Saudi-Arabien: Boykottaufrufe überschatten Hadsch

Die aggressive Politik und die wiederholte Missachtung der Menschenrechte des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman veranlassen religiöse Gelehrte und fromme Pilger und Pilgerinnen zu einem Boykott des Hadsch.

Das berichtete die US-amerikanische Zeitschrift „Foreign Policy“ („FP“) in ihrer Onlineausgabe. Der Hadsch beginnt heuer am 9. August und endet am Abend des 14. August. Die Wallfahrt nach Mekka in Saudi-Arabien zählt zu den „fünf Säulen“ des Islams und gehört für alle gesunden, gläubigen Muslime mindestens einmal im Leben zur Glaubenspflicht. Salman hatte in letzter Zeit versucht, sein Land in einem positiveren Licht darzustellen, indem er einige Reformen in Richtung mehr Liberalität einführte.

Doch die Menschenrechtsverletzungen seiner Regierung könne er nicht verschleiern, so die „FP“-Analyse von Ahmed Twaij. Die steigende Zahl der Todesopfer durch saudische Bomben im Jemen, das „grauenhafte Abschlachten“ von Dschamal Kaschoggi im saudischen Konsulat in Istanbul und „Riads aggressiver Zugang zur Iran-Krise“ habe einige sunnitische Verbündete des Wüstenstaats auf der Arabischen Halbinsel dazu gebracht, über ihre Unterstützung für das Königreich zu überdenken.

Großmufti rief zu Boykott auf

Ende April 2019 rief Libyens prominentester sunnitischer Geistlicher, Großmufti Sadik al-Ghariani, alle Muslime und Musliminnen zum Boykott des Hadsch auf. Jeder, der sich auf eine zweite Pilgerfahrt machen wolle, begehe damit „eher eine Sünde als eine gute Tat“, so der Großmufti.

Pilgerinnen und Pilger umrunden die Kaaba in Mekka, Hadsch 2015

Reuters/Ahmad Masood

Pilgerinnen und Pilger umrunden die Kaaba in Mekka

Saudi-Arabiens Wirtschaft durch die Pilgerreise zu unterstützen, würde zu weiteren Waffenkäufen und Attacken auf den Jemen und indirekt auch auf Syrien, Libyen, Tunesien und Algerien führen. Ghariani sagte weiter, eine Investition in den Hadsch würde „saudischen Führern dabei helfen, Verbrechen gegen andere Muslime zu begehen“.

Twitter-Aufruf gegen Hadsch-Teilnahme

Auch auf Twitter existiert unter dem Hashtag „#boycotthajj“ ein Aufruf zum Boykott. „Hadsch-Geld für die Saudi-Regierung wird zum Kauf von Waffen eingesetzt, um Frauen und Kinder im Jemen abzuschlachten“, heißt es hier unter anderem.

Ghariani sei nicht der erste bekannte Gelehrte, der einen Bann der Pilgerreise unterstützt, so „FP“. Jussuf al-Karadawi, ebenfalls sunnitischer Geistlicher und entschiedener Kritiker Saudi-Arabiens, erließ vergangenen August eine Fatwa (ein theologisches Rechtsgutachten) zum Bann gegen die Pilgerreise mit der Begründung: „Muslime dabei zu sehen, wie sie die Hungrigen füttern, die Kranken versorgen und die Heimatlosen unterbringen, ist von Allah besser angesehen als das Ausgeben von Geld beim Hadsch.“

Immer wieder Konflikte

2016 hatte der Iran die Pilgerfahrt im Streit mit der saudi-arabischen Regierung boykottiert. 2017 wurde der Hadsch abermals von internationalen Spannungen überschattet: Saudi-Arabien warf dem kleinen Emirat Katar vor, Terroristen zu unterstützen und errichtete zusammen mit seinen Verbündeten Ägypten, den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain ein Embargo. Zwar wurde katarischen Pilgerinnen und Pilgern die Einreise zur Wallfahrt gestattet, Katar warf dem Königreich aber Behinderungen der Wallfahrer vor - mehr dazu in Muslimischer Hadsch im Zeichen politischer Spannungen.

Mekka: Pilger beim Hadsch

APA/AFP/Karim Sahib

Der Hadsch ist für Saudi-Arabien auch ein bedeutender Wirtschaftsfaktor

Einfluss mit historischen Wurzeln

Saudi-Arabiens Einfluss erklärt sich nicht nur durch seine politische und militärische Macht, sondern auch durch seine historischen Stellenwert im Islam. Sowohl Mekka als auch Medina, die beiden heiligsten Stätten des Islams mit der Kaaba und dem Grab des Propheten Mohammed, befinden sich hier.

Um die zwei Millionen - im Jahr 2017 waren es mehr als 2,3 Millionen - Musliminnen und Muslime unterschiedlicher islamischer Glaubensrichtungen kommen jährlich in Mekka zusammen. Das Geld, das dadurch in das Land fließt, macht den religiösen Akt auch zum Wirtschaftsfaktor. Der Hadsch trägt zum Einfluss des Königreichs auf die ganze Region bei.

gril, religion.ORF.at

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