht umsetzbar“ bezeichnete etwa der deutsche Islamwissenschaftler Bülent Ucar Ende Dezember des Vorjahres im „Spiegel“: Demnach hält der Professor für Islamische Theologie und Religionspädagogik die Idee an sich für gut, „weil muslimische Gemeinden dadurch unabhängig von Zuwendungen aus dem Ausland wären. Außerdem gäbe es eine größere Transparenz hinsichtlich der Mitgliederzahlen, denn die Gläubigen müssten sich beim Einwohnermeldeamt registrieren.“

Nicht umsetzbar sei die Idee allerdings, weil die allermeisten muslimischen Gemeinden in Deutschland nicht als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannt seien, so Ucar. Dieser Status sei aber die Grundvoraussetzung, um eine Moscheesteuer analog zur Kirchensteuer erheben zu können.

Angst vor Religionsbehörde „nach türkischem Vorbild“

Hinter der fehlenden Anerkennung stecke oft „die mangelnde politische Unabhängigkeit“. So gab es immer wieder Kritik an DITIB, dem größten Moscheeverband in Deutschland, wegen seiner Nähe zur türkischen Regierung. Bei den Muslimen in Deutschland erlebe er ambivalente Reaktionen auf den Ruf nach einer Moscheesteuer, so Ucar: „Zwar sind sich alle einig, dass die Gemeinden mehr finanzielle Unterstützung benötigen. Aber viele Muslime misstrauen dem deutschen Staat, sie haben Angst vor zu viel Bevormundung. Manche befürchten, die Bundesregierung wolle eine Religionsbehörde nach türkischem Vorbild einrichten.“

Neben einer Moscheesteuer hält Ucar, der auch Mitglied der Deutschen Islamkonferenz ist, die Einrichtung von Stiftungen für denkbar: „Anstatt eines großen Wurfs würde ich aber kleinere, parallel laufende Modelle bevorzugen.“ Vor allem sollte die Integrationsarbeit in den muslimischen Gemeinden verstärkt staatlich gefördert werden. Auch müsse man in Deutschland „endlich“ eine Imam-Ausbildung ermöglichen, damit die Gemeinden nicht mehr auf ausländische Geistliche angewiesen seien.

Imamin: Lieber Pflichtabgabe als Grundlage

Die Gründerin der liberalen Moschee in Berlin, die Imamin Seyran Ates, lehnt eine vom Staat erhobene Moscheesteuer analog zur Kirchensteuer ab. „Es ist keine gute Idee, die aktuellen Verbände zu Körperschaften des öffentlichen Rechts zu erklären und eine Kirchensteuer-ähnliche Moscheesteuer einzuführen“, sagte Ates am 27. Dezember 2018 im ARD-„Morgenmagazin“.

Seyran Ates in der Berliner Ibn-Rushd-Goethe-Moschee

APA/AFP/John MacDougall

Seyran Ates erinnert an den „Zakat“

„Wir sollten das als Arbeitstitel nehmen und über neue Modelle nachdenken, wie wir das im Islam machen“, so Ates. Sie schlug vor, die zu den fünf Säulen des Islam gehörende soziale Pflichtabgabe „Zakat“ als Grundlage zu nehmen. „Darüber könnte man das besser regeln als wieder zu versuchen, den Islam zu verkirchlichen“.

Auslandsfinanzierung „riesengroßes Problem“

Sie verstehe die Forderung, über eine Moscheesteuer den Einfluss der aus dem Ausland finanzierten Islamverbände einzudämmen, sagte Ates. Die Auslandsfinanzierung müsse aufhören. Es sei ein „riesengroßes Problem, dass insbesondere über die Türkei und Muslimbrüder ein großer Einfluss auf die Muslime ausgeübt“ werde „und der Islam, wie wir ihn gerne in Europa hätten, und die Muslime sich weitestgehend nicht integrieren können in dieses Land“, sagte die Anwältin und Verfechterin eines liberalen Islam. „Sie werden immer noch von außen moderiert und finanziert.“

In ihrer in Berlin gegründeten Moschee beweise sie, dass es auch anders möglich sei, sagte Ates. Die Verbände müssten nun erklären, warum sie es nicht können, obwohl viele Geschäftsleute und Menschen mit viel Geld bei ihnen Mitglieder seien. „Wenn die Muslime überall einfordern, ihre Religion ausüben zu wollen (...), dann sollten sie sich besinnen auf ihre Pflichtabgabe, die bedeutet, vom reinen Kapitalvermögen 2,5 Prozent abzugeben.“

gril, religion.ORF.at/APA/AFP/KAP/KNA

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