Papst schenkt Ökumenischem Patriarchat Reliquien

Eine Geste von außerordentlicher ökumenischer Bedeutung hat Papst Franziskus beim jüngsten Rom-Besuch einer Delegation des orthodoxen Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel mit der Schenkung einer Reliquie gesetzt.

Wie die Stiftung „Pro Oriente“ und das Portal Vatican News (Mittwoch) berichteten, überreichte der Papst dem Leiter der orthodoxen Delegation beim römischen Patronatsfest Peter und Paul, Erzbischof Job (Getcha), am vergangenen Samstag im Vatikan ein Reliquiar mit Reliquien des Apostels Petrus.

Seit vielen Jahrhunderten pilgern Christen aus aller Welt nach Rom, um die Reliquien des Heiligen Petrus zu verehren. Nun wurden erstmals Reliquien des ersten Bischofs von Rom an den Bischof der Schwesterstadt am Bosporus übergeben. Der Ökumenische Patriarch Bartholomäus I. ist Ehrenoberhaupt der Weltorthodoxie.

„Riesenschritt zur konkreten Einheit“

„Das ist für uns ein außergewöhnliches und unerwartetes Ereignis - damit konnte keiner rechnen“, sagte Erzbischof Job und sprach von einem „Riesenschritt hin zur konkreten Einheit“. Das Reliquiar wurde vom Vizesekretär des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen, Msgr. Andrea Palmieri, zum Sitz des Ökumenischen Patriarchat im Phanar in Istanbul gebracht.

Bereits am Sonntag hatte der Ökumenische Patriarch von Konstantinopel, Bartholomaios I., die Petrus-Reliquien erstmals bei einer Liturgie in der Zwölfapostel-Kirche im Stadtteil Feriköy verehrt. Danach sagte der Patriarch, der Papst habe eine „großartige, brüderliche und historische Geste“ gesetzt, „indem er uns Reliquien des Heiligen Petrus, des Gründers der Kirche von Rom, gegeben hat“.

Ausgrabungen unter dem Petersdom

Das Reliquiar hat eine besondere Geschichte. Papst Pius XII. (1939-58) hatte 1939 grünes Licht für Ausgrabungen unter dem Petersdom gegeben; dabei wurde der Ort des Petrus-Grabes entdeckt, doch wurden zunächst keine Knochensplitter gefunden. Erst neue Grabungen ab 1952 förderten mutmaßliche Reliquien des Heiligen Petrus zutage.

Papst Paul VI. (1963-78) war von der Echtheit der Reliquien überzeugt, er kündigte im Juni 1968 bei einer Generalaudienz überraschend ihre Auffindung an. Das bronzene Reliquiar wurde 1971 geschaffen und befand sich seither in der Kapelle des damaligen Päpstlichen Appartments im Apostolischen Palast. Nur ein einziges Mal - bei der Messfeier zum Abschluss des „Jahres des Glaubens“ am 24. November 2013 - wurde das Reliquiar den Gläubigen gezeigt.

Den überraschenden Vorgang der Übergabe des Reliquiars am 29. Juni schilderte Erzbischof Job auf Facebook. Nach der Papst-Messe im Petersdom aus Anlass des Apostelfestes sei er zum Petrus-Grab hinuntergestiegen, um dort mit Papst Franziskus zu beten. Der Papst habe ihm dann gesagt: „Warten Sie auf mich. Ich habe ein Geschenk für die Kirche von Konstantinopel. Letzte Nacht ist mir der Gedanke im Gebet gekommen.“

Idee im nächtlichen Gebet

Der orthodoxe Erzbischof fuhr mit dem Papst in dessen Ford zum Apostolischen Palast; dort führte ihn Franziskus in die Kapelle des früheren Päpstlichen Appartments und sagte ihm: „Papst Paul VI. hat diese Kapelle eingerichtet. Er brachte einige Petrus-Reliquien hierher. Ich lebe nicht hier, ich benütze die Kapelle nicht. Im Gebet habe ich mir letzte Nacht gedacht: Diese heiligen Reliquien wären besser in Konstantinopel aufgehoben, im Phanar ... Das ist nicht ein Geschenk von mir, sondern ein Geschenk von Gott.“ Und so seien erstmals in der Geschichte Reliquien des Heiligen Petrus aus dem Alten Rom in das Neue Rom (Konstantinopel) transferiert worden, schloss Erzbischof Job seinen Bericht.

Seit mehr als 40 Jahren kommt jährlich zum Fest Peter und Paul am 29. Juni eine Delegation des Ökumenischen Patriarchats von Konstantinopel in den Vatikan. Umgekehrt reist eine vatikanische Delegation seit vier Jahrzehnten zum orthodoxen Andreas-Fest Ende November nach Istanbul. Heuer hielt sich die Delegation aus dem Phanar mit Erzbischof Job an der Spitze von 27. Juni bis 29. Juni in Rom auf.

„Grüner Patriarch“ als Vorbild

Am Samstag nahmen die orthodoxen Gäste im Petersdom an der Festmesse zu Peter und Paul teil. Schon tags zuvor hatte Papst Franziskus die Delegation zu einer Privataudienz empfangen. Dabei sagte Franziskus, sein persönliches Verlangen nach kirchlicher Einheit sei durch die jüngsten Reisen nach Bulgarien und Rumänien noch größer geworden. „Zunehmend bin ich überzeugt, dass die volle Einheit zwischen Katholiken und Orthodoxen nur wiederhergestellt wird durch Respektierung der jeweils eigenen Identität in harmonischer Koexistenz mit legitimen Formen von Unterschiedlichkeit“, sagte Franziskus.

Es gehe darum, sich der gemeinsamen Wurzeln bewusst zu sein, voneinander zu lernen und einander zu helfen, den Dialog und die konkrete Zusammenarbeit nicht zu fürchten, so der Papst. Der „Skandal der Spaltung“ könne nur durch die Gnade Gottes überwunden werden, indem man die Schritte des anderen im Gebet begleite, das Evangelium in Harmonie verkünde, den Notleidenden helfe und einen Dialog in der Wahrheit führe, ohne sich von früheren Vorurteilen bestimmen zu lassen. Es werde sich die Erfahrung einstellen, dass es trotz aller Unterschiede viel mehr gibt, was die Christen vereint als was sie trennt.

„Einsatz für das gemeinsame Haus“

In besonderer Weise hob der Papst das Eintreten des Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. für die Bewahrung der Schöpfung hervor. Es bedeute „Treue zum Evangelium“, auf die neuen Herausforderungen der Gegenwart zu antworten. Wie der Papst sagte, sei der Einsatz des - oft als „grüner Patriarch“ bezeichneten - Ökumenischen Patriarchen auch für ihn eine Quelle der Inspiration gewesen.

Angesichts der alarmierenden ökologischen Krise sei der „Einsatz für das gemeinsame Haus“ nicht nur eine dringende Notwendigkeit, sondern auch ein „konkreter Weg, um dem Nachbarn im Geist des Evangeliums zu dienen“. Als „positives Zeichen“ nannte Papst Franziskus auch die Zusammenarbeit zwischen der katholischen Kirche und dem Ökumenischen Patriarchat etwa im Kampf gegen moderne Formen der Sklaverei, beim Einsatz für die Aufnahme und Integration von Migranten, Vertriebenen und Flüchtlingen sowie bei der Förderung des Friedens auf unterschiedlichen Ebenen.

Hoffnung auf Kirchengemeinschaft

Erzbischof Job - der auch Ko-Vorsitzender der offiziellen Dialogkommission zwischen katholischer und orthodoxer Kirche und Repräsentant des Ökumenischen Patriarchats beim Weltkirchenrat ist - hatte zuvor das Schreiben von Bartholomaios I. an den Bischof von Rom verlesen. Die Feier der beiden großen Apostel Petrus und Paulus sei eine Versammlung, die die Schwesterkirchen zur Umarmung in Liebe einlade.

Wörtlich fügte der Ökumenische Patriarch hinzu: „Unglücklicherweise wird das Licht dieses Tages aufgrund verschiedener Schwierigkeiten unserer gemeinsamen Geschichte durch die Tatsache verdunkelt, dass unsere Schwesterkirchen am gemeinsamen Kelch der eucharistischen Versammlung nicht Anteil haben können. Trotzdem bleibt die Wiederherstellung der Gemeinschaft zwischen unseren Kirchen unsere aufrichtige Hoffnung, der wichtigste Inhalt unserer Gebete und das Ziel des Dialogs in Wahrheit, der zwischen unseren Kirchen besteht“. Abschließend brachte der Ökumenische Patriarch seine Hoffnung zum Ausdruck, dass die „internen Probleme“ in beiden Kirchen den Fortschritt im Aufeinanderzugehen „weder behindern noch stoppen“ werden.

Beratungen über „Primat und Synodalität“

Bereits am Freitag gab es auch ein ausführliches Treffen der Delegation aus dem Phanar mit dem Päpstlichen Rat für die Einheit der Christen und dessen Präsidenten, Kardinal Kurt Koch. Dabei wurden laufende Fragen in beiden Kirchen, aber auch die nächsten Schritte der offiziellen Dialogkommission zwischen katholischer und orthodoxer Kirche diskutiert.

Das nächste Treffen des Koordinationskomitee der Dialogkommission wird im November wieder in der Gemeinschaft von Bose in der Region Piemont stattfinden. Dabei wird es darum gehen, den Entwurf des Textes „Primat und Synodalität im zweiten Jahrtausend und heute“ zu finalisieren, sodass er einer nächsten Vollversammlung der internationalen Dialogkommission vorgelegt werden kann. Allerdings ist offen, wie sich der Beschluss des Heiligen Synods des Moskauer Patriarchats auswirken wird, wegen der Ukraine-Krise allen Kommissionen fernzubleiben, in denen ein Vertreter des Ökumenischen Patriarchats den Vorsitz oder den stellvertretenden Vorsitz innehat.

religion.ORF.at/KAP

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