Anklagen wegen Missbrauchs in Vatikan-Seminar

Zwei italienischen Priestern soll wegen Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Minderjährigen innerhalb des Vatikans der Prozess gemacht werden.

Dies habe der sogenannte Justizpromotor des Vatikans entschieden, teilte der Heilige Stuhl am Dienstagabend mit. Gabriele Martinelli werde sexueller Missbrauch vorgeworfen, Enrico Radice Beihilfe zum Missbrauch. Es gehe um Vorfälle im sogenannten Präseminar Pius X. vor dem Jahr 2012.

In dem im Vatikan gelegenen Seminar werden Buben im Alter von elf bis 14 Jahren auf eine mögliche spätere Ausbildung als Priester vorbereitet. Sie ministrieren im Petersdom und bei Zeremonien des Papstes. Der Skandal um die „Ministranten des Papstes“ war im November 2017 durch das Buch „Peccato originale“ (Deutsch: „Erbsünde“, 2018) des italienischen Enthüllungsjournalisten Gianluigi Nuzzi publik geworden.

Obelisk in der Vatikan-Stadt

APA/AFP/Miguel Medina

Im Vatikan soll zwei Priestern wegen sexuellen Missbrauchs der Prozess gemacht werden

Zeuge: Bis zu 140 Vorfälle

Martinelli sei zur Zeit der mutmaßlichen sexuellen Übergriffe 21 Jahre alt und für die Ausbildung von Ministranten zuständig gewesen. Martinelli wurde 2017 zum Priester geweiht. Radice war Rektor der Einrichtung. Das Präseminar Pius X. liegt innerhalb der Mauern des Vatikans, nur wenige Schritte von der Residenz von Papst Franziskus entfernt.

Italienischen Presseberichten zufolge hatte ein junger polnischer Ministrant, der sich mit einem der Opfer das Zimmer teilte, von Dutzenden sexuellen Übergriffen berichtet. Er sei Zeuge von bis zu 140 Missbrauchsvorfällen geworden und habe geschildert, dass Martinelli seine Opfer durch „Macht und Einschüchterung“ gefügig gemacht habe. Mit anderen Mitbewohnern zusammen hatte er die Übergriffe zunächst Vorgesetzten Martinellis gemeldet und später Kardinäle schriftlich informiert.

Papst führte Meldepflicht ein

Papst Franziskus hatte im Mai eine interne Meldepflicht für Missbrauchsfälle innerhalb der katholischen Kirche eingeführt. Die katholische Kirche wird seit Jahren von Missbrauchsskandalen erschüttert. Ende Februar hatte der Papst bei einem Krisengipfel im Vatikan „konkrete und wirksame Maßnahmen“ der Kirche gegen sexuellen Kindesmissbrauch gefordert. Das im Mai erlassene Dekret zur Verschärfung des Kirchenrechts war ein Ergebnis des Krisengipfels.

Nuzzi hat sich in Italien einen Namen als Enthüllungsjournalist gemacht, der echte oder vermeintliche Vatikan-Skandale ausgräbt. 2012 hatte er mit der Publikation vertraulicher Dokumente aus der Kurie den ersten sogenannten „Vatileaks“-Skandal ausgelöst. Im Herbst 2015 veröffentlichte er ein Buch über Geldverschwendung in der Kurie. Nuzzi begrüßte am Dienstag, dass sich die verdächtigten Priester jetzt vor einem vatikanischen Gericht verantworten müssen.

religion.ORF.at/KAP

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