Tagung fordert Einsatz der Kirche für vereintes Europa

Unter dem Titel „Europa im Wandel“ findet derzeit noch bis zum 17. August die internationale Sommertagung des Katholischen Akademikerverbandes im Kärntner Bildungshaus Sodalitas in Tainach statt.

Botschafter Emil Brix, Direktor der Diplomatischen Akademie Wien, mahnte dabei in seinem Vortrag noch mehr Engagement der katholischen Kirche für ein vereintes Europa ein. Vor allem sollte man Osteuropa mehr Aufmerksamkeit widmen.

Brix wollte dabei nicht nur die Kirchenhierarchie in die Pflicht nehmen: „Katholischen Laienorganisationen, Fakultäten, Vereine, Pfarren - alle sind gefordert.“

Kein gemeinsamer Europakurs erkennbar

Es gelte in Europa nach wie vor zu lernen, mit Vielfalt umzugehen, so Brix weiter. „Der Brexit hat Europa in seinen Grundfesten erschüttert. Es ist uns selbst nicht ganz klar, in welche Richtung Europa gehen will.“

Wesentliche Teile Europas seien noch nicht bereit für das Gemeinsame. Es gebe unterschiedliche Geschwindigkeiten. Dabei sollte man aber „alles vermeiden, noch mehr unterschiedliche Geschwindigkeiten zuzulassen“, warnte der Diplomat.

Auf den Brexit bezogen, verwies Brix auf zwei Aspekte, die die Briten vornehmlich bewogen hätten, aus dem Gemeinschaftsprojekt EU auszusteigen: die Angst um ihren Arbeitsplatz einerseits und der Wunsch nach nationaler Souveränität andererseits. Nun müssten alle Europäer ihre Lehren daraus ziehen und tragfähige Antworten auf diese Ängste und Wünsche finden, so Brix.

Patriotismus statt Nationalismus

Er plädierte für einen gesunden Patriotismus, ganz im Gegenteil zum derzeit so stark aufkommenden Nationalismus. "Wenn ich nicht selbst meine eigene Identität formuliere, dann kann ich auch mit anderen nicht umgehen. Ich brauche ein Mindestmaß an Überzeugung, dass ich Angehöriger dieses Staates bin.

Ein gewisser Stolz auf diese Nation ist notwendig", so der Diplomat. Ihm gefalle etwa auch der Slogan „Österreich zuerst“ nicht schlecht, so Brix, um gleich zu ergänzen, dass man sich auch aus dieser Überzeugung sehr wohl für die EU einsetzen könne. Denn man könne sehr wohl einer Gemeinschaft angehören ohne zugleich andere abzuwerten, wie es im Nationalismus der Fall sei. Gerade katholische Organisationen müssten in diesem Zusammenhang aktiver werden und zur Überwindung der Spaltung Europas positiv beitragen.

Vier Imperative für Verantwortungsträger

Brix verwies zudem auf den Französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der in seiner Rede bei der Karlspreisverleihung 2018 vier Imperative für Verantwortungsträger in Europa formulierte, die sinngemäß so lauten: Erstens: „Seien wir nicht schwach!“ Zweitens: „Lassen wir uns nicht spalten!“ Drittens: „Haben wir keine Angst!“ Viertens: „Warten wir nicht zu!“ Darüber hinaus sei ein europäisches Selbstbewusstsein gegenüber den USA, Russland und China gefragt.

Die Europäische Kultur der Gegenwart wäre nicht vorstellbar ohne die Katholische Kirche, rief Brix im anschließenden Podiumsgespräch in Erinnerung. Er schloss mit dem Hinweis, auch „eine soziale Agenda werden wir stärker auf europäischer Ebene diskutieren müssen“.

Die christlichen Wurzeln Europas hob auch der Kärntner Ordinariatskanzler Jakob Ibounig hervor. „Europa ist ein immer unabgeschlossenes System und Geschehen“, so Ibounig, der an die Laien appellierte, sich engagiert einzubringen. Zugleich plädierte er dafür, auf die Trennung der Sphären von Kirche und Staat zu achten.

Bedeutung der Bildung

„Es muss gelingen Bildungsgerechtigkeit herzustellen. Wir haben zwar ein gemeinsames Ausbildung- und Besoldungssystem, trotzdem noch immer unterschiedliche Schulsysteme“, betonte bzw. kritisierte der Kärntner SP-Landtagsabgeordnete Stefan Sandrieser in Vertretung von Landeshauptmann Peter Kaiser bei der Eröffnung der Tagung.

„Was ist der Grund dafür, dass es bei uns negativ ist, ein Streber zu sein“, fragte in diesem Zusammenhang der Vizepräsident der Industriellenvereinigung Otmar Petschnig: „Wir werden teilweise im Schulwesen der Leistung entwöhnt“. Nichtsdestotrotz hob er unter Verweis auf den Bologna-Prozess positiv hervor, dass es im Bereich der Bildung in der EU inzwischen eine wünschenswerte Vereinheitlichung gibt.

Petschnig mahnte in ähnlicher Weise mehr Rechtssicherheit für Unternehmen in Europa ein. Gerade Österreich als kleine Nation brauche Sicherheit für Investitionen, denn ein Viertel bis ein Drittel der Arbeitsplätze sei vom Export abhängig.

Der Untertitel der Tagung lautet „Zentrales/dezentrales Europa - ein notwendiger Balanceakt“. Gut 50 Teilnehmer aus Österreich, Polen, Rumänien, Albanien, Deutschland, der Slowakei und aus der Ukraine sind nach Kärnten gekommen.

religion.ORF.at/KAP