Bischof: Für Bolsonaro „existieren Indios nicht“

Der brasilianisch-österreichische Bischof Erwin Kräutler kritisiert, dass Brasiliens Staatspräsident Jair Bolsonaro die Amazonasregion vor allem als Wirtschaftsressource betrachte, sie für multinationale Konzerne öffne und die Rechte der Indigenen einschränke.

„Er denkt nur vom Export, von der wirtschaftlichen Dimension her. Die Indios existieren für ihn eigentlich nicht“, sagte der emeritierte Bischof von Altamira-Xingu im Interview des vatikanischen Onlineportals Vatican News (Freitag). „Ich sage auch ganz klar, er kennt Amazonien gar nicht“, fügte Kräutler mit Blick auf den seit Jänner amtierenden Staatschef hinzu.

Erwin Kräutler

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Bischof Erwin Kräutler

Der 79-jährige Kräutler, der von 1983 bis 1991 und später erneut von 2006 bis 2015 Präsident des Indigenenmissionsrats der brasilianischen Bischöfe (CIMI) war, rief zur internationalen Hilfe gegen eine solche Politik auf. „Es kann nicht sein, dass wir, statt nach vorne, zurückgehen und sagen, die Indios sollen - das war früher der Fall - in die so genannte nationale Gesellschaft integriert werden.“ Sie seien die Ersten, die dort gelebt haben.

Klimaregulierende Funktion

Angesichts der voranschreitenden Umweltzerstörung am Amazonas betonte Kräutler auch die klimaregulierende Funktion der Region für den ganzen Planeten. Ökologie sei letztlich eine „Frage des Überlebens“, so der Bischof: „Wir tragen Verantwortung für diese Schöpfung, die uns gegeben ist. Wir sind verantwortlich für die nächsten Generationen.“

Der aus Vorarlberg stammende Kräutler äußerte sich gegenüber Vatican News in Rom, wo er in diesen Tagen an einem vorbereitenden Treffen für die von 6. bis 27. Oktober im Vatikan stattfindende Amazonien-Synode teilnimmt. Dabei erstellten die Organisatoren der Synode den Grundlagentext für die Bischofsversammlung, das „Instrumentum Laboris“ (Arbeitsdokument).

Bischof Kräutler ist Mitglied des vorsynodalen Rates, der mit dem römischen Generalsekretariat der Bischofssynode bei der Vorbereitung der Synodenversammlung zusammenarbeitet. Bei der Synode soll es neben der Ökologie um Theologie und Seelsorge, um die Belange der Indigenen sowie um Menschenrechte gehen.

Kultur Indigener berücksichtigen

„Man kann schon sagen, dass wir einen ganz neuen Zugang speziell zu den indigenen Völkern wollen. Wir wollen ihre Kultur berücksichtigen“, sagte Kräutler zu den Themen der mit Spannung erwarteten Bischofsversammlung. Die besonderen Ausdrucksformen des Glaubens von Indigenen seien viel höher zu schätzen als bisher.

Indigene Frauen beim Treffen mit Papst Franziskus in Puerto Maldonado, Peru im Jänner 2019

Reuters/Alessandro Bianchi

Ausdrucksformen des Glaubens von Indigenen seien viel höher zu schätzen als bisher, so der Bischof (Indigene Frauen beim Treffen mit Papst Franziskus in Peru im Jänner 2019)

Der pastorale Zugang dürfe nicht wie früher sein, „mit dem Kreuz zu den Indios“ zu gehen, sondern man müsse davon ausgehen, was sie bereits haben, so der Bischof. „Der liebe Gott war vor uns da. Man muss einmal sehen, welche religiöse Erfahrung sie haben.“ Man könne von den Indigenen sehr viel lernen: „Sie haben immer noch das Wir-Empfinden. Der Natur gegenüber sind sie ganz anders eingestellt als wir.“

Keine „Männerkirche“ in Amazonien

Auch die Rolle von Frauen in der Seelsorge werde „hundertprozentig“ ein besonders zu behandelnder Punkt bei der Synode sein, sagte Kräutler weiter. „Ich kann mir unsere Kirche da drüben nicht vorstellen ohne die Frauen“, meinte er mit Blick auf das kirchliche Leben in der Amazonas-Region. In der Diözese Xingu würden zwei Drittel der rund 800 Gemeinden von Frauen geleitet.

„Meistens sind sie auch Lehrerinnen und übernehmen diese Verantwortung für die Gemeinden. Sie leiten den Wortgottesdienst mit allem Drum und Dran“, erklärte der Bischof: „Der Priester kommt zwei oder drei Mal im Jahr dorthin. Das ist eine Herausforderung sondergleichen.“ In Amazonien gebe es keine „Männerkirche“, sondern „eine Kirche, wo Männer und Frauen gleichberechtigt sind in der pastoralen Arbeit, und das muss berücksichtigt werden.“

Papst Franziskus habe die Synode einberufen „aus Liebe zu Amazonien“, fügte Kräutler hinzu. „Wir können jetzt nicht einfach so tun, als wäre das einfach eine Versammlung, wo ein paar Bischöfe zusammenkommen und sagen: ‚Ich bin dieser Meinung und du bist jener Meinung.‘ Ich glaube, wir müssen uns schon ‚zusammenraufen‘, damit wir zu einer Lösung kommen auch für die Frauen in der Kirche.“

„Ein paar Schritte weitergehen“

Das „Instrumentum laboris“ für die Synode werde jedenfalls ein durchaus spannungsreiches Dokument sein, meinte der Bischof im Gespräch mit Vatican News. „Für Unruhe wird sorgen, dass da zwei pastorale Linien aufeinanderprallen. Denn die Europäer sehen viele Dinge ganz anders als wir. Wir kommen von der Basis her, und das ist ein ganz anderer Zugang zu den Fragen.“ Ein Bischof müsse zuerst ein „hörender Bischof“ sein.

Auch sei der Ansatz von Papst Franziskus, nicht darauf zu warten, dass die Leute zu uns kommen, „sondern er will eine Kirche, die bis zu den äußersten Peripherien geht, und zwar nicht nur zu den geographischen, sondern den existenziellen“, erklärte Kräutler: „Da meine ich, muss die Synode ein paar Schritte weitergehen. Das hoffen wir einfach.“

religion.ORF.at/KAP

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