Suche nach Gläubigen mit „Gottes Influencerinnen“

Die christlichen Kirchen in Europa altern dramatisch. Um auch jenseits von Gottesdiensten und Pfarrheimen junge Menschen zu erreichen, haben mehr und mehr „Influencerinnen Gottes“ Internet und Soziale Netzwerke für ihre Botschaften entdeckt.

Unter ihnen kann Jana Highholder, 20-jährige Studentin aus Deutschland, als Star gelten. Sie will als „Gottes Influencerin“ auf YouTube und in Sozialen Netzwerken für den Glauben Stimmung machen - im Auftrag der Evangelischen Kirche Deutschland (EKD). Highholders Webauftritt unter anderem mit dem YouTube-Format „Jana glaubt“ ist ein Versuch der EKD, online junge Menschen zu erreichen. Dabei polarisiert sie auch.

Mit der Zahl ihrer Follower - auf YouTube sind es derzeit etwas über 15.000 - macht Highholder den Superstars unter den Influencerinnen und Influencern zwar kaum Konkurrenz - massentaugliche Make-up-Tipps, Mode und dergleichen sind eben nicht ihre Themen. Aber Highholder will über Gott und den Glauben diskutieren, und auf diesem Feld ist sie recht einflussreich. Dazu nutzt sie, was sie im Gespräch mit religion.ORF.at ihr „Talent zum Reden“ nennt.

Influencerin Jana Highholder

Verlag Herder GmbH/Tim Liss

Erfolgreiche christliche Influencerin: Jana Highholder

Glaube als „Fundament“

Einen Namen machte sich die Medizinstudentin schon mit 16 Jahren im Bereich Poetry-Slam, vor Kurzem veröffentlichte sie mit dem Band „heute ewig“ ihr bereits drittes Buch. Sympathisch, klug und eloquent kommt die junge Frau in den Videos rüber, wenn sie etwa Fremde auf der Straße zum Kaffee bittet oder einfach über ihren Alltag spricht: Lernen für Prüfungen oder Frieren in der überteuerten Studentenwohnung in Münster - damit können sich wohl viele junge Menschen identifizieren. Grundlegendes Thema ist aber immer der Glaube, „das Fundament“ ihres Lebens, wie sie selbst sagt.

„Ich glaube, ich kenne die beste Botschaft der Welt, und die will ich teilen“, sagte sie zu religion.ORF.at. Dabei ähnelt der Stil, mit jugendlichen Ausdrücken („Krass!“) von Highholders Videos durchaus denen anderer junger Influencerinnen. Hier beschäftigt sie sich mit Fragen wie „Muslime und Christen - wie verschieden sind wir?“ und „Darf sich ein Pastor tätowieren?“ „So, Leute, jetzt geht’s los“, sagt sie, bevor sie ihre zerfledderte, abgenutzte Bibelausgabe herzeigt. Die EKD hat die Zusammenarbeit mit ihr bis Ende des Jahres verlängert.

Pfarrerinnen in Social Media

Die Wiener evangelische Oberkirchenrätin Ingrid Bachler kennt auch in Österreich viele junge Menschen, darunter mehrere Pfarrerinnen, die in Social Media aktiv sind: Vikarin Julia Schnizlein wirbt per Twitter-Auftritt „juliandthechurch“ und auf Instagram für Gottesdienste und religiöse Inhalte. Iris Haidvogel, Pfarrerin in Gols im Burgenland, twittert gern auch über Politik und Feminismus. Mira Ungewitter, Pastorin der Baptistengemeinde Projekt: Gemeinde in Wien, wendet sich ebenfalls gern per Webvideos an Interessierte.

„Das Christentum war schon immer eine Medienreligion“, so Bachler zu religion.ORF.at: Sie erinnerte an die Tradition, Bibelgeschichten in Gemälden zu erzählen, aber auch in Form von Musik wie in Bachs Werken. Auch die heutige „digitale Welt“ ist für sie nicht abstrakt: „Es ist eine gute Idee für die Kirche, hier dabei zu sein“ und so auch Menschen, die nicht in die Gemeinde kommen, anzusprechen. Man dürfe sich vor Social Media „nicht fürchten“.

Die evangelische Oberkirchenrätin Ingrid Bachler

epdÖ/M. Uschmann

Die evangelische Oberkirchenrätin Ingrid Bachler hält den Austausch über das Internet für „etwas sehr Evangelisches“

Austausch und Kontroverse

Bachler hält den Austausch über das Internet, der „jeder und jedem offen steht“, ohnehin für „etwas sehr Evangelisches“, und zwar sowohl für die Gemeinschaft als auch in einer Kontroverse. Kontrovers geht es dann auch manchmal bei den jungen Influencerinnen zu. So führte etwa ein Videotalk Highholders mit einer jungen Pfarrerin zu Kritik. Es geht um das Familienbild der 20-Jährigen: Highholder vertrete offenbar die Ansicht, dass sich in der christlichen Ehe die Frau dem Mann unterordnen solle.

Das eigentlich sehr freundschaftliche Gespräch führte zu einem sehr kritischen Artikel der Pfarrerin in der deutschen „Zeit“ mit dem Titel „Die trojanische Influencerin“. Higholder vertrete Positionen, die eher freikirchlich-evangelikal anmuteten als in die etablierte evangelische Kirche zu passen, heißt es hier. Die Kritik zielt auch auf die EKD selbst beziehungsweise den Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP) ab, der hinter „Jana glaubt“ steht.

Die 20-Jährige selbst sieht zwischen der evangelischen und Freikirchen keinen wirklichen Unterschied, wie sie gegenüber religion.ORF.at sagte. Sie ist in einer Freikirche „aufgewachsen“, hier verwende man eben „klarere Ausdrücke“.

Müssen Frauen sich unterordnen? Gespräch mit Pfarrerin Hanna Jacobs

Kontroverse über Geschlechterbild

Was Geschlechtergleichheit angeht, so möchte sie Mann und Frau lieber als sich ergänzendes „Team“ sehen: „In der Ergänzung hat jeder seine Funktion - Mann und Frau sind gleichwertig, aber nicht austauschbar.“ Sie sei „überzeugt, dass alle Stärke, Begabungen in sich tragen“. Die Kritik, die auch die EKD traf, habe sie nach dem als freundlich und respektvoll empfundenen Gespräch nicht ganz verstanden. Was nachher geschehen ist, „hat Gräben aufgerissen, die nicht hätten da sein müssen“.

Buchcover "heute ewig" von Jana Highholder

Herder Verlag

Buchhinweis

Jana Highholder: Heute ewig. Texte, die in den Kopf gehen und ins Herz. Herder Verlag, 104 Seiten, 12,40 Euro.

Einen etwas anderen Weg beschreitet die deutsche Influencerin Li Marie - sie lässt Interessierte unter anderem an ihrem Liebesleben teilhaben. Obwohl (oder gerade weil) es sich in ihren einigen Videos, mit oder ohne ihren Freund, nur darum dreht, eben keinen Sex zu haben, sind Beiträge wie „Kein Sex vor der Ehe 1-3“ (mit Tipps zur Enthaltsamkeit) bei Weitem ihre erfolgreichsten.

„Hey, es gibt diesen Gott“

Für Highholder ist das „nicht mein Schlachtfeld, auf dem ich kämpfe. Mir ist wichtig, diese Botschaft zu verbreiten: ‚Hey, es gibt diesen Gott, er ist nahbar, real und uns schon weit voraus, wir müssen ihm hinterherkommen, auch bei der Social-Media-Präsenz - er ist nicht von gestern, sondern etwas für jeden Einzelnen.‘“

Bei junge Leuten sieht sie noch „super viel Potenzial“: „Ich glaube, dass gerade eine junge Generation aufwächst, die sich vielleicht mit ihrem christlichen Glauben, mit ihren von der Gesellschaft konservativ benannten Haltungen gar nicht so traut, sich zu positionieren.“ Sie würden als komisch abgestempelt.

Wer jetzt keine Medienpräsenz habe, „der verpasst die nächsten Generationen“. Wenn sie die jungen Leute nicht in die Gottesdienste bringen könne, „dann will ich Gottesdienst zu den Menschen bringen. Ich bin überzeugt, dass Gott sich finden lässt - und das auch über YouTube, auch über Google, auch über Instagram - Gott lässt sich finden.“

Johanna Grillmayer, religion.ORF.at

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