Glettler: Erneuerung mit anderem Lebensstil

Die dringend nötige Erneuerung in Politik, Gesellschaft und Kirche könne nur mit einer Änderung des Lebensstils und der Bereitschaft zum Teilen gelingen, sagte der Innsbrucker Bischof Hermann Glettler am Mittwoch.

Diese Überzeugung brachte er beim Festgottesdienst zum Abschluss der dreitägigen Sommervollversammlung der Bischofskonferenz in Mariazell zum Ausdruck. Änderungen seien nötig und möglich, betonte der Innsbrucker Bischof in seiner Predigt und plädierte gleichzeitig für einen barmherzigen Umgang miteinander und eine innere Befreiung „vom Diktat des Äußeren“. Die Messe mit den heimischen Bischöfen und zahlreichen Gläubigen in der Mariazeller Basilika feierte auch der neue Apostolische Nuntius in Österreich, Erzbischof Pedro Lopez Quintana, mit.

An den Themen Klimawandel, Bekämpfung von Armut und Friedenssicherung komme niemand mehr vorbei, konkretisierte Bischof Glettler die wesentlichen Herausforderungen der Gegenwart und sagte: „Ohne eine Erneuerung politischer Kultur wird es keine gute Entwicklung unserer Gesellschaft geben. Und ohne eine ernsthafte Veränderung unseres Lebensstils werden wir unseren geschundenen Planeten Erde in die finale Erschöpfung treiben.“

Gegen „Diktat des Äußeren“

Als problematisch bewertete Glettler ein immer mehr um sich greifendes „Diktat des Äußeren“. Es gehe in allen Lebensbereichen zusehends „um die coole, ansprechende Selbstrepräsentation. Das öffentliche Auftreten muss inszeniert sein. Auch Politik wird zunehmend von PR-Agenturen bestimmt. Ehrlichkeit und Authentizität kommen unter die Räder“. Die „nervenden Fragen nach einer Optimierung des Äußeren“ trieben nicht nur junge Leute in die Krise, so der Bischof.

„Wir brauchen dagegen eine innere, spirituelle Erneuerung, eine ernsthafte Stärkung des inneren Menschen, um den wirklichen Herausforderungen unserer Zeit gerecht werden zu können“, hielt Glettler diesem Trend entgegen. Nötig sei eine neue Kultur eines menschlichen und barmherzigen Umgangs miteinander und die Haltung, dass man Fehler machen und Schwäche zeigen dürfe. Glettler plädiert daher für eine „Soulfitness“, die sich in innerer Stärke und Gelassenheit verbunden mit der Gabe zur Unterscheidung und Wahl des Guten zeige.

Lebensmittel teilen

Als entscheidend für den nötigen Wandel in Gesellschaft und Politik erachtet der Innsbrucker Bischof die Bereitschaft zum Teilen. „Sharing“ sei eine „notwendige Überlebensstrategie“ und es gebe bereits ermutigende Initiativen dafür. Als Beispiel erwähnte Glettler das „foodsharing.network“, eine Plattform zum Verteilen abgelaufener Lebensmittel.

Auch innerhalb der Kirche müsse die Bereitschaft zum Teilen materieller Güter und spiritueller Erfahrungen wachsen. „Wer großzügig teilt, wird immer über die notwendigen Mittel und Ressourcen verfügen“, so Glettler. Geistliches Sharing sei ein bewusster Akt von „Anteil-nehmen und Anteil-geben“, denn: „Christsein ist keine Privatveranstaltung.“

„Aussäen Akt des Vertrauens“

Zudem brauche es bei den angestrebten Erneuerungen die Bereitschaft, schon heute großzügig auszusäen. Die Kirche müsse mit dem ihr von Gott anvertrauten geistlichen Saatgut großzügig umgehen. „Wir dürfen dabei keine Zeit verlieren. Das Aufgehen der Saat jedoch liegt nicht in unserer Hand, auch nicht der Ertrag und die Ernte“, sagte der Bischof.

Aussäen sei nämlich ein Akt des Vertrauens: „Wer sät, muss das Saatgut loslassen, aus der Hand gleiten lassen. In dieser Weise entgleitet uns als Kirche aktuell so manche vertraute Gestalt. Wir müssen aussäen im Wissen, dass die Gestalt des Neuen uns überraschen wird. Vom Aussehen des Saatgutes können wir nicht auf das Neue schließen. Aussäen gibt es nicht ohne Verzicht auf eine letzte Kontrolle und Verfügungsmacht“, erklärte Glettler. Nur in dieser Haltung könne es der Kirche gelingen, „Zukunft zu säen“.

religion.ORF.at/KAP

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