Italien: Regierungschaos und das Schweigen der Kirche

Mitten in den ruhigsten Tagen des Jahres befindet sich Italiens Regierung in ihrer heftigsten Krise. Von der früher so einflussreichen katholischen Kirche des Landes indes ist nichts zu hören.

Von Misstrauensvotum ist die Rede, von Neuwahlen, anderen parlamentarischen Koalitionen. Zum zweiten Mal binnen weniger Tage hat die Regierungskoalition aus Lega und Fünf-Sterne-Bewegung gegeneinander gestimmt.

Vergangene Woche die Lega gegen einen Antrag der „Fünf-Sterne“, das Eisenbahntunnelprojekt zwischen Turin und Lyon auf Eis zu legen, am Mittwoch die „Fünf-Sterne“ mit den Sozialdemokraten der PD gegen einen Antrag der Lega, schon jetzt Ministerpräsident Giuseppe Conte das Misstrauen auszusprechen und so den Weg zu Neuwahlen freizumachen.

Abendliche „Bade-Kundgebungen“

Nach seiner Niederlage erklärte sich Lega-Chef Matteo Salvini bereit, die von den „Sternen“ verlangte Verringerung von Abgeordneten anzugehen. Dann aber müsse sofort gewählt werden. Die Italiener sollten selbst entscheiden, wie es weitergehe, fordert Salvini seit Tagen bei abendlichen Kundgebungen an diversen Stränden des Landes. Dort halten sich die Italiener jetzt im August auf.

Angesichts solcher „Bade-Kundgebungen“ häufen sich die Vorwürfe, welcher Politiker am besten gebräunt sei. Allein am Mittwoch in Genua, beim Gedenken an die Opfer des Brückeneinsturzes vor einem Jahr, trat für einen Moment Ruhe ein: Salvini und „Sterne“-Chef Luigi Di Maio einträchtig neben Conte und Staatspräsident Sergio Mattarella.

Ministerpräsident Giuseppe Conte soll Lage erklären

Nun soll Conte am 20. August erst einmal dem Parlament die aktuelle Lage erläutern. Unklar, ob er sich anschließend einem Misstrauensvotum stellen muss, ob zwei Tage später das Parlament gestürzt wird und ob es im Oktober Neuwahlen geben wird.

In all dem Chaos nicht zu vernehmen ist die katholische Kirche des Landes. Die einst einflussreiche Bischofskonferenz und ihr Vorsitzender, Kardinal Gualtiero Bassetti, scheinen abgetaucht. „Ein ungewöhnliches und ohrenbetäubendes Schweigen bei den Spitzen der italienischen Kirche“, monierte am Mittwoch der Kirchenexperte der Zeitung „Il Fatto quotidiano“, Francesco Antonio Grana. Das sei mit Ausnahmen schon bei den Europawahlen so gewesen, ähnlich bei der Verschärfung des umstrittenen Sicherheitsgesetzes am 5. August.

Sicht der Kirche fehlt im politischen Diskurs

Sollte es bald zu Neuwahlen kommen, fürchtet Grana erneutes Schweigen aus dem Walde der gut 230 Mitglieder der Bischofskonferenz. Der frühere langjährige Konferenz-Vorsitzende Kardinal Camillo Ruini wäre längst auf die Barrikaden gegangen und hätte Politikern wie Bürgern erklärt, wo es aus Sicht der Kirche langgeht. Allein die Zeiten haben sich geändert. Bei den Europawahlen stimmte die Mehrheit der praktizierenden Katholiken für Salvinis Lega.

Früher hätte einer wie Ruini noch den Ausgang von Wahlen beeinflusst. Doch sein Nach-Nachfolger Bassetti ist kein „Don Camillo“. In seiner Predigt zum Tag des Heiligen Laurentius am 10. August fand der zurückhaltend und mitunter unsicher auftretende Bassetti nur allgemeine Worte über Vertrauen und Zusammenarbeit.

Es hat den Anschein, als wenn Bischöfe in Italien sich entweder nicht trauen, Sympathie für Positionen Salvinis zu äußern, oder sie fürchten, mit zu deutlicher Kritik an ihm noch mehr Menschen aus der Kirche zu vertreiben.

Lega-Chef küsst demonstrativ den Rosenkranz

Der Name des Lega-Chefs wurde in der Kirche Italiens zum Unaussprechlichen. Umgekehrt gibt der durch Umfragen und Sympathiekundgebungen gestärkte Lega-Chef sich ungeniert religiös. Am Ende seiner abendlichen Strand-Kundgebungen küsst er demonstrativ den Rosenkranz. Und den Abstimmungssieg zum Sicherheitsdekret II sieht er als „schönes Geschenk zum Geburtstag der Madonna“.

Am Donnerstag erreichen die italienischen Ferientage „Ferragosto“ ihren Höhepunkt. Ob an dem damit verbundenen religiösen Festtag Mariä Himmelfahrt aus der Kirche etwas zur politischen Lage zu hören ist? Die heißen Tage von Rom jedenfalls werden Italien noch eine ganze Weile beschäftigen.

religion.ORF.at/APA