„Segensgebet“: Veranstalter sehen Nerv getroffen

Die Veranstalter des „Segengebets“, an dem auch Ex-Kanzler und ÖVP-Chef Sebastian Kurz teilgenommen hat, sehen das starke mediale Echo als Bestätigung dafür, einen Nerv getroffen und ein Bedürfnis erfüllt zu haben.

Eingeladen hätte man auch Politiker anderer Fraktionen, heißt es in einer Aussendung vom Dienstag. Dass es just Kurz war, hängt laut Awakening Europe Österreich damit zusammen, dass er zur Zeit der Einladung Regierungschef gewesen sei: „Wir hätten auch jeden anderen Bundeskanzler eingeladen, ganz egal welcher Partei er oder sie zugehört“, heißt es in einer Aussendung.

„Keineswegs politischer Programmpunkt“

Da Kurz nach erfolgter Zusage nicht mehr Bundeskanzler gewesen sei, habe man sein Kommen in keiner Weise kommuniziert: „Auch das sollte unterstreichen, dass es sich keineswegs um einen politischen Programmpunkt handelte.“ Überdies sei bei Awakening Europa für alle Verantwortlichen Österreichs, also auch für alle Politiker mehrfach gebetet worden. Das Gebet für Kurz sei eine spontane Idee Ben Fitzgeralds und mit dem Ex-Kanzler nicht abgesprochen gewesen.

Was in den USA gang und gäbe ist, ist in Österreich aus guten Gründen unüblich: Politik und Religion in dieser Art zu vermischen. Für den Hauptorganisator der österreichischen Veranstaltung, Chris Pöschl, steht dennoch die christliche Pflicht, für Politiker zu beten, im Vordergrund, wie er religion.ORF.at am Montag sagte.

Eingangsbereich der Wiener Stadthalle

APA/Bildagentur Zolles KG/Christian Hofer

Die Stadthalle Wien war am Sonntag Schauplatz eines „Segensgebets“ für Ex-Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP)

Kurz hatte am Sonntag an der Großveranstaltung in der Wiener Stadthalle teilgenommen und auf der Bühne gesprochen. Der evangelikale Prediger Fitzgerlad aus Australien begann am Ende des Auftritts mit einer Segnung und einem gemeinsamen Gebet für den ehemaligen Regierungschef. Das sorgte für harsche Kritik von Religionsvertreterinnen und Religionsvertretern sowie politisch Verantwortlichen.

„Missbrauch des Gebets“

In Sozialen Netzwerken mussten sich Kurz und die Veranstalter des Großevents dafür Kritik gefallen lassen. Die Direktorin der evangelischen Diakonie, Maria Katharina Moser, warnte vor einem „Missbrauch des Gebets“ für Wahlkampfzwecke: „Die Kirchen sollten sich hüten, sich vor den parteipolitischen Karren spannen zu lassen, egal welcher Partei“, schrieb sie auf Twitter.

Und ihr Kollege von der katholischen Caritas, Präsident Michael Landau, verwies angesichts der Inszenierung auf offener Bühne schlicht auf das Gebot des Matthäus-Evangeliums, im Privaten zu beten („Du aber geh in deine Kammer, wenn du betest, und schließ die Tür zu“). „Von Stadthalle steht da nichts.“

Die evangelische Kirche in Österreich distanzierte sich von der Veranstaltung, der lutherische Bischof, Michael Bünker betonte, dass es seitens der evangelischen Kirche keine offiziellen Verbindungen zum Veranstalter aus dem freikirchlichen und charismatischen Raum gebe.

„Arschtritt“ von der Kirche

Der frühere NEOS-Chef Matthias Strolz reagierte auf die Kurz-Segnung auch mit Kritik an der katholischen Kirche: „Als kritischer Katholik am Rande der Kirche hab ich gestern einen Arschtritt bekommen“, so Stolz auf Twitter. Er wisse noch nicht, wie er den nehmen solle: „Scheinheiligkeit, Doppelbödigkeit, Naivität, verunfalltes Pop-Event oder Aufforderung zum Austritt ...“

„Sehr befremdlich“ findet dagegen die FPÖ den gemeinsamen Auftritt von Kurz und Prediger Fitzgerald. „Mit diesem sektenähnlichen Verhalten wurde eine klare Grenze überschritten. Wenn jemand wie Fitzgerald nach einer Drogendealerkarriere behauptet, Jesus getroffen zu haben, und dann 10.000 Menschen in der Wiener Stadthalle auffordert, Sebastian Kurz zu huldigen, ist das nicht nur peinlich, sondern bedenklich“, so Generalsekretär Christian Hafenecker in einer Aussendung.

Katholische Kirche versteht Kritik nicht

Die katholische Kirche konnte die Kritik am „Segensgebet“ für Kurz nicht nachvollziehen. Michael Prüller, Pressesprecher der Erzdiözese Wien, sagte am Montag zur APA: „Wir sind als Christen aufgefordert, für Politiker zu beten“, sagte er. Eine parteipolitische Vereinnahmung konnte Prüller nicht erkennen. Es habe sich außerdem um eine ökumenische Veranstaltung gehandelt, die katholische Kirche sei daran nicht offiziell beteiligt gewesen, wies er Kritik an der katholischen Kirche zurück. Es hätten lediglich Vertreter daran teilgenommen, darunter eben auch Kardinal Schönborn.

Gründer soll Jesus begegnet sein

Gegründet wurde „Awakening Europe“ von Fitzgerald, der selbst angibt, als früherer Drogendealer Jesus begegnet zu sein. Der Wiener Pastoraltheologe Johann Pock beurteilte den „Awakening Austria“-Event sehr skeptisch. Er sprach auf der theologischen Feuilleton-Seite feinschwarz.net u. a. von einem fast sektenartigen „Heilsexklusivismus“, der hier vermittelt werde, und der in der katholischen Kirche längst überwunden sei. Rettung und Heil gebe es demnach vermeintlich nur innerhalb der freikirchlichen Gemeinschaft.

Fitzgerald, der das „Segensgebet“ für Kurz initiiert hatte, habe laut eigenen Angaben zudem 2014 von Jesus selbst den Auftrag erhalten „Europa zurückzuerobern“. Es sei die Aufgabe der Christen, die Kirchen wieder zu einen, um Gottes Plan für ihre Nationen durchzusetzen. Dies sei „eine unheilvolle Verbindung von kirchlichem und politischem Anspruch“, so Pock.

religion.ORF.at/APA

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