IKG gratuliert Paul Lendvai zum 90. Geburtstag

Die Israelitische Kultusgemeinde Wien gratuliert dem Journalisten und Osteuropa-Experten Paul Lendvai zum 90. Geburtstag. Lendvai wurde am 24. August 1929 als Sohn jüdischer Eltern in Ungarn geboren.

Der Lebensweg Lendvais werde in Berichten über ihn gerne als „spannend“ oder „aufregend“ bezeichnet. „Das war er wohl auch, aber vor allem war seine Jugend geprägt von Verfolgung, Internierung und existenziellen Nöten, zuerst während des Nazi-Regimes und später im kommunistischen Ungarn“, schrieb Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Religionsgesellschaft in Österreich und der Israelitischen Kultusgemeinde Wien am Freitag in einer Aussendung.

Lendvai habe trotz der schwierigen Umstände nie aufgegeben und sich im Laufe der Jahre und schließlich Jahrzehnte zu einem herausragenden Journalisten, Publizisten und politischen Kommentator entwickelt, so Deutsch. „Paul Lendvai ist einer der klügsten Köpfe Österreichs“, so Deutsch.

Deutsch: „Wir sollten ihm alle gut zuhören“

Bis heute seien seine politischen Analysen und Kommentare, insbesondere im Hinblick auf Nationalismus und Antisemitismus in Europa, von großer Weitsicht und Klarheit geprägt. Pointiert habe er kürzlich in einem Kommentar festgehalten: „Die wachsende Angst der europäischen Juden sollen die Nichtjuden im eigenen Interesse ernst nehmen". Lendvai habe sich nie gescheut, heikle Themen anzusprechen und jedes Gespräch mit ihm sei eine große Bereicherung. "Er hat noch viel zu sagen und wir sollten ihm gut zuhören“, so Deutsch.

Paul Lendvai

APA/Hans Punz

Die IKG Wien gratuliert dem Journalisten und Osteuropa-Experten Paul Lendvai zum 90. Geburtstag

Rechtzeitig zu seinem Jubiläum legte Lendvai sein neues Buch vor. In „Die verspielte Welt“ blickt er auf Begegnungen mit den Großen und Mächtigen der Welt zurück und erinnert sich an historische Wenden und politische Zäsuren. George Soros und Viktor Orban widmet er jeweils eigene Kapitel, auch die „Sehnsucht nach dem starken Mann“ analysiert Lendvai.

Allen Widrigkeiten zum Trotz

Geboren wurde Lendvai am 24. August 1929 in Budapest. Nach der Matura begann er neben seinem Jus-Studium im Alter von 18 Jahren auch journalistisch zu arbeiten. Von den Nazis verfolgt, rettete ihn nur ein Zufall vor der Deportation in ein Todeslager im Oktober 1944. In der Zeit danach wurde Lendvai im kommunistischen Ungarn zum glühenden Marxisten und konnte seine journalistische Karriere fortsetzen, bevor er im Zuge seines Militärdienstes denunziert wurde und für ein Jahr in Haft kam.

Erst 1953 wurde Lendvai amnestiert, musste sich allerdings als freier Journalist und Übersetzer sein Einkommen sichern, da er mit einem Berufsverbot belegt wurde. Schließlich setzte er sich nach Österreich ab, da er die politische Lage in seinem Heimatland nicht mehr ertragen habe, wie er in seinen Memoiren schreibt. Von 1957 bis 1982 arbeitete er als Osteuropakorrespondent für „Die Presse“, 1959 erhielt Lendvai die österreichische Staatsbürgerschaft.

International tätig

Hierzulande sollte er sich publizistisch endgültig einen Namen machen, wobei er von 1960 bis 1982 ebenfalls für die Londoner „Financial Times“ tätig war und ab 1973 als Chefredakteur und Mitherausgeber der Vierteljahreszeitschrift „Europäische Rundschau“ fungierte. Ein Titel, in dem er eine „publizistische Visitenkarte des neutralen Österreichs“ sowie ein „publizistisches Instrument und Sprachrohr der Europäisierung und Humanisierung“ sah.

Größere Bekanntheit erlangte er schließlich mit seinen außenpolitischen Kommentaren im ORF, wobei er auch maßgeblich am Aufbau der Osteuroparedaktion des ORF beteiligt war. Ab 1982 war er fünf Jahre lang Chefredakteur der Redaktion für Ost- und Südosteuropa des ORF, von 1987 bis 1998 dann Intendant von Radio Österreich International. Seit 2003 verfasst er eine wöchentliche Kolumne für den „Standard“, im ORF diskutiert er mit Journalisten und Experten im „Europastudio“.

Im Laufe seiner Karriere veröffentlichte Lendvai zudem etliche Bücher, etwa „Der Rote Balkan - Zwischen Nationalismus und Kommunismus“ (1969), „Antisemitismus ohne Juden - Entwicklungen und Tendenzen in Osteuropa“ (1972), „Das eigenwillige Ungarn - Innenansichten eines Grenzgängers“ (1987), „Mein Österreich. 50 Jahre hinter den Kulissen der Macht“ (2007) und „Orbans Ungarn“ (2016). 2013 legte er mit „Leben eines Grenzgängers“ seine Memoiren vor. 1980 wurde ihm der Berufstitel Professor verliehen. Neben dem Großen und dem Goldenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik wurde er unter anderem auch mit dem Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse ausgezeichnet.

religion.ORF.at/APA

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