„Europabischof“: Kein neuer EU-Vertrag nötig

Skepsis gegenüber dem Vorschlag von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP), einen neuen EU-Vertrag auszuhandeln, hat „Europabischof“ Ägidius Zsifkovics geäußert. Dieser Schuss könne nach hinten losgehen.

„Es gibt doch schon beim Einhalten der bisherigen Verträge viel Luft nach oben“, betonte der Eisenstädter Bischof in einem Interview mit der Kooperationsredaktion österreichischer Kirchenzeitungen. „Würden wir uns gut daran halten, könnten wir viele der anstehenden Probleme heute besser lösen - auch ohne die Verträge zu ergänzen.“

Natürlich brauche jeder Vertrag ab und zu eine Adaptierung, räumte Zsifkovics ein. „Aber es wäre gefährlich, alles aufzuschnüren, weil Europa derzeit in einer instabilen Situation ist. Der Schuss mit einem neuen Vertrag könnte nach hinten losgehen.“

Erst gemeinsame Umsetzung des Beschlossenen

Seiner Einschätzung nach braucht es keine großen neuen Verträge, so der Bischof in dem Interview anlässlich der Wahl zum Europäischen Parlament am 26. Mai. Es gelte erst zu lernen, „gemeinsam umzusetzen, was wir bisher auch gemeinsam beschlossen haben“.

Europa-Bischof Ägidius Zsifkovics

kathbild/Franz Josef Rupprecht

„Europabischof“ Ägidius Zsivkovics tritt dafür ein, die Europäische Union als Friedensprojekt weiterzugestalten. Die römisch-katholische Kirche sieht er „jenseits des Nationalismus“

Warum die bevorstehende EU-Wahl so wichtig ist, begründete Zsifkovics mit der anstehenden Entscheidung: entweder Bereitschaft, mitgestalten zu wollen, „oder wir zeigen, dass es uns gleichgültig ist und wir in einem anonymen Desinteresse unsere Zukunft leben wollen“.

Für Fortbestand des „Friedensprojekts“

Er werbe dafür, ein eindeutiges Zeugnis dafür zu geben, „dass uns der Fortbestand dieses Friedensprojekts für eine gemeinsame Zukunft auf unserem Kontinent wichtig ist“. Dass von diesem Gründungsanliegen viel weniger die Rede sei als von Brexit-Chaos, politischen Entwicklungen in Ungarn oder der Korruption in Rumänien, erklärte Zsifkovics mit dem üblichen Fokus auf „bad news“: In der politischen Landschaft und in den Medien würden „stets negative Themen in den Vordergrund gestellt, weil man sich davon eigene Vorteile erhofft“.

Der in der Österreichischen Bischofskonferenz für Europaagenden zuständige Bischof würde sich stattdessen Wahlwerbung und Berichterstattung zu den Leistungen Europas wünschen. Seine Heimat zum Beispiel, das Burgenland, habe eindeutig von der EU profitiert. „Wir sind von einem Land am ehemaligen Eisernen Vorhang in die Mitte gerückt“, wies Zsifkovics hin. Die EU-Förderung als „Ziel 1“-Region habe viel bewirkt „und wir schulden Europa unsere Unterstützung“.

Kirche „jenseits des Nationalismus“

Der Bischof bestätigte die Einschätzung, dass die katholische Kirche hinsichtlich der Unterstützung für die europäische Einigung „in der ersten Reihe“ stehe. Das liege „in den Genen“ einer sich als weltumfassend verstehenden Glaubensgemeinschaft.

Die katholische Kirche stehe „jenseits des Nationalismus“, so Zsifkovics. Sie unterstütze zwar jede Nation und jede Sprache in ihrer Identität, aber das dürfe nie auf die Kosten des gemeinsamen Ganzen gehen. „Wenn wir in Europa diesen Weg gehen würden, hätten wir viele Sorgen heute nicht“, befand Zsifkovics. Seiner Überzeugung nach entspricht es auch dem Auftrag des Evangeliums, für ein gemeinsames Europa einzutreten.

Der Eisenstädter Bischof veranschaulichte seine positive Grundhaltung zu einem geeinten Europa an regelmäßigen persönlichen Empfindungen: „Ich fahre mehrmals in der Woche über Grenzen, die früher ein harter Eiserner Vorhang getrennt hat. Jedes Mal denke ich mir: Danke, Europa.“

religion.ORF.at/KAP

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