Missbrauchsvorwürfe gegen drei Brüder von Taize

In der christlichen Gemeinschaft von Taize gibt es Hinweise, dass drei Mitglieder vor Jahrzehnten Jugendliche sexuell missbraucht haben. Das machte die Gemeinschaft am Dienstagabend öffentlich.

Demnach haben sich fünf Betroffene an die im französischen Burgund ansässige Gemeinschaft gewandt. Es gehe um jeweils ein oder zwei Fälle sexualisierter Gewalt gegen Minderjährige aus den 1950er bis 1980er Jahren. Hinweise auf Vergewaltigungen bestünden nicht, sagte ein Sprecher.

Zwei der beschuldigten Männer sind den Angaben zufolge seit mindestens 15 Jahren tot, der dritte lebt weiterhin in Taize. Er sei bereits „seit längerem“ nicht mehr an der Organisation der Taize-Jugendtreffen beteiligt. Zur Nationalität von Beschuldigten und Opfern machte die ökumenische Gemeinschaft unter Verweis auf den Persönlichkeitsschutz keine Angaben.

Staatsanwaltschaft informiert

In Rücksprache mit den Betroffenen, die sich teilweise bereits vor mehreren Jahren an die Gemeinschaft wandten, wurde jetzt die Staatsanwaltschaft informiert, wie der Leiter der Gemeinschaft, Frere Alois, mitteilte.

„Diese Offenlegung ist Teil unserer Suche nach Wahrhaftigkeit, die damit begonnen hatte, dass wir den Betroffenen zuhören.“ Die Sorge um die Opfer stehe im Mittelpunkt, zugleich wolle er möglichen weiteren Opfern Mut machen, sich zu melden, so Frere Alois weiter. „Wir werden ihnen zuhören und sie bei den Schritten unterstützen, die sie unternehmen möchten.“

Die Gemeinschaft kündigte an, ihre Präventionsarbeit auszuweiten. Es gehe darum, alle „wirksam zu schützen, die uns dadurch, dass sie nach Taize kommen, ihr Vertrauen schenken“. Unter anderem sei es bereits seit längerem die Regel, dass Einzelgespräche nur an den dafür vorgesehenen, einsehbaren Orten geführt werden.

E-Mail-Adresse für Verdachtsfälle

Auf der Internetseite verweist die Gemeinschaft auf unabhängige Opferberatungen. 2010 wurde eine eigene E-Mail-Adresse eingerichtet, über die Verdachtsfälle gemeldet werden können. Zudem hat die Gemeinschaft einen Bruder und mehrere Männer und Frauen außerhalb der Gemeinschaft als Ansprechpersonen benannt. Darüber werde jeder Besucher von Taize beim Beginn seines Aufenthalts informiert, so der Taize-Sprecher.

Seit den 1970er Jahren kommen jedes Jahr Tausende Jugendliche aus Frankreich, Deutschland und ganz Europa nach Taize. Zuletzt waren es jährlich rund 70.000. Viele nehmen für mehrere Tage oder Wochen am geistlichen Programm der Gemeinschaft teil. Neben Gebeten und Gottesdiensten steht der Austausch über religiöse Fragen im Zentrum.

Der 1944 von Frere Roger Schutz gegründeten Gemeinschaft gehören aktuell rund 100 Männer aus 25 Staaten an. Drei Viertel leben in Taize, ein Viertel in verschiedenen kleinen Niederlassungen in Asien, Afrika und Südamerika. Leiter der ökumenischen Gemeinschaft ist seit 2005 der aus Stuttgart stammende Frere Alois Löser (64).

Ordensfrau begrüßt Vorgehen

Die Präsidentin der Konferenz der Ordensmänner und -frauen in Frankreich (CORREF), Veronique Margron, hat den offenen Umgang der Taize-Gemeinschaft mit den Missbrauchsfällen begrüßt. „Ein wahrheitsgemäßer Ansatz trägt zur Glaubwürdigkeit des Ortes bei“, sagte sie der französischen Zeitung „La Croix“ am Mittwoch in Paris. Dieses Vorgehen stärke das Vertrauen viel mehr als die Aussage, Missbrauch sei bei der christlichen Taize-Gemeinschaft kein Problem. „Verlässlich zu sein heißt, verantwortlich zu sein, zu erkennen, dass man einen Teil der Sünden und sogar der Fehler trägt, ohne zu versuchen, die Realität zu seinem Vorteil zu rekonstruieren“, so Margron.

Die CORREF-Präsidentin war während des Aufarbeitungsprozesses von der Gemeinschaft konsultiert worden. „Sie haben entschieden nun darüber zu reden, um zu zeigen, dass sie die Zeugenaussagen der Opfer immer sehr ernst genommen haben“, sagt sie. Laut Margron ist es die erste Gemeinschaft, die sich „proaktiv“ für einen offenen Umgang mit den Missbrauchsfällen entscheidet. Dies auch aus Respekt und Verantwortungsbewusstsein für die Tausenden jungen Menschen, die jedes Jahr willkommen seien in Taize, so Margron. Zudem sagte Frere Löser, dass es keine „schlechten Geheimnisse“ zwischen den Brüdern geben solle.

religion.ORF.at/KAP/KNA

Links: