Kirchenglocken gegen den Hunger

Mit Glockenläuten am Freitag in ganz Österreich - und diesmal auch Südtirol - will die katholische Kirche ein Zeichen gegen weltweiten Hunger setzen. Besonders dramatisch ist die Situation in der Demokratischen Republik Kongo.

90 Prozent der Kongolesen leiden laut Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) an chronischem Hunger. Schätzungen der Weltbank zufolge leben 77 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Damit hat die Demokratische Republik Kongo (nach dem Jemen) die weltweit zweithöchste Zahl an Menschen, die nicht genug zu essen haben.

Das wird augenfällig in der Kinderambulanz des Gesundheitszentrums in Malweka, einem der ärmsten Viertel der kongolesischen Hauptstadt Kinshasa. Dort leben 30.000 Menschen. Nur die wenigsten haben Strom und Wasser in ihren Häusern, meist sind es nur einfache Baracken oder Wellblechhütten.

Erdnussbrei gegen Hunger

In einem von Don-Bosco-Schwestern geführten und von der Caritas unterstützten Gesundheitszentrum wird Hilfe angeboten und unter- oder mangelernährte Kinder wieder aufgepäppelt. Der acht Monate alte Lutula Polo hat in der vergangenen Woche, seit er hier im Gesundheitszentrum stationär aufgenommen wurde, schon 600 Gramm zugenommen. In der Kinderambulanz werden die Kleinen regelmäßig gemessen und gewogen und mit einem nahrhaften Brei aus Öl, Zucker, Erdnüssen oder Soja gefüttert.

Fathy mit ihrem kleinen Sohn Lutula in einer Gesundheitsklinik im Kongo

APA/Helmut Fohringer

Fathy mit ihrem Sohn Lutulu Polo in der Kinderklinik

Es war knapp, denn als seine Mutter Fathy ihn hergebracht hat, wog er nur 4,5 Kilogramm. Seine Haut schillert stellenweise violett, darunter schimmern helle Flecken: Wegen der Unterernährung und dehydriert von Durchfall und Erbrechen hat sich stellenweise seine Haut abgelöst. Nun liegt er apathisch auf dem Schoß seiner Mutter und erholt sich von Tag zu Tag.

Breiration für ein Jahr: 36 Euro

Lutula ist nur eines von vielen Babys im Kongo, das akut unterernährt ist. „Die Kinder leiden oft an Anämie und werden anfällig für schwere Infektionskrankheiten“, erklärte der Arzt Rene Suenge Kusolinga vom medizinischen Büro der Diözese Kinshasa auf einer Pressereise. „Malaria, Lungenentzündung und Durchfallerkrankungen, Cholera etwa, das sind auch die Haupttodesursachen bei Kindern hier.“ Dauert die Unterernährung länger an, wirkt sich das auch auf das Wachstum und die geistige Entwicklung des Kindes aus.

Insgesamt vier solche Gesundheitszentren unterstützt die österreichische Caritas in Kinshasa. Die Jahreskosten für die Breirationen pro Kind betragen 36 Euro. Eine recht kleine Summe, die oft über Leben und Tod entscheidet. Die Nachfrage ist enorm. Die Menschen hier sind unterernährt, haben kein Geld für einen Arztbesuch oder Medikamente, wollen einfach nur, dass ihre Kinder überleben.

Caritas-Porjektreferentin für den Kongo Andrea Fellner  und Aristide Ongone Obame, Leiter des Büros der Welternährungsorganisation (FAO)

ORF/Alexandra Mantler

Caritas-Porjektreferentin für den Kongo Andrea Fellner und Aristide Ongone Obame, Leiter des Büros der Welternährungsorganisation (FAO)

Krieg und Ebola

Die Demokratische Republik Kongo ist eigentlich fruchtbar und reich an Bodenschätzen, doch die Gewinne aus Coltan, Cobalt, Kupfer, Diamanten und Gold, fließen in die Taschen internationaler Konzerne, einer kleinen Elite im Land und zahlreicher bewaffneter Milizen, so der Befund der Caritas-Projektreferentin, Andrea Fellner.

Dass sich die Ernährungssituation in dem 86-Millionen-Einwohnerland verschlechtert, liegt laut Aristide Ongone Obame, dem Leiter des Büros der Welternährungsorganisation (FAO) im Kongo zum einen an den vielen bewaffneten Konflikten und Kriegen im Land, vor allem im rohstoffreichen Osten, zum anderen an diversen Krankheiten und Epidemien. So wütet im Osten die tödliche Viruserkrankung Ebola, die seit dem Ausbruch im vergangenen Jahr bisher mehr als 1.500 Menschenleben gefordert hat.

Geberländer sind müde

Die WHO hat allein die Kosten zur Finanzierung des Einsatzes gegen Ebola auf rund 87 Millionen Euro geschätzt. Bis Mitte Juni ist nicht einmal die Hälfte zusammengekommen. Auch die Masern grassieren hier gerade und haben bisher 2.000 Todesopfer gefordert, von der jedes Jahr widerkehrenden Cholera-Epidemie und der allgegenwärtigen Malaria gar nicht zu reden. „Wenn wir den Menschen hier nicht helfen, können wir nur Leichen zählen“, appelliert der UNO-Nothilfekoordinator Joseph Inganji an die internationale Gemeinschaft.

Kirchenglocken gegen Hunger

Am Freitag, 26. Juli, läuten um 15.00 Uhr die Kirchenglocken in über 3.000 Pfarrgemeinden mindestens fünf Minuten lang. Die Aktion Kirchenglocken gegen Hunger wird heuer bereits zum dritten Mal initiiert, diesmal auch in Südtirol.

1,65 Milliarden Dollar werden gebraucht, doch nur 17 Prozent davon sind ausfinanziert. Nach all den Jahren und all den Kriegen seien die Geberländer müde, stellt Inganji fest. Die Krise im Kongo gerate in Vergessenheit. Ende Juni haben sich die UNO-Mitgliedstaaten auf eine neuerliche Kürzung der Mittel für die Friedensmissionen in aller Welt geeinigt. Gespart werden soll auch beim Blauhelmeinsatz in der Demokratischen Republik Kongo. Doch eine Zukunft könne es für den Kongo nur geben, wenn auch in langfristige Entwicklungshilfe investiert werde, meint Inganji.

Besseres Saatgut

Die österreichische Caritas versucht dies unter anderem mit Dorfentwicklungsprojekten. 75 Prozent der Bevölkerung arbeiten in der Landwirtschaft, ein Großteil davon erntet gerade einmal so viel, dass - mehr schlecht als recht - die eigene Familie ernährt werden kann. Das Ausbleiben von Regen oder Überschwemmungen kann so innerhalb kürzester Zeit existenzbedrohend sein.

Das Bauernpaar Pierre Jean-Claude und Albertine  in der DR Kongo auf einem Kürbisfeld.

APA/Helmut Fohringer

Mit Dorfentwicklungsprojekten und Saatgut werden die örtlichen Strukturen verbessert

Im Rahmen des Caritas Projektes erhalten die Beteiligten Tiere (Ziegen, Schafe oder Hühner) oder verbessertes und widerstandsfähigeres Saatgut, das mehr Ertrag bringt. Der Überschuss kann verkauft werden, kleinunternehmerische Strukturen entstehen.
Insgesamt profitieren zwischen 5.000 und 6.000 Familien von dem Projekt der Caritas in der Region rund um Luozi, etwa 11 Autostunden westlich von Kinshasa gelegen.

Versagen der Politik

Die Caritas appelliert zudem an die österreichische Regierung, kurz- und langfristige Hilfsmittel aufzustocken. Zwar gab es beim Ziel, Hunger weltweit bis 2030 zu beseitigen (Ziel 2 der Nachhaltigen Entwicklungsziele bzw. Sustainable Development Goals/SDGs), immer wieder Fortschritte. Doch in den vergangenen Jahren ist die Zahl jener, die an Hunger leiden, aufgrund von lang anhaltenden Konflikten und dem Klimawandel erneut gestiegen. Weltweit leiden 821 Millionen Menschen an Hunger; etwa jeder zehnte Mensch - knapp elf Prozent der Weltbevölkerung - hat nicht genug zu essen.

Die Zahlen seien ein Symptom für „Politikversagen“ - nicht nur in den betroffenen Ländern selbst, „sondern auch in den Ländern des Nordens“, so der Präsident von Caritas Österreich, Michael Landau. Denn die globalen wirtschaftlichen Spielregeln spiegelten derzeit in erster Linie die Interessen der Länder des Nordens wider. „Hunger ist kein Schicksal, Hunger ist ein Skandal“, betonte Landau.

Alexandra Mantler für religion.ORF.at

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