Post vom Papst: Franziskus warnt deutsche Katholiken

In einem 19-seitigen Brief hat sich Papst Franziskus in überraschender Ausführlichkeit an das „pilgernde Volk Gottes in Deutschland“. Der Grund: Die katholische Kirche in Deutschland steckt angesichts des Missbrauchsskandals in einer tiefen Krise.

Es kommt nicht oft vor, dass Deutschlands Katholiken Post vom Papst bekommen - laut Thomas Sternberg, dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), ist es sogar eine „Novität“.

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Thomas Sternberg

ZDK/Nadine Malzkorn

Laut Thomas Sternberg, dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), ist der Brief des Papstes sogar eine „Novität“

Tiefe Krise der katholischen Kirche in Deutschland

Viele wenden sich von der Kirche ab, was sich auch in sinkenden Mitgliederzahlen niederschlägt. Um Glaubwürdigkeit zurückzugewinnen, haben die deutschen Bischöfe Reformen in Aussicht gestellt. Der Papst wählte angesichts in dem Schreiebn vom Samstag dessen warnende Worte, ohne auf einzelne Themen der Reformagenda einzugehen.

Franziskus wandte sich in seinem eher unscharf gehaltenen Schreiben zwar nicht grundsätzlich gegen den „synodalen Weg“, den die deutschen Bischöfe zur Reform der Kirche beschlossen haben. Allerdings ist aus vielen Absätzen seines Schreibens eine deutliche Sorge herauszulesen.

Die beste Antwort auf die „vielen Probleme und Mängel“ der Kirche liege nicht in einem „Reorganisieren der Dinge, in Veränderungen und in einem ‚Zurechtflicken‘“, so Franziskus. Er warnte auch vor Alleingängen: „Sooft eine kirchliche Gemeinschaft versucht hat, alleine aus ihren Problemen herauszukommen, (...) endete das darin, die Übel, die man überwinden wollte, noch zu vermehren und aufrechtzuerhalten.“ Die Evangelisierung müsse immer „unser Leitkriterium schlechthin“ sein.

Möglicher Reformprozess innerhalb der Kirche

Die deutschen Bischöfe hatten im Frühjahr beschlossen, im Rahmen eines Reformprozesses über Veränderungen diskutieren zu wollen. Im Fokus stehen dabei der Umgang der Kirche mit Macht, die umstrittene Ehelosigkeit von Priestern (Zölibat) und die Weiterentwicklung der katholischen Sexualmoral. Öffentlich werden zudem Forderungen nach einer breiteren Beteiligung von Frauen laut.

Schon häufiger hatte Franziskus in der Vergangenheit klargemacht, dass die Verkündigung der Botschaft von Jesus Christus für ihn wichtiger sei als das Aufstellen von Regeln. So pfiff er die deutschen Bischöfe zurück, als sie im vergangenen Jahr für alle deutschen Bistümer festlegen wollten, unter welchen Bedingungen Protestanten mit zur Kommunion gehen dürfen.

In seinem Schreiben weist er jetzt auch auf die „zunehmende Erosion und den Verfall des Glaubens“ in Deutschland hin. Im Osten sei ein Großteil der Bevölkerung schon gar nicht mehr getauft, aber auch in einstigen katholischen Hochburgen sei etwa der Gottesdienstbesuch dramatisch zurückgegangen.

Bestätigung für Reformer und Konservative

Durch den Brief des Papstes sehen sich in Deutschland Reformer und Konservative gleichermaßen bestätigt. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, wertete das Schreiben des Papstes öffentlich als „Ermutigung“ für den Reformprozess, den „synodalen Weg“.

Ähnlich urteilte Sternberg: „Das ist eine Ermunterung, eine Aufforderung, jetzt in Deutschland einen Weg zu gehen mit allen Gläubigen.“ Reformen seien dabei unumgänglich, sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Konservative Kirchenleute sehen es ganz anders. Der synodale Weg könne nach diesem Schreiben des Papstes nicht mehr wie geplant stattfinden, „weder dem Inhalt nach noch in der Form“, kommentierte der Regensburger Generalvikar Michael Fuchs. Der Kölner Kardinal Rainer Woelki, der in Kirchenkreisen als erzkonservativ gilt, äußerte sich hocherfreut: „Der Papst spricht mir aus dem Herzen“, teilte der Chef des größten deutschen Bistums mit.

Kirche darf kein Museum werden

Unabhängige Beobachter äußerten sich differenziert. Der Kirchenkenner Andreas Püttmann („Wie katholisch ist Deutschland“) bezeichnete das Schreiben als eine kluge theologische Stellungnahme. Franziskus wende sich dagegen, die Reformdebatte auf den Dreiklang „Frauenweihe, Zölibat, Sexualmoral“ zu reduzieren.

"Er warnt vor einer oberflächlichen Attitüde des „Wir machen jetzt endlich mal richtig Kirche und räumen mit den bedauerlichen Irrtümern vor uns auf".“ Wahre Reformen müssten nach Überzeugung des Papstes geistlich inspiriert sein. „Aber auch für verbohrt Konservative stellt der Brief eine Leitplanke auf.“ Der Papst habe klargemacht, dass die Kirche kein Museum werden dürfe.

Ähnlich sieht es der Münsteraner Kirchenrechtler Thomas Schüller. Der Papst bringe einerseits eine gewisse Sorge zum Ausdruck, der Reformprozess in Deutschland könne „inhaltlich aus dem Ruder laufen“, sagte Schüller der dpa. „Dennoch verbietet Franziskus kein Thema, über das die deutschen Bischöfe und das ZdK bisher bekundet haben, reden zu wollen.“

religion.ORF.at/dpa

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