Migration: Italiens Kirche plant „Mittelmeer-Synode“

Die katholische Kirche Italiens will eine mit Papst Franziskus abgestimmte Mittelmeer-Initiative zu den Themen Migration und Frieden starten. Die Synode soll 2020 stattfinden.

Ein Höhepunkt dieser Initiative wird ein synodales Treffen der Bischöfe aller Uferstaaten des Mittelmeers in Bari von 19. bis 23. Februar 2020 unter dem Titel „Friedensgrenze Mittelmeer“ sein, an dem auch Papst Franziskus teilnehmen wird. Der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz (CEI), Kardinal Gualtiero Bassetti, kündigte am Sonntag in Aquileia das Vorhaben der Kirche an.

Die Vorsitzenden dieser katholischen Bischofskonferenzen und der mit Rom unierten östlichen Kirchen sollen dabei „gemeinsam und brüderlich ergründen, was Gott heute von der Kirche im Mittelmeerraum verlangt“.

Migrationsfrage nicht einziges Thema

Die Vorbereitungen für das Bischofstreffen in Bari laufen bereits seit geraumer Zeit. Die Italienische Bischofskonferenz hat dafür ein Vorbereitungskomitee unter dem Vorsitz des Bischofs von Acireale, Antonino Raspanti, eingesetzt. Raspanti betonte von Anfang an, dass „das Leid und die Hoffnung der Völker um das Mittelmeer“ das zentrale Thema in Bari sein werden. Die Migrationsfrage werde behandelt werden, „aber nicht das einzige Thema sein“. Es gehe um den Beitrag der Ortskirchen, um den Völkern bei der sozialen Entwicklung, bei der Überwindung der Ungerechtigkeit, bei der gemeinsamen Aktion zu Gunsten des Friedens zu helfen.

Ein Migrant betet am Mittelmeer

Reuters/Eric Gaillard

Die Situation von Migrantinnen und Migranten wird ein Thema der Synode sein

Kardinal Bassetti sagte bei der ersten Sitzung des Vorbereitungskomitees, der Begriff „Grenze“ sei ein Schlüsselwort, um den Mittelmeerraum zu begreifen. „Grenze“ dürfe aber nicht im Sinne von Trennung, Spaltung verstanden werden, sondern als „Geist der Grenze, der es ermöglicht, über das Bestehende hinauszugehen und die Herausforderungen anzunehmen“. Wörtlich stellte der Kardinal fest: „Im Licht der Geschichte haben wir gelernt, dass es keinen Frieden ohne das Mittelmeer gibt. Dieses Meer vereint und teilt die Welt. Jene, die am meisten unter diesen Teilungen leiden, sind die Armen. Es genügt, die Chronik der letzten Jahre anzuschauen, um das unter Beweis zu stellen“.

Wurzeln im Mittelmeerraum wiederfinden

Bei einer späteren Zusammenkunft zitierte der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz den sizilianischen Priester-Politiker und entschiedenen Antifaschisten Don Luigi Sturzo: Sich dem Mittelmeerraum anzunähern, bedeute ihn zu verstehen, ihn zu lieben und ihn „nicht durch Macht, sondern durch Kultur zu erobern“. Europa könne nicht nur „vom Norden her“ gedacht werden.

Der europäische Kontinent dürfe nicht durch die „Logik der Märkte“ aus dem Gleichgewicht gebracht werden, es sei notwendig, auch das gesellschaftliche Gewebe des „gemeinsamen Vaterlandes“ zu schaffen. Italien habe die Aufgabe, mitzuhelfen, dass Europa im Mittelmeerraum seine kulturellen und spirituellen Wurzeln wiederfindet.

Evangelium und Verteidigung der Menschenwürde

In der Arbeit des Vorbereitungskomitees für Bari wurde deutlich gemacht, dass das Migrationsthema wichtig sein wird, aber die Debatte nicht erdrücken darf. Der Mailänder Soziologe Maurizio Ambrosini, der dem Komitee angehört, sagte im Gespräch mit Journalisten: „Auch die Migrationsfrage kann man doppelt sehen: Als Flucht aus dem Elend, aber auch als Scharnier zwischen den Kontinenten“.

Daher werde auf dem Programm des Bischofstreffens in Bari auch vieles andere stehen: Die kirchliche Situation in den Ländern am Mittelmeer „und das Zeugnis für das Evangelium“, die Verteidigung der Menschenwürde, der ökumenische und der interreligiöse Dialog, die Entwicklung der schwächsten Gesellschaften am Ufer des Mittelmeers, die Zusammenarbeit.

Lösungen „fehlgeschlagen“

Der Florentiner Kirchenhistoriker Marco Giovannoni verwies darauf, dass die „in jüngster Zeit von der internationalen Gemeinschaft unternommenen Versuche zur Lösung der Probleme des Mittelmeerraums alle fehlgeschlagen sind“. Die Kirche könne, da sie mediterrane Wurzeln habe, hier einen fundamentalen Beitrag leisten.

Mitglied des Komitees ist auch der CEO des italienischen Mineralölkonzerns ENI, Claudio Descalzi. Er erinnerte an die harten Zahlen: Im Mittelmeerraum leben insgesamt 500 Millionen Menschen, sieben Prozent der Weltbevölkerung, die zehn Prozent des globalen Bruttonationalprodukts erstellen. Am Nordufer des Mittelmeers werde aber sieben Mal mehr produziert als am Südufer. Das Ereignis von Bari sollte daher auch in dieser Hinsicht zu einer Wiederannäherung der beiden Ufer führen.

Konkrete Vorschläge ausarbeiten

Der Erzbischof von Perugia-Città della Pieve wies darauf hin, dass die Gemeinschaft der Ortskirchen des Mittelmeerraums, anders als andere Institutionen, einen sonst fehlenden „umfassenden und organischen Blick“ auf die Erfordernisse der Situation entwickeln könnten. Die Vielfalt der liturgischen, spirituellen und kirchlichen Traditionen sei zudem ein „wertvolles Zeugnis der Synodalität“ auch für die Kirchen in anderen Regionen.

Das Hören auf die Stimmen der Ortskirchen des Nahen Ostens und Nordafrikas, wo es zu „dramatischen Situationen“ komme, gebe einen realistischeren Blick auf die Probleme und erlaube die Ausarbeitung konkreter Vorschläge aus der Perspektive der betroffenen Staaten.

Kardinal Gualtiero Bassetti

APA/AFP/Vincenzo Pinto

Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz Kardinal Gualtiero Bassetti

Dialog soll Grenzen überwinden

Der Katholizismus mit seiner „universalen Vision“ erlaube es, auch „symbolische Konstruktionen“ wie den „Limes“ und die „kulturelle Zugehörigkeit“ als Zeichen der Einheit und nicht der Spaltung zu sehen, unterstrich Bassetti. Auch wenn die Geschichte von Feindschaft und Missverständnissen, von theologischen Disputen und politischen Grenzüberschreitungen gekennzeichnet sei, habe der Katholizismus immer zutiefst eine „Botschaft der Inklusion und des Dialogs“ vertreten.

Dieser Dialog habe schon bisher geografische und kulturelle Grenzen überwunden und alle Beteiligten bereichert. Mit der nunmehrigen Mittelmeer-Initiative wolle Italiens Kirche laut dem Kardinal auch das „prophetische Lehramt“ von Papst Franziskus und seinen „Ökumenismus der Tat“ unterstützen.

Aquileia als Ort der Begegnung

Kardinal Bassetti wählte als Ort und Zeitpunkt für die Ankündigung der bereits länger vorbereiteten Initiative seinen Festvortrag beim Patronatsfest von Aquileia. Die norditalienische Stadt sei schon seit der Antike ein „Ort der Begegnung“ für Europa und den ganzen Mittelmeerraum gewesen, sagte der Bischofskonferenz-Vorsitzende. Die Kirche wolle nicht dem „Chor der Unglückspropheten“ beitreten, sondern sowohl in ihrem Bereich als auch außerhalb die „Keime des Neuen“ zu erkennen, das „auch im Mittelmeerraum wachsen kann und wachsen muss“, sagte Bassetti. Wie einst das antike Aquileia, stelle sich heute auch die Kirche Italiens in den Dienst des Friedens und des Zeugnisses für das Evangelium.

Bei einem dem Vortrag anschließenden Festgottesdienst in der historischen Basilika von Aquileia konzelebrierten neben den Bischöfen aus dem ganzen Triveneto auch jene der benachbarten österreichischen und slowenischen Diözesen, deren Territorien einst zum Bereich des (bis 1751 bestehenden) Patriarchats von Aquileia gehört hatten. Einer der beiden gefeierten Patrone von Aquileia ist der noch von Petrus geweihte erste Bischofs der nordadriatischen Metropole, der Heilige Hermacoras (Ermagora), nach dem die Kärntner Stadt Hermagor benannt ist; der andere ist der Diakon Fortunatus. Im Hinblick auf Vergangenheit und Gegenwart des friulanischen Raumes kamen bei der Liturgie Latein, Italienisch, Furlanisch, Slowenisch und Deutsch zum Einsatz.

religion.ORF.at/KAP

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