Gemeinsames Gebet von Juden und Muslimen

Zum Auftakt einer traditionell jüdischen Pilgerreise sind in der ältesten Synagoge Afrikas auf der tunesischen Insel Djerba Juden und Muslime zum gemeinsamen Beten zusammengekommen.

Die alljährliche Wallfahrt von Juden fällt in diesem Jahr erstmals seit 1987 mit dem muslimischen Fastenmonat Ramadan zusammen. Um für friedliche Koexistenz einzutreten, fand dazu am Mittwochabend ein gemeinsames Fastenbrechen statt.

In den vergangenen 20 Jahren haben sich dem französischen Historiker Dominique Jarasse zufolge immer mehr Muslime der Pilgerreise von Juden in die Ghriba-Synagoge auf Djerba angeschlossen. „Lange Zeit waren sie Zuschauer.“ Doch inzwischen hätten sie sich das Fest angeeignet: aus politischen Gründen, da die Menschen zeigen wollten, wie tolerant Tunesien sei, aber auch aus touristischen Gründen, da die Synagoge ein Kulturerbe sei. Die Wallfahrt sei für die Muslime aber auch „unbestreitbar ein Akt des Glaubens“.

Zwei muslimische Frauen lachen mit einem Rabbiner in der tunesischen Synagoge Ghriba.

Reuters/Ahmed Jadallah

Die Ghriba-Synagoge gilt als Symbol für die Toleranz in Tunesien

„Akt des Glaubens“

Die muslimische Pilgerin Afef Ben Yedder sagte, bei einem Besuch des Gotteshauses vor fünf Jahren seien ihre Bitten erfüllt worden. In diesem Jahr sei sie mit ihrer Kindheitsfreundin Karen zurückgekommen, einer nach Frankreich ausgewanderten Jüdin.

Seit der Unabhängigkeit Tunesiens von Frankreich 1956 ist die Zahl der Juden von rund 100.000 auf geschätzt 1.500 gesunken. Die meisten von ihnen leben heute auf Djerba. Die Ghriba-Synagoge ist einem Mädchen gewidmet, der „Ghriba“, das angeblich von einem Blitz getötet wurde und Wünsche nach Fruchtbarkeit, Eheglück und Gesundheit erfüllen soll.

Vor der Synagoge hatte sich im April 2002 ein Selbstmordattentäter in die Luft gesprengt und 21 Menschen in den Tod gerissen. Unter den Opfern waren auch 14 Deutsche.​

religion.ORF.at/APA/AFP