Oberrabbiner Arie Folger kündigt

Oberrabbiner Arie Folger hat am Montag überraschend seine Kündigung bekanntgegeben. Das bestätigte die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) Wien am Dienstag.

Die Kündigung sei einvernehmlich und auf Wunsch Folgers aus persönlichen Gründen erfolgt, wie in einer am Montag vom Kultusvorstand der IKG an Gemeindemitglieder versendeten E-Mail steht, die religion.ORF.at vorliegt. Einen Teil seiner Tätigkeiten werde er kurzfristig einstellen, etwa im Wiener Stadttempel.

Auf Ersuchen der Rabbiner des Bet Din (Rabbinergericht) bleibe Folger Mitglied dieses Gremiums und werde insbesondere bereits laufende Verfahren weiter betreuen, hieß es. Auch im Bereich der Kaschrut-Zertifizierungen (Speisevorschriften) bleibt er tätig. Seine Tätigkeit als Oberrabbiner ist hingegen ab sofort beendet.

Stadttempel „uneingeschränkt“ in Betrieb

Sowohl für den Stadttempel als auch für das Rabbinat seien konkrete Schritte eingeleitet worden, um einen reibungslosen Betrieb zu gewährleisten. In den nächsten Tagen sollen die Details gemeinsam mit dem Tempelvorstand bzw. mit Mitarbeitern des Rabbinats finalisiert werden.

Der Wiener Oberrabbiner Arie Folger

APA/Roland Schlager

Arie Folger ist überraschend als Oberrabbiner zurückgetreten

Das Präsidium werde die Gemeindemitglieder „zeitnah“ über die Vorgehensweisen informieren. Der Betrieb des Stadttempels werde „uneingeschränkt“ fortgeführt. Über den Sommer wird der Kultusvorstand laut Aussendung eine Kommission einsetzen, die sich um die Ausschreibung und Suche eines neuen Oberrabbiners kümmern wird. Die Kommission werde „entsprechend den zuvor vom Kultusvorstand definierten Maßgaben“ ihre Arbeit aufnehmen und „ohne Zeitdruck“ tätig sein.

Der 45-jährige Folger wurde im Dezember 2015 zum Rabbiner der jüdischen Gemeinde Wien bestellt und machte sich im Dialog mit dem emeritierten Papst sowie einem Respons auf „Nostre Aeatate“ an Papst Franziskus einen Namen.

Hardliner vs. Liberale

Es war für Eingeweihte allerdings bereits seit einiger Zeit ersichtlich, dass es Schwierigkeiten gab: Mit Folger bekam die großteils moderat-orthodoxe Gemeinde Wien einen bei einigen als „Hardliner“ geltenden Oberrabbiner. Immer wieder gab es offenbar Querelen um Formalitäten und Folgers strenge religiöse Auslegungen, aber auch seine strikte Art, diese einzufordern. Einige Gemeindemitglieder vermuten auch, dass es für Folger sehr schwer war, unmittelbar nach seinem sehr beliebten Vorgänger Paul Chaim Eisenberg, das Oberrabbinat in Wien zu übernehmen, und sehen auch darin Gründe für die vorzeitige Beendigung des Dienstvertrags von Folger im Stadttempel.

Oberrabbiner Arie Folger am Donnerstag, 8. November 2018, im Rahmen des Gedenkmarsches "Light of Hope" der IKG am Judenplatz in Wien

APA/Georg Neubauer

Folger am 8. November 2018 im Rahmen des Gedenkmarsches „Light of Hope“ der IKG auf dem Judenplatz in Wien

Vor Wien hatte Folger fünf Jahre in der jüdischen Gemeinde in Basel, dann in München und zuletzt in Karlsruhe und Frankfurt gewirkt. Folger, der bereits Ende Dezember 2015 als Nachfolger Eisenbergs feststand, wurde in Antwerpen geboren und studierte in Belgien, Israel und den USA. Sein Rabbinatsstudium absolvierte er in New York, dort schloss er auch mit einem Master of Business Administration ab. Er spricht sechs Sprachen und hat neben seiner Ausbildung zum Rabbiner auch ein Wirtschaftsstudium abgeschlossen.

gril, religion.ORF.at

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