Kritik nach „Segensgebet“ für Kurz in der Stadthalle

Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) hat am Sonntag in der Wiener Stadthalle ein „Segensgebet“ des evangelikalen Predigers Ben Fitzgerald entgegengenommen. Seither hagelt es Kritik. Die katholische Kirche versteht diese nicht, wie es am Montag hieß.

Sowohl ÖVP-Obmann Kurz als auch die Veranstalter des religiösen Großevents „Awakening Europe“ müssen sich seit Sonntag einiges an Kritik anhören. Auf der Großveranstaltung war unter anderen auch Kardinal Schönborn aufgetreten. Kritiker sehen in dem Gebet einen Missbrauch der Religion für Wahlkampfzwecke.

Angesichts der Kritik bezeichnete Kurz’ Sprecher das Segnungsgebet als „spontane Idee von Ben Fitzgerald im Rahmen dieser ökumenischen Veranstaltung“. Auch Kurz selbst verteidigte seine Teilnahme am ökumenischen Großevent „Awakening Europe“. Er habe „nichts Verwerfliches gesagt“, meinte der ÖVP-Chef bei einer Pressekonferenz am Montag. Vom „Segensgebet“ sei er selbst überrascht gewesen: „Ich wusste davon nichts.“ Gegründet wurde „Awakening Europe“ von Fitzgerald, der selbst angibt, als früherer Drogendealer Jesus begegnet zu sein.

Katholische Kirche versteht Kritik nicht

Die katholische Kirche kann die Kritik am „Segensgebet“ für Kurz ebenfalls nicht nachvollziehen. „Ganz klar ist mir die Kritik nicht“, sagte Michael Prüller, Pressesprecher der Erzdiözese Wien, am Montag zur APA. „Wir sind als Christen aufgefordert, für Politiker zu beten“, sagte er.

Eine parteipolitische Vereinnahmung konnte Prüller nicht erkennen. Das Gebet habe weder Kurz’ Partei gegolten noch habe man für seinen Erfolg gebetet. Es habe sich außerdem um eine ökumenische Veranstaltung gehandelt, die katholische Kirche sei daran nicht offiziell beteiligt gewesen, wies er Kritik an der katholischen Kirche zurück. Es hätten lediglich Vertreter daran teilgenommen, darunter eben auch Kardinal Schönborn.

Gebet „spontane Idee“

Der Hauptorganisator der österreichischen Veranstaltung, Chris Pöschl, bestätigte gegenüber religion.ORF.at die „spontane Idee“ Fitzgeralds für den Segen. Was in den USA gang und gäbe ist, ist in Österreich aus guten Gründen unüblich: Politik und Religion in dieser Art zu vermischen. Für Pöschl steht dennoch die christliche Pflicht, für Politiker zu beten, im Vordergrund. Man hätte auch für andere Politiker gebetet, so der freikirchliche Pastor - egal welcher Partei. Die Einladung an den damaligen Bundeskanzler Kurz sei schon vor sechs Monaten erfolgt, eine Ausladung sei nicht infrage gekommen, so Pöschl zu religion.ORF.at.

Für Kurz sei es keine Wahlkampfveranstaltung gewesen, betonte Pöschl. „Sonst hätte er ja die Medien eingeladen.“ Und doch nahm Kurz auf die Ereignisse der jüngsten Vergangenheit Bezug. Er dankte den rund 10.000 Teilnehmern bei dem Event für ihren Einsatz „für eine Gesellschaft, in der es Zusammenhalt gibt, wo Menschen für einander da sind und wo Glaube auch ein Rolle spielt“. Österreich habe in den letzten Wochen zwar einige „Turbulenz“ durchgemacht, das ehrenamtlich Engagement vieler lasse ihn allerdings hoffen, denn der Einzelne könne durch seinen Einsatz einen „Unterschied machen“. Laut Pöschl sieht Kurz sich als nächster Bundeskanzler.

Warnung vor „Missbrauch des Gebets“

In Sozialen Netzwerken mussten sich Kurz und die Veranstalter des Großevents dafür Kritik gefallen lassen - und zwar auch von kirchlicher Seite. So warnte die Direktorin der evangelischen Diakonie, Maria Katharina Moser, vor einem „Missbrauch des Gebets“ für Wahlkampfzwecke: „Die Kirchen sollten sich hüten, sich vor den parteipolitischen Karren spannen zu lassen, egal welcher Partei“, schrieb sie auf Twitter.

Und ihr Kollege von der katholischen Caritas, Präsident Michael Landau, verwies angesichts der Inszenierung auf offener Bühne schlicht auf das Gebot des Matthäus-Evangeliums, im Privaten zu beten („Du aber geh in deine Kammer, wenn du betest, und schließ die Tür zu“). „Von Stadthalle steht da nichts.“

Bünker: Religion „nicht missbrauchen“

Auch die Evangelische Kirche Österreich meldete sich am Montag mit einer Aussendung zum Thema: An dem „christlichen Großevent, das unter dem Titel ‚Awakening Austria‘ in der Wiener Stadthalle am Sonntag zu Ende gegangen ist, war die Evangelischen Kirche in Österreich nicht beteiligt“, so der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker „zur Vermeidung von Missverständnissen“.

Zum Veranstalter aus dem freikirchlichen und charismatischen Raum, der Organisation „Awakening Europe – Initiative zur geistlichen Erneuerung Europas in Christus“, gebe es keine offiziellen Verbindungen, so der Bischof.

Unterscheidung von Religion und Politik

Es sei „selbstverständlich“, so Bünker, „dass wir für alle politischen Amtsträgerinnen und Amtsträger beten. Die Bibel beauftragt uns, sie ins Gebet zu nehmen.“ Dabei sei jedoch die Unterscheidung von Religion und Politik wichtig, sie entspreche der lutherischen Zweireichelehre. „Es muss der Eindruck vermieden werden, dass dadurch einseitig Stellung genommen wird“, warnte der Bischof. Religion dürfe nicht für politische Zwecke missbraucht werden.

Vor dem Hintergrund der Wahlwerbung der „Freikirchen in Österreich“ für den ÖVP-Chef fordert die „Initiative Religion ist Privatsache“ umgehend die gesetzliche Aberkennung der öffentlich-rechtlichen Rechtspersönlichkeit dieser Religionsgemeinschaft.

Problematischer „Heilsexklusivismus“

Skeptisch hat der Wiener Pastoraltheologe Johann Pock unterdessen den „Awakening Austria“-Event beurteilt. Er sprach auf der theologischen Feuilleton-Seite feinschwarz.net u. a. von einem fast sektenartigen „Heilsexklusivismus“, der hier vermittelt werde, und der in der katholischen Kirche längst überwunden sei. Rettung und Heil gebe es demnach vermeintlich nur innerhalb der freikirchlichen Gemeinschaft.

Fitzgerald, der das „Segensgebet“ für Kurz initiiert hatte, habe laut eigenen Angaben zudem 2014 von Jesus selbst den Auftrag erhalten „Europa zurückzuerobern“. Es sei die Aufgabe der Christen, die Kirchen wieder zu einen, um Gottes Plan für ihre Nationen durchzusetzen. Dies sei „eine unheilvolle Verbindung von kirchlichem und politischem Anspruch“, so Pock.

„Arschtritt“ von der Kirche

Der frühere NEOS-Chef Matthias Strolz reagierte auf die Kurz-Segnung auch mit Kritik an der katholischen Kirche: „Als kritischer Katholik am Rande der Kirche hab ich gestern einen Arschtritt bekommen“, so Stolz auf Twitter. Er wisse noch nicht, wie er den nehmen solle: „Scheinheiligkeit, Doppelbödigkeit, Naivität, verunfalltes Pop-Event oder Aufforderung zum Austritt ...“

„Sehr befremdlich“ findet dagegen die FPÖ den gemeinsamen Auftritt von Kurz und Prediger Fitzgerald. „Mit diesem sektenähnlichen Verhalten wurde eine klare Grenze überschritten. Wenn jemand wie Fitzgerald nach einer Drogendealerkarriere behauptet, Jesus getroffen zu haben, und dann 10.000 Menschen in der Wiener Stadthalle auffordert, Sebastian Kurz zu huldigen, ist das nicht nur peinlich, sondern bedenklich“, so Generalsekretär Christian Hafenecker in einer Aussendung. Er erinnerte Kurz daran, dass in Österreich die Trennung von Staat und Kirche gelebt werde. „Ein Spitzenpolitiker sollte sich daher für eine solche Aktion nicht hergeben“, befand Hafenecker.

religion.ORF.at/APA

Mehr dazu:

Links: