Tod von Komapatient Lambert: Vatikan übt Kritik

Der Vatikan hat bestürzt auf den Tod des französischen Koma-Patienten Vincent Lambert reagiert. Der Präsident der Päpstlichen Akademie für das Leben, Erzbischof Vincenzo Paglia, sprach in einer Erklärung am Donnerstag von einer „Niederlage für die Menschlichkeit“.

Mit Blick auf Papst Franziskus’ Sicht zu dem „schmerzhaften Fall“ zitierte Vatikansprecher Alessandro Gisotti den Papst mit den Worten, Herr über das Leben sei alleine Gott: „Es ist daher unsere Pflicht, es immer vom Anfang bis zum natürlichen Ende zu bewahren und keiner Wegwerfkultur zu erliegen.“

Im Vatikan werde für den Verstorbenen und seine Familie gebetet, sowie für alle „die sich bis zum Schluss mit Liebe und Entschiedenheit um ihn kümmerten“, so Gisotti weiter. Kurienkardinal Robert Sarah schrieb auf Twitter, Lambert sei „als Märtyrer und Opfer des furchterregenden Wahnsinns der Menschen unserer Zeit“ gestorben.

Bischöfe „tief traurig“

Auch Frankreichs Bischöfe äußerten sich „tief traurig“ über den von Vincent Lambert. „Eine Traurigkeit, weil die Tragödie des Unfalls durch eine Tragödie verdoppelt wurde, die nicht schlimmer hätte sein können, das Zerreißen einer Familie“, hieß es in einer am Donnerstag auf der Internetseite der Französischen Bischofskonferenz veröffentlichten Erklärung von Generalsekretär Thierry Magnin.

Magnin äußerte weiter Bedauern darüber, dass es dargestellt werde, als habe sich Lambert im Stadium des Lebensendes befunden. Zugleich werde der Zerfall einer Familie instrumentalisiert, kritisierte der Geistliche. „Er war jedoch nicht am Ende seines Lebens.“ Das gelte auch für viele andere Menschen im „vegetativen“ Zustand, die in spezialisierten Zentren betreut würden.

Kein Ohr für Botschaft der Kirche

Der Generalsekretär erinnerte daran, dass der Vorsitzende der Französischen Bischofskonferenz, Eric de Moulins-Beaufort, im Mai Respekt vor allem Leben gefordert habe. Magnin nannte es „schwierig“ für die französische Gesellschaft, wirklich zu hören, was die katholische Kirche zu sagen habe.

Aussagen würden schnell als konservativ abgetan, weil sie die „unveräußerliche Würde“ jedes Menschen unterstützten. Dadurch würden Botschaften von vornherein ausgeschlossen und nicht in ihrer „ganzen Tiefe“ gehört. „In unserer Gesellschaft gibt es kaum Orientierungspunkte“, so der Theologe. Er nannte es nicht akzeptabel, wie über den Glauben von Lamberts Eltern gesprochen worden sei. „Ich denke an Vincent Lamberts Eltern, die ihren Sohn zur Welt brachten und ihn bis zum Ende verteidigten“, so Magnin.

Bischof Bozo: „Nur Gott ist Richter“

Der Bischof von Limoges, Pierre-Antoine Bozo, mahnte am Donnerstag Zurückhaltung und Respekt an. „Wir müssen weiterhin unser Verhältnis zu Krankheit, Tod und Menschenwürde in Frage stellen.“ Man solle „nicht die verschiedenen Akteure dieser langen und schmerzhaften Angelegenheit beurteilen, nur Gott ist Richter“. Die Frage laute, was „ein lebenswertes Leben“ sei und wie mit Betroffenen umzugehen sei.

Menschen beten bei einer Demonstration für den mittlerweile verstorbenen Komapatienten Vincent Lambert

APA/AFP/Dominique Faget

Mehrere Menschen hatten sich noch am Mittwoch zum Gebet für Lambert versammelt

Der Komapatient Vincent Lambert starb laut Medienberichten neun Tage nach der Einstellung der künstlichen Ernährung am Donnerstagfrüh in der Universitätsklinik von Reims. Seine katholischen Eltern hatten jahrelang darum gekämpft, dass er weiterhin ernährt wird. Auch der Vatikan hatte sich dafür ausgesprochen, dass Lambert weiter künstlich ernährt wird.

Jahrelanger Rechtsstreit

Das behandelnde Ärzteteam kündigte vor einer Woche zum zweiten Mal an, die künstliche Ernährung einzustellen. Ende Juni hatte Frankreichs oberstes Gericht nach jahrelangem Rechtsstreit den Weg für einen erneuten Stopp der Behandlung freigemacht. Zuvor waren im Mai die lebenserhaltenden Maßnahmen nach einem vorübergehenden Abbruch wieder aufgenommen worden. Während Lamberts Ehefrau den Schritt befürwortete, wollten die katholischen Eltern dies verhindern.

Vincent Lambert lag seit einem Motorradunfall 2008 in einer Art Wachkoma. Bereits am 9. April 2018 hatte ein Ärzteteam entschieden, Lamberts Behandlung zu stoppen. Diese Entscheidung wurde von unterschiedlichen Gerichten bestätigt und wieder verworfen. Schon drei Jahre zuvor hatte der Europäische Menschenrechtsgerichtshof den Beschluss eines anderen Ärzteteams zur Einstellung der künstlichen Ernährung bestätigt. Zuletzt lehnte das Verwaltungsgericht in Chalons-en-Champagne ein weiteres Berufungsverfahren der Eltern ab.

Vater spricht von „getarnter Ermordung“

„Vincents Tod ist jetzt unvermeidlich“, schrieben sie die Eltern zu Wochenbeginn in einem Offenen Brief. Zuvor hatte am vergangenen Wochenende die Polizei den zuständigen Arzt Vincent Sanchez angehört. Lamberts Vater Pierre bezeichnete den Behandlungsstopp als „eine getarnte Ermordung, eine Sterbehilfe“.

Lamberts Hirn war bei dem Unfall schwerst geschädigt worden. Als Folge dessen befand er sich in einem vegetativen Zustand, einer Art Wachkoma. Das heißt in der Regel, dass Patienten zwar die Augen offen haben und wach erscheinen, aber keinen Gegenstand fixieren und auch nicht mit Sprache oder Bewegungen auf äußere Einflüsse reagieren. Das Stammhirn ist aber noch aktiv, Blutdruck, Atmung und viele Reflexe werden weiter geregelt. In Lamberts Fall kamen Ärzte zu dem Ergebnis, dass dieser Zustand irreversibel - also unumkehrbar - sei. Die Eltern sehen das anders und argumentieren, ihr Sohn sei lediglich schwer behindert gewesen und brauche dauerhafte Pflege.

Papst mit indirekter Kritik

Noch am Mittwoch hatte der Pariser Erzbischof Michel Aupetit zum Gebet für Lambert aufgerufen. „Jetzt ist die Zeit für Erinnerung, Mitgefühl und Gebet für Vincent Lambert“, twitterte Aupetit am Mittwoch. Daher sollten in diesen Tagen Gottesdienste für den 42-Jährigen gefeiert werden.

Auch Papst Franziskus forderte über Twitter zum Gebet auf „für die Kranken, die im Stich gelassen und dem Tod ausgeliefert werden“. Eine Gesellschaft sei menschlich, „wenn sie jedes Leben schützt, ohne bestimmen zu wollen, wer würdig ist zu leben und wer nicht“, schrieb der Papst, ohne konkret auf den Fall des Franzosen einzugehen, und weiter: „Ärzte sollen dem Leben dienen und es nicht nehmen.“

religion.ORF.at/KAP/KNA/dpa

Mehr dazu: