Gleichstellung: Kirche hat junge Frauen „verloren“

Die römisch-katholische Kirche hat „vor allem gebildete junge Frauen verloren. Das ist eine Realität“, sagte die Theologin Regina Polak gegenüber religion.ORF.at. Auf die aktuellen Protestaktionen von Frauen für Gleichstellung in der Kirche müsse diese reagieren.

Junge Frauen haben durchaus Interesse an Spiritualität und religiösen Fragestellungen, sagte Polak, die seit knapp drei Jahrzehnten im Rahmen der Europäischen Wertestudie die Religiosität der Österreicherinnen und Österreicher erforscht. Dass die Kirche vor allem gebildete junge Frauen nicht gut erreichen könne, führt die Theologin auf die Situation der Frauen in der Kirche zurück. Die sei für viele schlichtweg „nicht besonders attraktiv“.

„Kein Zweifel“ an Priesterweihe nur für Männer

Anders als in den meisten evangelischen, in der altkatholischen und der anglikanischen Kirche, wo es selbst Bischöfinnen gibt, dürfen Frauen in der römisch-katholischen Kirche keine Weiheämter bekleiden. Vor 25 Jahren hielt Papst Johannes Paul II. in seinem Apostolischen Schreiben „Ordinatio sacerdotalis“ dann auch „kraft seines Amtes“ fest, dass es keinen Zeifel gebe, dass "die Kirche keinerlei Vollmacht hat, Frauen die Priesterweihe zu spenden, und dass sich alle Gläubigen der Kirche endgültig an diese Entscheidung zu halten haben.“

Pastoraltheologin Regina Polak

Kathbild/Franz Josef Rupprecht

Pastoraltheologin Regina Polak

Debatten über die Weihe von Frauen - etwa zumindest zu Diakoninnen - wurden und werden aber weiterhin geführt. Für Gleichstellung und für erneuerte Strukturen treten Katholikinnen in Deutschland und vereinzelt in Österreich nun öffentlichkeitswirksam mit einem Kirchenstreik unter dem Motto Maria 2.0 ein. Frauen betreten eine Woche lang keine Kirche und feiern stattdessen Gottesdienste auf den Kirchplätzen - das soll die Entscheidungsträger aufhorchen lassen.

Katholikinnen „hochgradig verärgert“

In Österreich hat eine Gruppe junger Theologinnen aus Tirol die Aktion „50 Tage 50 Frauen“ ins Leben gerufen, bei der sich Frauen seit Ostern bis Pfingsten jeden Tag auf der Website bleiben.erheben.wandeln für Gleichstellung und Wandel stark machen. Die Initiative wird vom Frauenreferat der Diözese Innsbruck unterstützt.

Sie bedienen sich unterschiedlicher Methoden, aber haben ähnliche Motive: Die Frauen, die sich für neue Kirchenstrukturen einsetzen „sind praktizierende, treue Katholikinnen, aber gleichzeitig sind sie auch hochgradig verärgert“, sagte Polak. Etwa darüber, dass sie mit im Boot sitzen, wenn die Kirche aufgrund von Missbrauchskrisen so viel Schaden nimmt, und dass sie sich rechtfertigen müssen, warum sie diese Strukturen überhaupt unterstützen. Strukturen, für die sie „nicht hauptverantwortlich“ sind, die letzlich Männer „zu verantworten“ haben.

Mit der anhaltenden Diskussion über Missbrauch kam auch eine Debatte über Macht und Hierarchie auf, die den Blick wieder verstärkt auf jene richten ließ, die in der Kirche eben kaum Macht besitzen - Frauen.

Forderungen „von radikal bis gemäßigt“

Frauen als Diakoninnen, Priesterinnen, Bischöfinnen aber auch das Aus für den Pflichtzölibat also den Zugang von verheirateten Männern zum Priesteramt sowie eine veränderte Sexualmoral der Kirche - die Forderungen an die Amtskirche, die von Frauen erhoben werden, sind vielfältig. Frauen - „das ist keine homogene Gruppe, auch nicht in der Kirche“, sagte Polak.

Das Spektrum der Forderungen gehe „von radikal bis gemäßigt“, aber im Zentrum stehe die Forderung nach einer „Teilhabe an Macht, Mitbestimmungs- und Gestaltungsmöglichkeiten – auch rechtlich und theologisch abgesichert“. Forderungen, die auch von Männern geteilt werden.

Mehrere Hundert Frauen und Männer bei einer Mahnwache vor dem Dom in Münster

APA/dpa/Carsten Linnhoff

Frauen und Männer in Münster bei einer Maria 2.0-Mahnwache

Es sei nicht so, dass Frauen in der Kirche nicht mitgestalten dürften, aber das Innehaben von Ämtern ermögliche andere Spielräume: „Wenn Frauen in der Krankenhausseelsorge tätig sind und jemanden in seiner Krankheit beim Sterben begleiten, dann ist es nicht möglich die Krankensalbung zu spenden, was absurd ist“, kritisiert Polak. Das Sakrament der Krankensalbung kann nur ein Priester spenden.

Kirche „kann und wird reagieren“

Für die katholische Kirche wäre die Zulassung von Frauen zu Weiheämtern mit einem „fundamentalen Kulturwandel“ verbunden. Doch „mit Blick auf die Entwicklungen in Europa, sowohl in der Gesellschaft als auch in der Kirche, führt kein Weg daran vorbei“, sagte Polak. Die Botschaft, die von Frauen durch unterschiedliche Aktionen ausgesandt wird, müsse ankommen und das werde sie auch, sagte Polak. „Schon allein deswegen, weil Papst Franziskus die Frage der Frauenförderung auch programmatisch als Leitlinie vorgegeben hat. Das kommt auch von oben, nicht nur von unten.“

Genaue Zeitangaben traue sie sich bei ihrer Kirche nie machen, doch die Theologin zeigte sich optimistisch: Römisch-katholische Diakoninnen werde sie, derzeit 52, noch erleben. Aber, sagte Polak: „Es ist schade, dass Frauen so einen Aufstand machen müssen, um gehört zu werden.“

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at

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