Studie: Christen und Muslime unterscheidet wenig

Religiöse Konfliktlinien zwischen dem „starken muslimischen Block und dem schwächelndem christlichen Block“ lassen sich in Österreich empirisch so nicht belegen.

Vielmehr würden aus den vorliegenden Daten der 2018 durchgeführten Europäischen Wertestudie (EVS) konfessionsüberschreitende Unterschiede zwischen Männern und Frauen, Jung und Alt, sowie Stadt- und Landbewohnern hervorgehen, so die Wiener Pastoraltheologin und Werteforscherin Regina Polak am Donnerstagabend bei der Präsentation des neuen Buches „Quo vadis, Österreich? Wertewandel zwischen 1990 und 2018“ an der Uni Wien. Auf die Frage von Moderatorin Susanne Mauthner-Weber („Kurier“), ob Religion ein einender oder trennender Faktor in der Gesellschaft ist, antwortete Polak: „Beides.“ Religionen seien in sich inhomogen.

Gemeinsam mit der Soziologin Lena Seewann, Koautorin des Religionskapitels in dem interdisziplinär erarbeiteten Sammelband über die jüngste Wertestudie, unterschied die Wiener Theologin sechs sozioreligiöse Typen, die die religiöse Landschaft in Österreich abdecken. In der Gruppe der „urbanen Hochreligiösen“ etwa, die sich selbst in einem hohen Ausmaß als religiös einstufen und Gott eine hohe Bedeutung in ihrem Leben beimessen, sind laut Polak sowohl Mitglieder der römisch-katholischen Kirche (44 Prozent) und der christlich-orthodoxen (zwölf Prozent) vertreten als auch 26 Prozent Muslime.

Studien seit 1990

Die in der Studie breit aufgefächerte Frage „Was ist den Österreicherinnen und Österreichern in ihrem Leben wichtig?“ wurde bei der Veranstaltung an der Uni Wien in drei aufeinander folgenden Gesprächsrunden aufgegriffen; in jener zum Thema „Werte und Religion“ diskutierte der designierte evangelische Bischof Michael Chalupka mit den beiden Buchautorinnen Polak und Seewann.

Die beiden weiteren Podien thematisierten die Bereiche „Politik und sozialer Zusammenhalt“ sowie „Arbeit, Beruf und Familie“. Europäische Wertestudien werden in Österreich seit 1990 etwa im Jahrzehnt-Abstand durchgeführt, laut Friesl ist der dadurch mögliche Langzeitvergleich eine große Stärke dieses Europa-Projekts.

Chalupka: Religion politisch instrumentalisiert

Auch Chalupka bezeichnete es als bemerkenswert, dass der Gegensatz zwischen dem „christlichen Abendland“ und „religiös aufgeladenen“ zugewanderten Muslimen so nicht stimmt. Der frühere Diakonie-Direktor, der im September Michael Bünker als lutherischer Bischof nachfolgt, sprach in diesem Zusammenhang die politische Instrumentalisierung von Religion durch rechtsgerichtete bzw. populistische Akteure wie Donald Trump in den USA oder Jair Bolsonaro in Brasilien an. In Österreich finde es wenig Widerhall, wenn jemand mit dem Kreuz in der Hand Wahlkämpfe bestreitet - „noch nicht“, wie Chalupka anmerkte.

Der designierte Bischof trat für eine theologische Auseinandersetzung mit den neuen Rechten ein, die wesentliche Bruchlinien zum Christentum aufwiesen - etwa bei der politisch konterkarierten Überzeugung, dass alle Menschen als Geschöpfe Gottes dieselbe Würde hätten oder dass die Welt vom Schöpfer nur geborgt sei und somit nicht ausgebeutet werden dürfe. Die politische Theologie in der Schule Trumps oder Bolsonaros behaupte einen Partikularismus gegenüber einem Universalismus, formuliere eine Überordnung des einen über den anderen und leugne den Klimawandel. Dem gelte es christliche Grundüberzeugungen entgegenzuhalten.

religion.ORF.at/KAP

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