Landau: Um Land kümmern statt um Politiker

Die von „Ibizagate“ ausgelöste politische Krise in Österreich, die am Mittwoch zur Angelobung einer Übergangsregierung geführt hat, bewegt weiterhin auch Kirchenvertreterinnen und -vertreter.

Caritas-Präsident Michael Landau mahnte auf seinem Facebook-Account, in der aktuellen Regierungskrise gehe es nicht in erster Linie um die Zukunft einzelner Parteien oder um die Karriere von Politikern, sondern um die Zukunft des Landes und seiner Bürger. Ebenso stehe nicht das Ansehen einer Regierung, sondern das der gesamten Republik derzeit auf dem Spiel, schrieb Landau. „Zusammenhalt und Zuversicht“ hätten Österreich in den vergangenen Jahrzehnten groß gemacht und seien auch jetzt erforderlich.

Caritas-Präsident Michael Landau

Caritas/Maurice Shourot

Caritas-Präsident Michael Landau: Wichtige soziale Projekte weiterführen

Wichtig sei auch, wichtige soziale Projekte, die die Bundesregierung teils bereits begonnen habe, weiterzuführen. Landau nannte hier explizit den Zugang zu leistbarem Wohnraum, eine Arbeit, von der man leben kann, und die Zukunft der Pflege. Konkret wäre das aus Sicht der Caritas möglich durch Nachbesserungen bei der neuen Sozialhilfe etwa für kinderreiche Familien.

Rasche Rücknahme der 1,50-Euro-Regelung

Im Bereich Asyl und Integration empfahl Landau die „Rückkehr zur nötigen Sachlichkeit“ u. a. durch die möglichst rasche Rücknahme der 1,50-Euro-Regelung für gemeinnützige Arbeit von Asylwerbern, die der entlassene Innenminister Herbert Kickl seiner letzten Amtshandlung verordnet hatte. Diese auch von den Ländern mehrheitlich geforderte Rücknahme sei „keine Frage des Rechts, sondern eine Frage des Anstands“, unterstrich der Caritas-Präsident.

Das „Ibiza-Video“, das FPÖ-Vizekanzler Heinz-Christian Strache zum Verhängnis wurde, ist laut Landau „sicher alles andere als eine vertrauensbildende Maßnahme“. Als Staatsbürger wünsche er nun eine „Rückkehr zu einer Politik, die das Ansehen unseres Landes nicht weiter beschädigt“. Der Caritas-Präsident lobte in diesem Zusammenhang das Vorgehen von Bundespräsident Alexander Van der Bellen als „sehr besonnen und klar“.

Kritik an FPÖ-Landesrat

Zur raschen Ablöse eines umstrittenen FP-Landespolitikers - Gottfried Waldhäusl - rief der Präsident der Katholischen Aktion der Erzdiözese Wien, Walter Rijs, auf. Der in Niederösterreich u. a. für Asyl und Mindestsicherung zuständige Landesrat sei ein „mehr als problematischer FPÖ-Politiker, der seinen Kampf gegen Flüchtlinge und Asylsuchende ungehemmt weiterführt“.

Das nun leere Flüchtlingsheim in St. Gabriel bei Mödling - das im April Ziel der „Romaria“-Flüchtlingswallfahrt war - sei nur ein trauriges Ergebnis davon. Der Appell von Rijs an die niederösterreichische Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP): Sie möge hier „endlich die Konsequenzen ziehen“ und Waldhäusl mit einem anderen Ressort betrauen, „in dem er nicht so viel Schaden an den Menschen anrichten kann“.

Theologe fordert Berufsethos

Auf das notwendige Berufsethos von Politikern verwies Ulrich Körtner in einem Gastbeitrag für die „Wiener Zeitung“ (Donnerstag-Ausgabe). Die aktuellen Geschehnisse seien keine Staatskrise, aber dennoch eine „Krise der politischen Klasse“, schrieb der evangelische Theologe.

Eine Demokratie komme nicht aus ohne „Politiker, denen nicht nur auf Zeit Macht übertragen wird, sondern die Politik im Interesse der Allgemeinheit als Beruf ausüben und ihr Handwerk beherrschen“. Ehrbare Politiker - „statt Technokraten der Macht“ - hätten heute genauso Konjunktur wie sich auch nach der Finanz- und Bankenkrise 2008 ähnliche, nur scheinbar aus der Mode gekommenen Maßstäbe für Unternehmer als entscheidend gezeigt hätten.

Auch auf die Rolle der Kirchen, die sich bisher „auffallend zurückgehalten“ hätten, kam Körtner zu sprechen: Sie sollten zur Förderung dieses Berufsethos, zur Schärfung des Gewissens und zur ethischen Urteilsbildung beitragen und dabei nicht in die Rolle des Moralapostels fallen. Ihre „ureigenste Aufgabe“ aber sei, so Körtner, „für die politisch Verantwortlichen zu beten, oder anders gesagt: die Politiker ins Gebet zu nehmen.“ Ein derartiges Gebet könne öffentlich geschehen und sei dann ein religiöser, aber durchaus auch politischer Akt - „wenn dies nicht nur in frömmelndem Ton geschieht, sondern ganz konkret, die Probleme beim Namen nennend“.

„SPÖ und FPÖ wie Pilatus und Herodes“

Anders sieht dies der katholische Theologe Jozef Niewiadomski, der die Geschehnisse als Ausdruck einer derzeitigen „Katastrophe der Ethik“ bezeichnete. So angebracht die Rufe nach Besinnung auf ethische Standards auch seien, lasse sich das Geschehen dennoch nicht auf unverantwortete Praktiken Einzelner reduzieren.

„Es ist nicht so, dass in den letzten Monaten und Jahren bloß ethische Grundsätze durch alle Beteiligen auf diese oder andere Weise missachtet worden sind“, so der Innsbrucker Dogmatikprofessor in seiner „Kathpress“ übermittelten Stellungnahme. Vielmehr gebe es einen „Sog des Geschehens“, in den die Politiker wie auch die skandalisierte Öffentlichkeit hineingezogen würden und dessen Rationalität nun alle folgten.

„Sog des Geschehens“

Nur durch das Diktat dieses „Soges“ lasse sich auch erklären, „warum die SPÖ allen Ernstes überlegt, ob sie beim Misstrauensvotum zusammen mit der FPÖ den Kanzler stürzt“, so der Theologe, der hier Vergleiche zum Prozess gegen Jesus anstellte: Die zuvor verfeindeten Pilatus und Herodes seien dabei „Freunde“ geworden. Auch in der Apostelgeschichte werde eine „universale Zusammenrottung gegen Einzelne in der Situation der Krise“ geschildert, wobei alle Beteiligten von der Integrität ihres eigenen Handelns überzeugt seien. In der modernen Rationalität werde dies als „Sündenbockmechanismus“ bezeichnet.

Wo ethische Imperative zu wenig seien, gehe es vor allem um den „Umgang mit dem Versagen und der Katastrophe“, befand Niewiadomski, der bei dieser Bewältigung die Religion als „unersetzbare“ Kompetenz bezeichnete. In der Bibel gehe der Ruf nach Neubesinnung und Bekehrung „Hand in Hand mit der Feststellung, dass Menschen zur Bekehrung unwillig, oft gar unfähig sind“ und erlebtes Scheitern oft durch Abwälzen von Schuld überwinden versuchten. Die Kirche müsse in der Krise den Kern ihres Glaubens zum Vorschein bringen - und mehr liefern als moralische Zeigefinger, die bloß eine „Wiederholung dessen, was die ethische und politische Vernunft scheinbar diktiert“, seien.

Die Religion dürfe aus diesem Grund von der Gesellschaft nicht banalisiert werden, schlussfolgerte der Innsbrucker Theologe. „Eine liberale Kultur, in der die Pflege der Religion nicht nur privatisiert, sondern der Ethik entgegengesetzt wird, liefert die Menschen letztendlich an das trügerische Bewusstsein der Selbstgerechtigkeit, damit auch der Sündenbockjagd.“

religion.ORF.at/KAP

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