Religion 4.0: Wenn Roboter predigen

Ein 400 Jahre alter Tempel in Japan macht mit einer Attraktion der besonderen Art auf sich aufmerksam: Ein Androide, also ein menschenähnlicher Roboter, predigt dort. Er soll der Jugend den Buddhismus näherbringen. Der Roboter ist aber nicht der einzige digitale Geistliche.

Sein Name ist Mindar, er kann seinen Torso, seine Hände und seinen Kopf bewegen. Gesicht, Schultern und Hände sind mit einer Silikonschicht überzogen, die wie menschliche Haut wirken soll. Der Roboter soll Kannon, der buddhistischen Gottheit für Gnade, nachempfunden sein.

Von Mitgefühl und den Gefahren des Verlangens handeln die Predigten, die die geschlechtsneutrale Maschine im Kodaiji-Tempel in Kyoto hält. Den Besucherinnen und Besuchern des Tempels sagt der Roboter etwa: „Du stellst dich selbst zu sehr in den Mittelpunkt“, wie das Schweizer Nachrichtenportal Watson kürzlich berichtete.

Der japanische Mönch, Tensho Goto, betet an der Seite des Roboters im Kodaiji Tempel in Kyoto

APA/AFP/Charly Triballeau

Der japanische Mönch, Tensho Goto, betet an der Seite des Roboters

Androide wird „niemals sterben“

Der Mönch Tensho Goto hofft, dass der künstliche Prediger junge Japanerinnen und Japaner in den Tempel lockt und dem Gebetshaus zu einem neuen Image verhilft. „Junge Menschen denken wahrscheinlich, ein Tempel ist ein Ort für Beerdigungen oder Hochzeiten“, sagte Goto der Nachrichtenagentur AFP.

Die Jugend könne sich mit einem altmodischen Gelehrten wie ihm womöglich schwer identifizieren. Der Roboter könne hier vielleicht in einer „witzigen Art und Weise“ diese Spaltung überwinden. Er könne den Buddhismus verändern. „Der Roboter wird niemals sterben, er wird sich einfach immer updaten und weiterentwickeln. Darin liegt die Schönheit eines Roboters. Er kann endlos Wissen speichern“, sagte der Mönch. Er hoffe, dass der Androide durch die Künstliche Intelligenz weiter Wissen anhäufe und den Menschen so helfen könne, „selbst die größten Schwierigkeiten zu überstehen“.

Kritik an „Frankensteins Monster“

Enstanden ist der Roboter in einer Zusammenarbeit des Tempels mit der Universität Osaka. Die Entwicklung des metallenen Predigers hat etwa eine Millionen US-Dollar (rund 900.000 Euro) gekostet. Von Japanern erhalte Mindar viel positive Rückmeldungen, wie Goto erzählte. Sie hätten keine Vorurteile gegenüber Robotern: „Wir sind mit Comics aufgewachsen, in denen Roboter unsere Freunde sind.“

Kritik käme eher von Menschen aus dem Ausland, besonders aus dem Westen. Dort habe man den außergewöhnlichen buddhistischen Gelehrten mit Frankensteins Monster verglichen.

Mini-Roboter-Mönch aus China

Vor rund zwei Jahren sorgte auch ein chinesischer Tempel für internationale Schlagzeilen, weil dort ein kleiner Robotermönch Besucherinnen und Besuchern buddhistische Weisheiten näherbrachte. Der kniehohe Xian’er, so die Medienberichte, konnte sich in seiner Umgebung, dem alten Longquan-Tempel am Stadtrand von Peking, eigenständig bewegen und via Touchscreen 20 Fragen zum Glauben beantworten.

Meister Xianfan und der Robotermönch Xian'er

Reuters/Kim Kyung-Hoon

Auch in China sorgte ein Robotermönch, Xian’er, für Aufsehen

Ex-Bankomat segnet Christen

Nicht nur im technikaffinen Asien, auch in Deutschland hat die Künstliche Intelligenz ihren Weg in Gebetshäuser gefunden. Die vor zwei Jahren für die Weltausstellung der Reformation in Wittenberg konstruierte Kunst-Installation „BlessU-2“, ein Segensroboter, wurde mittlerweile auch in deutschen Kirchen eingesetzt.

Der Roboter, ein umgebauter Bankomat, kann Segensworte sprechen. Über einen Display können Besucherinnen und Besucher ihren Segen sozusagen personalisieren. Sie können auswählen, welche Art von Segen sie bekommen wollen, ob er von einer weiblichen oder männlichen Stimme gesprochen werden soll und in welcher Sprache bzw. welchem Dialekt. Das Segenswort kann danach auch ausgedruckt werden.

Grenzen der Künstlichen Intelligenz

Der Roboter soll in den deutschen Gemeinden zu einer Diskussion über die ethischen Grenzen von Künstlicher Intelligenz anregen. Die Einsatzmöglichkeiten werden immer größer, Roboter werden mittlerweile auch schon in der Pflege verwendet. Sie erinnern Pflegebedürftige an die Einnahme von Medikamenten, ans Essen und Trinken, sie können sogar Emotionen erkennen und darauf reagieren.

Können Roboter dann auch geistliche Handlungen vollziehen? Das ist eine Frage, mit der sich einige Theologinnen und Theologen bereits auseinandersetzen. So war das Thema der Theologischen Tage der deutschen Universität Halle-Wittenberg im Jänner „Künstliche Intelligenz als theologische Herausforderung“.

Theologie sieht Roboter als „legitimes Instrument“

Der evangelische Pastoraltheologe Christian Grethlein äußerte sich dort jedenfalls wohlwollend über den Segensroboter. Er sei als Ergänzung ein „legitimes Instrument zur religiösen Kommunikation“, wie die deutsche katholische Wochenzeitung „Neues Ruhr-Wort“ berichtete. Elementar sei bei dem Einsatz so eines Roboters allerdings „das soziale Setting“. Kirchliche Ansprechpartner sollten für Gespräche zur Verfügung stehen, falls die Gesegneten im Anschluss reden möchten.

Als der Roboter 2017 in Wittenberg eingesetzt worden war, habe es neben Irritierten, auch viele gegeben, die sich von der Maschine segnen ließen. Grethlein: „Es gab auch kirchenskeptische, atheistisch geprägte Menschen, die gesagt haben: Von dem Roboter habe ich mich segnen lassen. Von einem Menschen würde ich das nicht machen lassen.“

„Menschen brauchen seelsorgliche Begleitung“

Für die meisten Gläubigen dürfte der Einsatz von Androiden oder anderen elektronischen Geistlichen zumindest gewöhnungsbedürftig sein. Die Fragen, ob ein solcher Segen überhaupt gültig sein kann und ob Gott auch durch solche Maschinen wirken kann, werden in Zukunft noch Gegenstand von Debatten sein.

In der evangelischen Oelder Stadtkirche in Nordrhein-Westfalen, wo der Segensroboter Anfang des Jahres zwei Wochen im Einsatz war, habe das Expermiment mit dem Automaten jedenfalls die Lebendigkeit der Kirche noch einmal hervorgekehrt - so das Fazit der Pfarrerin Elke Räbinger. Dem Kölner domradio sagte sie: „Die Menschen brauchen die seelsorgliche Begleitung.“ Da dürfte ein Wesen mit Seele - zumindest derzeit - klar im Vorteil sein.

Clara Akinyosoye, religion.ORF.at

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