Prostitution und patriarchaler Umgang mit Sex

Einen theologischen Blick auf eine 2.000-jährige Kulturgeschichte der Prostitution hat die Grazer Religionswissenschaftlerin Theresia Heimerl in einem Gastbeitrag für die Wochenzeitung „Die Furche“ geworfen.

Das vermeintlich „älteste Gewerbe der Welt“ wurde im Laufe der Zeit zu einer Art „dunkler Spiegel“, der den patriarchalen Umgang mit Sexualität reflektiere, so ihr Fazit. „Fromme Männer“ hätten ein Bild von Prostituierten tradiert, das die vermeintliche zivilisatorische und moralische Unterlegenheit von Frauen zeige - für Heimerl ein Zeichen von Frauenverachtung und einer religiöse Überhöhung von Sexualität. Dazu komme die körperlich wie wirtschaftliche Ausbeutung von Betroffenen, die bis heute „stumme Objekte des Begehrens, der Verachtung und der Gewinnmaximierung“ seien.

Szene aus "Maria Magdalena"

Universal

„Paradebeispiel“ Maria Magdalena (Szene aus dem Film „Maria Magdalena“ mit Rooney Mara (2018)

Als Paradebeispiel für tendenziöse Geschichtsschreibung über Sexualität und Begehren nannte die katholische Theologin die biblische Gestalt der Maria Magdalena. Diese verkörpere - fernab von bibelwissenschaftlicher Historizität - christliche Urängste, nämlich Sünde, Sexualität und Mammon.

Zwei Frauengestalten vermischt

Im Laufe der Geschichte seien zwei Frauengestalten der Evangelien - Maria von Magdala und eine Sünderin von Magdala - vermischt und zu einer „frommen Version von Pretty Woman“ geformt worden, die von Jesus gerettet Buße tut. „Die ehemalige Prostituierte als heilige Sünderin ist die ultimative Männerphantasie“, so die Autorin des Buches „Andere Wesen. Frauen in der Kirche“ wörtlich.

Wäre Prostitution tatsächlich „das älteste Gewerbe der Welt“ und damit ein Beitrag zum Wirtschaftssystem, bräuchte es keine moralischen Verurteilungen und religiösen Verbote, konstatierte Heimerl. Was bis in die Gegenwart die Gemüter der Sittenwächter aufrege, sei der Tausch von „Sexualität gegen materielle Mittel“. Prostitution erinnere daran, dass sich sexuelles Begehren nicht an „hehre Ideale hält, sondern auf unmittelbare Bedürfnisbefriedigung abzielt“.

Doppelmoral im Christentum

Das Christentum habe es verstanden, dem Begehren Einhalt zu bieten und sexuelle Enthaltsamkeit als Zeichen der Heiligkeit zu deuten. Möglich wurde dies laut Heimerl durch einen „Appell an die Selbstdisziplin verbunden mit dem Versprechen der moralischen Selbsterhöhung oder eben eine Institutionalisierung der Bedürfnisbefriedigung“.

Die Theologin verwies im Gegenzug auf die Doppelmoral kirchlicher wie christlicher Vertreter, die im Mittelalter Einnahmen aus Bordellen erzielten. Andererseits habe es moralische Kreuzzüge, Verbote und rigorose Strafen gegeben, mit dem Fokus auf die „Sündhaftigkeit der außerehelichen Sexualität und der Prostituierten“.

Die Problematik zeige sich bis heute in biblischen Texten über „Tempeldirnen“, „Hurerei“ und Prostitution. In den beiden ersten Fällen ist laut Heimerl gar nicht Prostitution gemeint, sondern „hurerische Handlungen“ eines Kultpersonals im Tempel und ein „gestörtes Verhältnis“ zu Gott, als ein „Sich-Verkaufen an andere Götter“. Unumstritten ist laut Heimerl aber, dass Prostitution im Alten Testament als eine Realität beschrieben wird, die „innerhalb eines patriarchalen Systems“ existierte.

religion.ORF.at/KAP

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